Gesundheitshandwerke: Streit um die Hilfsmittelversorgung
Der GKV-Spitzenverband unterstellt den Leistungserbringern bei der Hilfsmittelversorgung kartellrechtswidriges Verhalten. Die Gesundheitshandwerke widersprechen heftig.
Wegen der Kritik von verschiedenen Seiten an der Hilfsmittelversorgung im Gesundheitswesen fordert der Spitzenverband der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen (GKV-Spitzenverband) in einem Positionspapier politische Forderungen und prangert gleichzeitig die Gesundheitshandwerke an und wirft ihnen kartellrechtswidriges Verhalten vor. Diese wehren sich gegen die Vorwürfe. Die Forderungen der Krankenkassen würden eine qualitativ hochwertige Hilfsmittelversorgung betroffener Menschen in weiten Teilen verhindern.
Der GKV-Spitzenverband stellt in seinem Papier einen Anstieg der jährlichen Kosten für Hilfsmittel um fast 60 Prozent in den letzten zehn Jahren fest. Lange hätte die Ausgabendynamik besonders durch Festbetragsregelungen und Ausschreibungen abgeschwächt werden können. "Gesetzgeberische Eingriffe in Qualität und Wirtschaftlichkeit und die Rechtsprechung" hätten aber für einen mangelhaften Wettbewerb gesorgt.
Konter der Gesundheitshandwerke
Zusätzlich hätten sich auf Leistungserbringerseite strategisch ausgerichtete Konsortien und Verhaltensweisen herausgebildet, "die faire Verhandlungsprozesse für die Krankenkassen erschweren und den Wettbewerb im Hilfsmittelbereich vollends zum Erliegen bringen". Die in einer Arbeitsgemeinschaft zusammengeschlossenen Verbände hätten gegenüber den Krankenkassen einheitliche Preisaufschläge für ihre Leistungen im Rahmen bestehender Versorgungsverträge gefordert und oft auch durchgesetzt. Das Bundeskartellamtgehe davon aus, dass dies gegen das Kartellrecht verstößt, so der GKV-Spitzenverband.
"Tatsächlich verhindert der GKV-Spitzenverband selbst den Wettbewerb, indem er durch bewusst zu niedrig festgesetzte Festbeträge die Hilfsmittelversorgung unterfinanziert", kontert die Arbeitsgemeinschaft der Verbände der Gesundheitshandwerke im Zentralverband des Deutschen Handwerks. Die vom Verband geforderte Einschränkung des Beitrittsrechts der Leistungserbringer zu bestehenden Verbänden sei eine Wettbewerbsbeschränkung, um einzelne Unternehmen bevorzugen zu können.
Verhandlungen auf Augenhöhe
"Anbieter von Hilfsmitteln oder deren Verbände treten zunehmend in Preisverhandlungen mit den Krankenkassen als Verhandlungsgemeinschaft auf oder stimmen sich im Rahmen von Verhandlungen unter Ausnutzung ihrer Marktmacht ab", so die Behauptung des GKV-Spitzenverbands. Auch die Beitrittsmöglichkeit von Verbänden zu Kollektivverträgen könne Marktkonzentration bewirken. Deswegen fordert er, "gesetzliche Regelungen und Sanktionsmaßnahmen, um Kooperationen auf Leistungserbringerseite und Verhaltensweisen zu unterbinden", die den Wettbewerb einschränken. Die Vertragshoheit sei auf einzelne Leistungserbringende, Verbände oder Zusammenschlüsse von Leistungserbringenden zu beschränken, mit denen Vertragsverhandlungen unabhängig voneinander geführt werden.
Den Gesundheitshandwerken zufolge kritisiert der GKV-Spitzenverband auch den freiwilligen Zusammenschluss von Leistungserbringern in Verbänden. Sie seien aber "absolut notwendig für kleine inhabergeführte Gesundheitshandwerke, um mit den Krankenkassen auf Augenhöhe – wie vom Gesetzgeber gewünscht – verhandeln zu können". Wenn gegen das Wettbewerbsrecht verstoßen wird, könnten die dafür geschaffenen Kartellbehörde für Ordnung sorgen, aber nicht der GKV-Spitzenverband, bei dem sich 100 Prozent der gesetzlichen Krankenkassen zusammengeschlossen hätten.
