Diesel-Skandal: EuGH stärkt die Rechte der Autokäufer
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat entschieden, dass Käufer eines Schummel-Diesel schon bei Fahrlässigkeit Schadensersatz vom Hersteller verlangen können. Die deutsche Rechtsprechung muss sich umstellen.
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Der Europäische Gerichtshof (EuGH) erleichtert es Käufern von Dieselautos mit Schummel-Software, auf Schadensersatz zu klagen. Die Autobauer könnten auch dann haften, wenn sie ohne Betrugsabsicht nur fahrlässig gehandelt hätten, urteilten die Luxemburger Richter in dem Fall eines Mercedes-Fahrers. Auf die Autoindustrie kommt womöglich eine große Klagewelle zu. Juristen sprechen schon von einem "Waterloo für die Hersteller".
Es ging um eine Schadenersatz-Klage aus Deutschland gegen Mercedes-Benz wegen eines sogenannten Thermofensters. Diese Abschalteinrichtung drosselt bei kühleren Temperaturen die Abgasreinigung. Viele Autohersteller nutzen sie und argumentieren, das sei notwendig, um den Motor zu schützen. Der EuGH hat im Juli 2022 bereits Thermofenster nur in ganz wenigen Ausnahmefällen für zulässig erklärt.
Deutsche Gerichte müssen ihre Haltung ändern
Der deutsche Bundesgerichtshof (BGH) vertritt bislang jedoch die Ansicht, dass Hersteller bewusst und gewollt auf sittenwidrige Weise getäuscht haben müssen, damit die Käufer Schadensersatz fordern können. Diese strengen Kriterien waren bisher nur beim VW-Motor EA189 erfüllt. Vor deutschen Gerichten müssen Kläger beispielsweise nachweisen, dass die Entwicklung der Manipulationssoftware von Führungskräften des Herstellers aus Gewinnstreben angeordnet wurde. Doch entsprechende Informationen sind der Öffentlichkeit im Normalfall nicht zugänglich. Deshalb hat der BGH in der Vergangenheit entschieden, dass Schadensersatzansprüche wegen mit temperaturgesteuerter Abschalteinrichtungen – sogenannte Thermofenster – nicht bestehen.
Dem EuGH genügt nun fahrlässiges Handeln, was sich leichter nachweisen lässt. Über konkrete Klagen von Autokäufern entscheiden aber die nationalen Gerichte. Sie sind dabei allerdings an die Rechtsauslegung des EuGH gebunden. Die Richter in Deutschland müssen diese Vorgaben nun umsetzen und ihre Rechtsprechung ändern. Für den 8. Mai 2023 hat der BGH bereits ein Verfahren angesetzt, bei dem er sich auch zur heutigen EuGH-Entscheidung äußern wird.
Klagewelle droht
"Das aktuelle EuGH-Urteil hat nicht nur Einfluss auf laufende Verfahren, sondern betrifft auch Pkw-Besitzer, die bislang noch gar keine Rechtsansprüche in der Sache geltend gemacht haben", erläutert Rechtsanwalt Claus Goldenstein, dessen gleichnamige Kanzlei Mandanten im Zusammenhang mit dem Abgasskandal vertritt. "Das ist unter anderem deshalb relevant, da die Deutsche Umwelthilfe aktuell juristisch gegen über 100 Typgenehmigungen von Diesel-Fahrzeugen verschiedener Hersteller vorgeht und diesbezüglich zuletzt einen ersten Teilerfolg feierte. Viele der betroffenen Fahrzeughalter haben noch immer die Möglichkeit, Schadensersatzansprüche durchzusetzen und können sich auf das heutige EuGH-Urteil berufen."
Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 21. März 2023, Rechtssache C-100/21
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Text:
Anne Kieserling /
handwerksblatt.de
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