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Jeder Handwerker, dessen Arbeit auf Vorleistungen aufbaut, muss daher prüfen, ob diese eine geeignete Grundlage für seine Arbeit sind oder möglicherweise deren Erfolg gefährden.

Jeder Handwerker, dessen Arbeit auf Vorleistungen aufbaut, muss prüfen, ob diese eine geeignete Grundlage für seine Arbeit sind oder möglicherweise deren Erfolg gefährden. (Foto: © Jean-Marie Guyon/123RF.com)

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Gewährleistung am Bau: Bedenken rechtzeitig anmelden!

Wer nicht zügig Alarm schlägt, wenn der Erfolg der eigenen Arbeit von anderen Faktoren gefährdet wird, kann am Ende für fremde Fehler haften. Sogar, wenn er einwandfrei gearbeitet hat. Ein Experte erklärt, was zu tun ist.

Jeder Handwerker schuldet seinem Kunden grundsätzlich ein mängelfreies Werk. "Als Handwerker muss man sein Gewerk zum Erfolg führen. Rechtlich übersetzt heißt das, dass mein Gewerk dauerhaft funktionstauglich sein muss. Dann ist der Erfolg eingetreten", sagt Carsten Seeger, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht in Düsseldorf.

Am Bau arbeiten viele Gewerke zusammen. Jeder Handwerker, dessen Arbeit auf Vorleistungen aufbaut, muss daher prüfen, ob diese eine geeignete Grundlage für seine Arbeit sind oder möglicherweise deren Erfolg gefährden. "Als Handwerker kann man sich nicht nur auf sein Gewerk konzentrieren und denken, dass es damit getan sei. Das ist eine völlig falsche Denkweise!", betont Seeger. "Ein Handwerker darf nicht nur einfach das Leistungsverzeichnis abarbeiten, sondern sein Werk muss dauerhaft funktionieren – auch im Zusammenhang der Einbindung seines Gewerks, insbesondere der Örtlichkeit und zu anderen Gewerken." Die Mängelhaftung ist eine verschuldensunabhängige, das heißt, es ist egal, ob die Gründe im Verantwortungsbereich des Handwerkers oder außerhalb seiner Leistung liegen. 

"Deshalb muss der Handwerker auch rechts und links des Leistungsverzeichnisses schauen und sich fragen, ob die aufgeführten Leistungspositionen dazu tauglich sind, den Werkerfolg mit dieser Arbeitsweise und mit diesem Material herzustellen", weiß der Baurechtler. 

Bei Zweifeln sofort schriftlich Bedenken anmelden!

Bei Zweifeln an der Funktionsfähigkeit des Werkes muss der Handwerker daher dem Kunden möglichst früh einen schriftlichen Hinweis geben." Wenn der Handwerker meint: 'Das kann so im Gesamtzusammenhang nicht funktionieren', muss er auf jeden Fall Bedenken anmelden!", warnt der Bauanwalt. "Diese Bedenkenanmeldung kann nicht im Nachhinein erfolgen, sondern muss vor Ausführung stattfinden. Denn eine Bedenkenanmeldung ist ein klarer Warnhinweis an den Auftraggeber: 'Das geht so nicht'!"

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Die Prüf- und Hinweispflicht ist eine vertragliche Hauptpflicht, sie gilt gleichermaßen beim VOB- und beim BGB-Bauvertrag. Verletzt der Handwerker diese Pflicht, kann er für Mängel haften – auch wenn er selbst fehlerlos gearbeitet hat. Und der Handwerker muss im Streitfall beweisen, dass er Bedenken angemeldet hat. Nur dann ist er von seiner Haftung befreit.

"Wenn man als Handwerker Bauchschmerzen hat, dass bei den vorgefundenen Gegebenheiten sein Werk nicht dauerhaft funktionieren kann, dann muss man Bedenken anmelden", stellt Seeger klar. "Daran führt kein Weg vorbei. Ansonsten ist man schnell in der Haftung, obwohl man sein Gewerk fachgerecht hergestellt hat. Gerichte verstehen dabei leider wenig Spaß", weiß der Jurist. "Die Rechtsprechung hat hierzu viele Urteile gefällt."

Hier stellen wir zwei Urteile vor, die zu einer Haftung des Handwerkers führten, weil er seine Bedenken nicht angemeldet hatte. 

Beispiele aus der Rechtsprechung

Fall 1

Ein Bodenleger verlegte im Erdgeschoss eines Hauses ohne Keller einen Vinylboden auf dem vorhandenen Terrakottaboden. Bei seiner Überprüfung hatte er keine Feuchtigkeit des Terrakottabodens festgestellt. Er arbeitete fachgerecht. Später kam es zu Reklamation des Kunden, weil das Vinyl Blasen warf  und sich ablöste. Der gerichtlich bestellte Gutachter stellte die Verseifung des Klebers durch ständige Feuchtigkeit fest. Eine Kernbohrung zeigte, dass sich keine Feuchtigkeitssperre in der Konstruktion befand. Der Kleber versagte bei dieser Feuchtigkeit, die nicht verdunsten konnte. 