Kostensteigerung differenziert betrachten
Außerdem fordert der Spitzenverband "gesetzliche Regelungen, durch die die vertragsrechtlichen Handlungsspielräume erweitert werden". Dazu geeignet seien vor allem Ausschreibungen und Open-House-Verträge mit festen Qualitätskriterien, die auch über das Hilfsmittelverzeichnis hinausgehen können sollen. Ausschreibungen seien 2019 vom Gesetzgeber "aus guten Gründen" untersagt worden, betont die Arbeitsgemeinschaft der Gesundheitshandwerke. "Denn die gesetzlichen Krankenversicherungen sind zu verantwortungslos mit diesem Instrument umgegangen. Es kam in der Vergangenheit zu eklatanten Schlecht- und Unterversorgungen auf Versichertenseite und zu Insolvenzen auf Leistungserbringerseite."
Bei Ausschreibungen habe der niedrigste Preis und nicht die beste Versorgungsqualität den Wettbewerb bestimmt. Der Spitzenverband schüre durch falsche Verknüpfungen die Angst vor Beitragsanhebungen. Die Begründung des Anstiegs der Hilfsmittelausgaben mit dem Ausschreibungsverbot sei "ein plumper Versuch, mit falschen statistischen Angaben die Rückkehr zu patientengefährdenden Dumpingpreisen zu fordern". Die Kostensteigerung müsse statistisch bereinigt auch vor dem Hintergrund des demografischen Wandels, dem Zuwachs an Versicherten und dem Anstieg durch weitere Leistungsempfänger gesehen werden.
Streitpunkt Openhouse-Verträge
Openhouse-Verträge habe der Gesetzgeber aus den gleichen Gründen untersagt wie die Ausschreibungen. Das seien Verträge, bei denen die Krankenkasse die kompletten Vertragsbedingungen, einschließlich der Preise, vorgeben und jeder Leistungserbringer nur dann die Versorgung der gesetzlich Versicherten weiterführen darf, der diese Bedingungen erfüllt und dem Vertrag ohne vorherige Vertragsverhandlungen oder Nachverhandlung beitritt. Dies wäre ein Preisdiktat der gesetzlichen Krankenversicherung, welches den Leistungswettbewerb unterbinde.
Die Forderung der Krankenkassen, ihnen die Möglichkeit einzuräumen, frei zu entscheiden, ob sie einen Rahmenvertrag mit einem Leistungserbringerverband oder einen Vertrag mit einem einzelnen Leistungserbringer schließen möchten, sei eine Möglichkeit, Openhouse-Verträge durch die Hintertür einzuführen. So könnten sie "mit einem ihnen zugeneigten Leistungserbringer, welche mit ihnen gefälligen Konditionen vereinbaren, die dann andere Leistungserbringer zu akzeptieren hätten".
Einigkeit beim Bürokratieabbau
Einverstanden sind die Gesundheitshandwerke mit der Forderung des Abbaus unnötiger Bürokratie: "Diesem Anliegen ist mit Blick auf die Forderungen zuzustimmen, den ermäßigten Umsatzsteuersatz auf alle Hilfsmittel anzuwenden, im Präqualifizierungsverfahren unnötige anlasslose Überwachungsmaßnahmen zu streichen und auf die Betreiberpflichten nach der Medizinproduktebetreiberverordnung zu verzichten." Unverständlich sei aber, "die Dokumentations- und Informationspflichten der Leistungserbringer hinsichtlich der Beratung der Versicherten über die Möglichkeit der aufzahlungsfreien Versorgung zu erhöhen, um den eigenen Aufwand reduzieren zu können".
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Text:
Lars Otten /
handwerksblatt.de
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