BGH urteilt: Wann ist ein Dach "komplett erneuert"?
Was nach allgemeinem Sprachgebrauch unter einer "kompletten Dacherneuerung" zu verstehen ist, sollte der Bundesgerichtshof klären. Nur neue Bitumenbahnen genügen dafür jedenfalls nicht, so sein Urteil.
Was versteht man unter einem "komplett neuen Dach"? Darüber kann man streiten. Der allgemeine Sprachgebrauch meint damit jedenfalls nicht nur die Erneuerung der obersten Dachschicht. Das hat der Bundesgerichtshof entschieden.
Der Fall
Der Kaufvertrag für ein 1974 erbautes Haus schloss die Haftung für Sachmängel aus. Im Maklerexposé stand, dass bei dem Haus 2009 "das Dach komplett erneuert" worden sei. Tatsächlich waren aber nur die Bitumenbahnen erneuert worden, wie sich später herausstellte.
Die Hauskäufer reklamierten daher, dass das Dach den Stand von 1974 habe und nicht der Energiesparverordnung (EnEV) entspreche. Sie verlangte von der Verkäuferin deshalb 20.337 Euro Schadensersatz für die Renovierung des Daches. Weil die sich weigerte, ging die Sache vor Gericht.
Beim Oberlandesgericht (OLG) Dresden blieben sie zuerst einmal erfolglos. Die Richter sahen in dem "neuen" Dach keinen Mangel. Der allgemeine Sprachgebrauch ergebe, dass die Passage im Exposé nur die Erneuerung der Bitumenbahnen bedeute und damit korrekt sei. Dagegen legten die Käufer Revision zum BGH ein.
Das Urteil
Der Bundesgerichtshof gab den Käufern Recht. Das OLG habe die Angabe im Exposé falsch ausgelegt. Einen allgemeinen Sprachgebrauch, dass unter "Dach" immer nur die äußere Dachschicht zu verstehen sei, gebe es nicht, erklärten die Bundesrichter.
Sie verwiesen auf den "Dach"-Eintrag im Duden, der ein Dach aber nur allgemein beschreibe und nicht zwischen verschiedenen Dachtypen differenziere. Auch bei Wikipedia werde nur die "Funktion eines Dachs im Allgemeinen beschrieben". Die EnEV gebe nur einen technischen Sprachgebrauch wieder, spreche aber auch eher gegen die Auslegung des OLG.
Was mit einer "kompletten Dacherneuerung" gemeint sei, lasse sich nicht allgemein bestimmen, so der BGH, sondern hänge vom Dachtyp und -aufbau ab. Werde – wie hier – das Jahr der Dacherneuerung angegeben, könnten dafür auch die energetischen Vorschriften bedeutsam sein, die zu beachten waren.
Was kann ein durchschnittlicher Käufer erwarten?
Es komme darauf an, ob ein durchschnittlicher Käufer wegen des Exposés eine komplette Erneuerung des Dachs einschließlich Unterkonstruktion und Dämmung erwarten konnte.
Die Bundesrichter konnten das Exposé nicht selbst auslegen, da unklar war, wie genau das Dach konstruiert ist. Daher verwiesen sie den Fall an das OLG zurück, das dazu noch weitere Feststellungen treffen muss.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 6. Dezember 2024, Az. V ZR 229/23
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Text:
Anne Kieserling /
handwerksblatt.de
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