Bedenkenanmeldung hätte von Haftung befreit

Der Auftraggeber verlangte vor Gericht die Kosten einer Ersatzvornahme zurück sowie Schadensersatz für Umsatzverluste und Lohnkosten, da er seinen Mitarbeitenden während der Bodensanierung freigeben musste. Er hatte damit Erfolg: Der Handwerker musste rund 35.000 Euro zahlen, urteilte das Oberlandesgericht Bamberg (Az. 12 U 58/22).

"Aus dem Fall kann man erkennen, dass obwohl er sein Werk fachgerecht hergestellt hat, trotzdem die Haftungskeule trifft", sagt Baurechtsanwalt Seeger. "Ganz einfach deshalb, weil sein Gewerk bei diesen Gegebenheiten nicht dauerhaft funktionsfähig sein kann. Hier wäre der Bodenleger durch eine Bedenkenanmeldung aus dem Schneider gewesen!"

Es sei nur legitim, wenn der Bodenleger bei Gegebenheiten, die er selbst nicht einschätzen kann, vorsorglich Bedenken angemeldet hätte, um aus der Haftung zu kommen, betont der Jurist. "Bei einer Bedenkenanmeldung geht es nicht darum, dass man die Gewissheit hat, dass es zu Mängeln oder Schadenseintritt kommen kann, sondern ausreichend ist, dass die Möglichkeit eines Mangels oder Schadenseintritts besteht." Der Bodenleger hätte bei dieser Ungewissheit auf jeden Fall vorsorglich Bedenken anmelden müssen, um sich vor einer Haftung zu schützen.

Fall 2

Ein Handwerker verlegte einen Vinylboden in einer Arztpraxis. Später verlangt der Arzt Mängelbeseitigung, weil der Bodenbelag zahlreiche Dellen und Eindrücke aufweist. Der Bodenleger wehrte sich, dass diese Mängel allein auf das Nutzungsverhalten der Praxis, vor allem Stuhlrollen, zurückzuführen sei. Ein Sachverständiger stellt fest, dass fahrbare Dentaleinheiten und Bürocontainer sowie Rollstühle die Dellen und Eindrücke verursacht hatten. Diese störten das optische Erscheinungsbild des Bodens stark – ein funktionaler Mangel.

Vor dem Oberlandesgericht Hamburg verlor der Bodenleger den Prozess. Das Gericht erklärte, dass der vertragliche Erfolg sich nicht allein nach der vereinbarten Ausführungsart, sondern auch danach beurteilt, welche Funktion das Werk erfüllen soll. Die Pflicht des Handwerkers, ein dem Vertragszweck entsprechendes, funktionstaugliches Werk abzuliefern, gehe vor.

Bei Auftragsannahme nach späterer Nutzung des Werks fragen

"Hier hätte der Bodenleger nicht nur die örtlichen Gegebenheiten und den Aufbau der Unterkonstruktion im Sinn haben müssen, sondern auch die spätere Nutzung des Bodens", resümiert Seeger. "Das sollte man bereits bei Annahme des Auftrags erfragen. Das Nutzungsverhalten des Auftraggebers sollte ein Bodenleger keinesfalls egal sein!"

Dem Kunden nachträglich eine Reinigungs- und Pflegeanleitung zu geben ist zu spät, entschied das OLG ausdrücklich. Denn der Auftraggeber hätte sich bei Kenntnis der Dellenbildung  vermutlich für einen anderen Bodenbelag entschieden. Deshalb sei eine nachträgliche Übergabe dieser Unterlagen auf jeden Fall zu spät. Vielmehr müsse dieser Warnhinweis bereits im Angebot erscheinen. Oberlandesgericht Hamburg (Az. 11 U 128/17)

Fazit

"An diesen beiden Fällen kann man sehen, dass die Erfolgshaftung einen Handwerker jederzeit treffen kann, da sie weit gefasst wird", ist Seegers Fazit. "Da hilft auch kein fachgerechtes Arbeiten. Nur durch eine Bedenkenanmeldung kommt man aus der Haftung. Diese muss auch inhaltlich formal richtig sein. Hier helfen Formblätter aus dem Internet nicht weiter."

Im Wortlaut § 4 Absatz 3 VOB/B:
"Hat der Auftragnehmer Bedenken gegen die vorgesehene Art der Ausführung (auch wegen der Sicherung gegen Unfallgefahren), gegen die Güte der vom Auftraggeber gelieferten Stoffe oder Bauteile oder gegen die Leistungen anderer Unternehmer, so hat er sie dem Auftraggeber unverzüglich – möglichst schon vor Beginn der Arbeiten – schriftlich mitzuteilen; der Auftraggeber bleibt jedoch für seine Angaben, Anordnungen oder Lieferungen verantwortlich."

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Text: / handwerksblatt.de

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