Gesundheitskarte: Langzeitprojekt mit offenem Ende
Das Gesundheitshandwerk setzt sich für den Anschluss seiner Betriebe an die Telematikinfrastruktur der Gesundheitskarte ein. Derzeit sieht es aber nicht danach aus, dass diese Forderung bald erfüllt werden könnte.
Die elektronische Gesundheitskarte ist ein Mammutprojekt mit einer langen Geschichte – von der Idee Anfang der 2000er Jahre bis zur immer noch nicht vollständigen Umsetzung heute. Nach langem Hin und Her begannen die Krankenkassen im Jahr 2011, die Karten an die Versicherten auszugeben. Seit 2015 gilt nur noch die elektronische Gesundheitskarte als Berechtigungsnachweis, um Leistungen der Krankenversicherungen in Anspruch nehmen zu können.
Neu sind das Lichtbild auf der Karte, das nicht auf alten Krankenversichertenkarte zu finden war, und der Mikroprozessorchip, auf dem gesundheitsrelevante Daten gespeichert werden können. Derzeit werden so nur administrative Daten der Versicherten (Name, Geburtsdatum, Anschrift, Angaben zur Krankenversicherung, Krankenversichertennummer, Versichertenstatus) gespeichert. Optional können auf Wunsch des Versicherten zusätzlich Notfalldaten oder Medikationspläne abgelegt werden. Ab 2021 müssen Krankenkassen jedem Versicherten eine elektronische Patientenakte zur Verfügung stellen.
Einführung zieht sich hin
Mithilfe der Gesundheitskarte sollen Ärzte, Krankenhäuser, Apotheken und Krankenkassen miteinander vernetzt werden. Außen vor bleiben bei diesen Überlegungen zunächst die Gesundheitshandwerke. Auch sie benötigen Patientendaten für ihre Dienstleistungen und fordern den Anschluss an die sich noch im Aufbau befindliche Telematikinfrastruktur, die als Datenautobahn dienen soll.
"Wir haben auf der einen Seite das grundsätzliche Problem, dass sich die Einführung der Gesundheitskarte seit vielen, vielen Jahren hinzieht", sagt Dr. Jan Wetzel. Es gebe Stimmen, die das Projekt mit der nicht enden wollenden Misere beim Bau des Flughafens Berlin/Brandenburg vergleichen, so der Geschäftsführer des Zentralverbands der Augenoptiker und Optometristen.
Warten auf den Anschluss des Gesundheitshandwerks
Seit 2015 gilt nur noch die elektronische Gesundheitskarte als Berechtigungsnachweis, um Leistungen der Krankenversicherungen in Anspruch nehmen zu können. Foto: © Inga Geiser / DHB-MontageSeit 2015 gilt nur noch die elektronische Gesundheitskarte als Berechtigungsnachweis, um Leistungen der Krankenversicherungen in Anspruch nehmen zu können.Die Forderung des Gesundheitshandwerks verhallt aber regelmäßig – zwar nicht ungehört, aber ohne Folgen. Derzeit wolle man sich auf den Anschluss aller Ärzte, Krankenhäuser und Apotheken konzentrieren. Das sagte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) vor rund einem Jahr im Gespräch mit dem Handwerk.
Doch das Gesundheitshandwerk werde nicht vergessen, versprach er. Aber zunächst sollen keine weiteren Berufe, vor allem keine nicht approbierten Gesundheitsberufe, angebunden werden. Und daran hat sich auch bis heute nichts geändert. Ein Anschluss der handwerklichen Gesundheitsberufe wird also wohl noch lange auf sich warten lassen. "Es gibt noch immer keine konkreten Zusagen oder Zeitpläne", berichtet Wetzel.
Versorgungsweg noch nicht vollständig digitalisiert
Zitat: "Da als Handwerk irgendwas Konkretes erwarten zu können, ist aber schwierig, wenn wir vom Gesundheitsminister immer wieder vertröstet werden."
Dr. Jan Wetzel, Geschäftsführer des ZVADer Anschluss an die Telematikinfrastruktur sei deshalb so wichtig, damit ein bruchfreier elektronischer Ablauf gewährleistet sei. Andernfalls drohen Probleme beim Verfahren und damit weitere Bürokratie für den handwerklichen Betrieb und für den Patienten. "Wenn alles elektronisch läuft, müssen auch die Augenoptiker, die zulasten der Krankenkasse liefern wollen, irgendwie ein E-Rezept bekommen", erklärt Wetzel. "Das heißt: Wenn ein E-Rezept von einem Arzt ausgestellt wird, muss der Optiker ja in der Lage sein, dieses E-Rezept zumindest lesen zu können."
Deswegen sei der Anschluss an die Telematikinfrastruktur unbedingt notwendig, wenn denn das Verfahren in Zukunft komplett elektronisch ablaufen soll. "Und das muss irgendwann mal geschehen, sonst ist der Versuch, den Versorgungsweg zu digitalisieren gescheitert. Es wäre ja Unsinn, wenn der Versicherte das E-Rezept ausdrucken muss, um es dem Augenoptiker auszuhändigen, damit der seine Leistung gegenüber der Krankenkasse abrechnen kann."
Datenzugang ist ein wichtiges Thema
In einem weiteren Schritt müsse auch über das Thema Datenzugang nachgedacht werden. Wetzel: "Wenn ein Augenoptiker ein E-Rezept bekommt, welche Zusatzinformationen muss er denn noch für seine Arbeit bekommen?" Denn die Versorgung könne darunter leiden, wenn bestimmte Informationen fehlen. "Insofern muss man auch darüber nachdenken, ob er Einblick in die elektronische Patientenakte bekommt." Hier wird es im Hinblick auf Datenschutz kompliziert: Zu welchen Daten soll er Zugang bekommen?
Für Augenoptiker sei es nicht wichtig, etwas über die Kniebeschwerden des Patienten zu erfahren. Nimmt dieser blutdrucksenkende Medikamente, sei das aber schon von Interesse. "Da als Handwerk irgendwas Konkretes erwarten zu können, ist aber schwierig, wenn wir vom Gesundheitsminister immer wieder vertröstet werden." Für den Flughafen Berlin/Brandenburg gibt es mittlerweile einen Eröffnungstermin. Die Gesundheitskarte bleibt zumindest fürs Gesundheitshandwerk zunächst ein Projekt mit offenem Ende.
Text:
Lars Otten /
handwerksblatt.de
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