Diesel-Skandal: Kein Schadensersatz für Daimler mit Thermofenster
Anders als im VW-Abgasskandal seien bei sogenannten Thermofenstern von Daimler keine Betrugsabsichten erkennbar, entschied der Bundesgerichtshof und wies vier Klagen in letzter Instanz ab.
Dieser Artikel gehört zum Themen-Special Reizthema Diesel
Eine temperaturabhängige Steuerung des Emissionskontrollsystems – auch Thermofenster genannt – reicht für sich genommen nicht aus, um einen Schadensersatzanspruch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zu begründen. Der Bundesgerichtshof hatte dies bereits am 19. Januar 2021 zum ersten Mal entschieden. Nun wies er erneut vier Kläger ab, die darin eine unzulässige Abschalteinrichtung – wie bei VW – sahen und ihren Kaufpreis zurückverlangten.
Die Fälle
Die vier Mercedes-Benz-Fahrzeuge sind jeweils mit einem Dieselmotor der Baureihe OM 651, Schadstoffklasse Euro 5, ausgestattet; für sie gab es keinen Rückruf vom Kraftfahrt-Bundesamt. Die Abgasreinigung erfolgt über die Abgasrückführung. Das Thermofenster sorgt dafür, dass bei kühlen Temperaturen weniger Abgase zur Verbrennung in den Motor zurückgeführt werden.
Die Kläger sehen darin eine verbotene Abschaltvorrichtung, weil sie exakt auf die Prüfbedingungen abgestimmt ist und so durch Täuschung der Behörden die Betriebserlaubnis erlangt hätten. Sie wollen ihre Kfz zurückgeben und den Kaufpreis erstattet bekommen.
Die Urteile
Der Bundesgerichtshof wies sie ab. Ein Schadensersatzanspruch wegen sittenwidriger Täuschung sei in diesen Fällen nicht begründet. Denn das Verhalten der handelnden Personen bei Daimler sei nicht schon deshalb arglistig, weil sie Kfz mit Thermofenster verkauft hätten. Zwar handele es sich wahrscheinlich um eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne der EU-Verordnung (EG) Nr. 715/2007.
Aber das alleine reiche nicht, um den Einsatz dieser Steuerungssoftware als besonders verwerflich erscheinen zu lassen, erklärte der BGH. Vielmehr müssten die zuständigen Personen bei der Verwendung des Thermofensters vorsätzlich gehandelt haben. Das sei hier aber nicht erwiesen, denn das Thermofenster arbeite auf dem Prüfstand genauso wie im realen Fahrbetrieb. Da weitere Anhaltspunkte fehlten, könne nicht unterstellt werden, dass die Verantwortlichen bei Daimler mit Vorsatz gehandelt hätten.
Der Einsatz eines Thermofensters sei nicht mit dem Fall zum VW-Motor EA189 zu vergleichen (BGH-Urteil vom 25. Mai 2020, Az. VI ZR 252/19). Volkswagen hatte mit Abschalt-Software beim Testlauf vorgespiegelt, dass seine Kfz die Grenzwerte einhalten. Im Straßenbetrieb war der Stickoxidausstoß aber deutlich höher.
Bundesgerichtshof, Urteile vom 16. September 2021, Az. VII ZR 190/20, 286/20, 321/20 und 322/20
Die Musterfeststellungsklage, die der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) im Juli 2021 gegen Daimler eingereicht hat, stützt sich nicht auf das Thermofenster. Der Vorwurf richtet sich gegen andere Abschaltvorrichtungen, teilte der Verband mit.
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Text:
Anne Kieserling /
handwerksblatt.de
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