Gesundheitshandwerke: Kartellamt mahnt Hilfsmittel-Verbände ab
Die Preiserhöhungen der Sanitär-Hilfsmittelverbände verstoßen gegen das Kartellverbot, erklärt das Bundeskartellamt. Es hat die Beteiligten jetzt abgemahnt.
Mehrere Verbände aus dem Hilfsmittelbereich haben gemeinsam gegenüber Krankenkassen Preisaufschläge bei Versorgungsverträgen durchgesetzt. Die Verbände repräsentieren einen Großteil der Leistungserbringer, vor allem Sanitätshäuser und orthopädische Werkstätten, organisiert sind sie in einer Arbeitsgemeinschaft (ARGE). Beteiligt sind der Bundesinnungsverband für Orthopädie-Technik, EGROH, CURA-SAN, rehaVital, Reha-Service-Ring und Sanitätshaus Aktuell.
Das Bundeskartellamt sieht einen Verstoß gegen das Kartellrecht und hat der ARGE jetzt seine vorläufigen Ermittlungsergebnisse übersandt. "Nach dem derzeitigen Ermittlungsstand halten wir die Bildung einer Anbietergemeinschaft aus nahezu allen relevanten Hilfsmittel-Verbänden für unvereinbar mit dem Kartellverbot", erklärt Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes. Hilfsmittelanbieter haben rechtlich die Möglichkeit, im Rahmen von Verbänden gemeinsam mit den Krankenkassen zu verhandeln. Dadurch werden aber keine Anbietergemeinschaften unbegrenzter Größe und monopolähnlicher Marktabdeckung wie bei der ARGE legitimiert. Nur im Wettbewerb bilden sich marktgerechte Preise, die letztlich beide Seiten gegen Ausbeutung schützen."
Quasi-Monopol
Die ARGE der Hilfsmittel-Verbände repräsentiert etwa 80 Prozent der relevanten Leistungserbringer-Standorte der reha-technischen Hilfsmittel bundesweit. Damit tritt sie im Rahmen ihrer gemeinsamen Verhandlungen gegenüber den Krankenkassen als Quasi-Monopolistin auf. Zwar ist es Hilfsmittelanbietenden wie Sanitätshäusern, Orthopädietechnikern und anderen erlaubt, sich zu bundesweiten Verbänden zusammenzuschließen, um gemeinsam Verhandlungen mit Krankenkassen über die Versorgung von Patientinnen und Patienten mit Hilfsmitteln zu führen. Denn nur so können die Hilfsmittelanbieter eine flächendeckende Versorgung im ganzen Bundesgebiet gewährleisten.
Aufschläge sind nicht leistungsbezogen
Die kartellrechtliche Grenze ist aus Sicht des Amtes jedenfalls dann aber überschritten, wenn alle maßgeblichen Verbände sich zusammenschließen oder in einem Ausmaß kooperieren, das den Wettbewerb fast vollständig zum Erliegen bringt. Die Beteiligten an der ARGE hatten die gemeinsam geforderten Preisaufschläge gegenüber den Krankenkassen mit kostenrelevanten Auswirkungen der Corona-Pandemie begründet (gestiegene Fracht-, Liefer- und Rohstoffkosten). Diese Rechtfertigung greift aus Sicht des Amtes nicht durch, wenn die Aufschläge pauschal und ohne sachliche Differenzierung für praktisch sämtliche angebotenen Produkte und Leistungen gefordert werden. Die erhobenen Preiszuschläge waren daher nicht mehr auf Basis von realen Kostensteigerungen leistungsbezogen kalkuliert, sondern weitgehend von den Gegenleistungen der Beteiligten und ihrer Mitgliedsunternehmen abgekoppelt, teilt das Kartellamt mit.
Neben den Vorschriften des deutschen Wettbewerbsrechts ist das Bundeskartellamt auch zur Durchsetzung des europäischen Kartellrechts befugt. Derzeit geht das Amt auch von einem Verstoß gegen diese Vorschriften aus, die ohnehin – auch vor Sonderregelungen im deutschen Sozialrecht – vorrangig zu beachten sind.
Zu der Abmahnung des Bundeskartellamtes können die Betroffenen jetzt Stellung nehmen. Am Ende kann es zu einer Untersagung des kartellrechtswidrigen Verhaltens, Verpflichtungszusagen der Betroffenen oder zur Einstellung des Verfahrens kommen.
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Text:
Anne Kieserling /
handwerksblatt.de
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