Thermofenster schalten die Abgasfilter bei bestimmten Temperaturen aus.

Thermofenster schalten die Abgasfilter bei bestimmten Temperaturen aus. (Foto: © Bartolomiej Pietrzyk /123RF.com)

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Diesel-Skandal: Auch bei Thermofenstern gibt es Geld zurück

Autohersteller müssen Käufern von Dieselautos mit Thermofenstern auch dann Schadensersatz leisten, wenn sie fahrlässig gehandelt haben. Der Bundesgerichtshof hat damit die Rechte von Dieselfahrern gestärkt.

Im Diesel-Skandal hat der Bundesgerichtshof (BGH) die Hürden für Schadensersatz bei Fahrzeugen mit Schummel-Software deutlich gesenkt. In den jetzt entschiedenen Verfahren ging es um sogenannte Thermofenster. Diese steuern den Abgasausstoß je nach Außentemperatur. Bisher war ein Thermofenster aus Sicht des BGH kein Grund für Schadensersatz. Es musste eine vorsätzliche und bewusste Täuschung der Käufer vorliegen, die die Karlsruher Richter bislang nicht als erwiesen sahen.

Nachdem der Europäischen Gerichtshof im März entschieden hatte, dass ein fahrlässiges Handeln der Autobauer genügt, musste der BGH seine Rechtsprechung anpassen. Jetzt stehe den Käufern grundsätzlich ein Schadensersatz in Höhe von fünf bis 15 Prozent des Kaufpreises zu, erklärten die deutschen Richter. Noch nicht geklärt ist aber, ob die Hersteller überhaupt fahrlässig gehandelt haben.

Die Fälle

Geklagt hatten drei Autobesitzer gegen Audi, Mercedes-Benz und Volkswagen wegen sogenannter Thermofenster. Diese Abschalteinrichtung drosselt bei kühleren Temperaturen die Abgasreinigung. Viele Autohersteller nutzen sie und argumentieren, das sei notwendig, um den Motor zu schützen. Der EuGH hat im Juli 2022 bereits Thermofenster für unzulässig erklärt.

Der deutsche Bundesgerichtshof (BGH) vertrat bislang die Ansicht, dass Hersteller bewusst und gewollt auf sittenwidrige Weise getäuscht haben müssen, damit die Käufer Schadensersatz fordern können. Diese strengen Kriterien waren bisher nur beim VW-Motor EA189 erfüllt. Vor deutschen Gerichten mussten Kläger nachweisen, dass die Entwicklung der Manipulationssoftware von Führungskräften des Herstellers aus Gewinnstreben angeordnet wurde. Doch entsprechende Informationen sind der Öffentlichkeit im Normalfall nicht zugänglich. Deshalb hatte der BGH in der Vergangenheit entschieden, dass Schadensersatzansprüche wegen Thermofenstern nicht bestehen.

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Die Urteile

Anstelle des sogenannten großen Schadensersatzes, bei dem ein Kaufvertrag rückabgewickelt wird und der Käufer den Preis – abzüglich einer Nutzungspauschale – erstattet bekommt, soll er hier fünf bis 15 Prozent des Kaufpreises erhalten.

Dies begründet der BGH mit der drohenden Stilllegung des Fahrzeugs, die dessen Verfügbarkeit in Frage stelle. Die Erfahrung zeige, dass die Käufer das Fahrzeug nicht zu dem vereinbarten Preis erworben hätten, wenn ihnen das bekannt gewesen wäre. Die jeweiligen Richter können nun innerhalb der vom BGH genannten Spanne selbst festlegen, wieviel Prozent Schadensersatz der Hersteller jeweils zahlen muss; ein Sachverständigengutachten ist dafür nicht notwendig.

Hersteller hat Beweislast

Ob die Autobauer tatsächlich fahrlässig gehandelt haben, musste der BGH nicht entscheiden. Mehrere Oberlandesgerichte hatten bereits geurteilt, dass die Hersteller nicht fahrlässig gehandelt haben. Allerdings verlangen die Karlsruher Richter, dass die Unternehmen darlegen und beweisen müssen, dass sie weder vorsätzlich gehandelt noch fahrlässig verkannt haben, dass im Fahrzeug eine illegale Abschalteinrichtung verbaut ist. Käufer müssen vor Gericht also zunächst eine Abschalteinrichtung nachweisen und Hersteller müssen anschließend darlegen, dass sie kein Verschulden trifft.

"Die verantwortlichen Hersteller können verbraucherfreundliche Urteile in diesem Fall nur verhindern, wenn die jeweilige Abschalteinrichtung während des Zulassungsprozesses offengelegt wurde", erklärt Rechtsanwalt Claus Goldenstein, dessen Kanzlei viele Käufer vertritt. "Die heutige Entscheidung erleichtert die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen gegenüber sämtlichen Autoherstellern, die Diesel-Fahrzeuge nachweislich illegal manipuliert haben. Dazu zählen unter anderem Volkswagen, Mercedes-Benz, Audi, Fiat, BMW oder Opel."

Bundesgerichtshof, Urteile vom 26. Juni 2023, Az. VIa ZR 335/21, VIa ZR 533/21 und VIa ZR 1031/22

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Text: / handwerksblatt.de

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