EuGH: Diesel-Thermofenster sind illegal
Die Software für sogenannte Thermofenster in Dieselfahrzeugen von VW ist eine unzulässige Abschalteinrichtung. Das hat der Europäische Gerichtshof entschieden.
Dieser Artikel gehört zum Themen-Special Reizthema Diesel
Vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) ging es um Thermofenster in Dieselautos von Volkswagen. Die Europarichter stufen Thermofenster nun ausdrücklich als illegal ein. Das kann den Käufern das Recht auf Nachbesserung, Ersatzlieferung oder Vertragsauflösung geben.
Der Fall
Vor dem EuGH ging es um Thermofenster bei einem VW-Fahrzeug mit dem Dieselmotor EA 189. Ihm wurde mit dem Software-Update das Thermofenster aufgespielt. Dieses sorgt dafür, dass die Abgasreinigung bei Außentemperaturen unter 15 und über 33 Grad reduziert wird. Gleiches gilt, wenn das Fahrzeug in Höhenlagen über 1000 Meter unterwegs ist. Folge ist, dass der Stickoxidausstoß steigt und der zulässige EU-Grenzwert überschritten wird.
Das deutsche Kraftfahrt-Bundesamt hatte eine Genehmigung für dieses Update erteilt. Solche Software-Updates wurden auf Millionen Dieselfahrzeuge der Marken VW, Audi, Seat und Skoda installiert. Die Software wird aber auch von fast allen anderen Kfz-Herstellern verwendet.
Das Urteil
Der EuGH beurteilt Thermofenster nun ausdrücklich als illegal. Er weist auch darauf hin, dass Umgebungstemperaturen von weniger als 15 Grad Celsius im Unionsgebiet üblich sind. Hintergrund ist die Definition der "Abschalteinrichtung" in Art. 3 Nr. 10 EG 715/2007, wonach eine solche Einrichtung vorliegt, wenn die Wirksamkeit der Abgasreinigung unter Bedingungen, die bei normalem Fahrbetrieb vernünftigerweise zu erwarten sind, verringert wird.
Ein Thermofenster könnte nur dann ausnahmsweise zulässig sein, wenn es den Motor vor schweren Risiken schützen solle, stellte der EuGH klar. Die Rechtfertigung der Autohersteller, ein Thermofenster sei aus Gründen des Motorschutzes erforderlich, greife aber hier nicht. Die Ausnahme gelte nicht für den Schutz vor Verschleiß und für die bloße Schonung des Motors, so das Urteil. Aber selbst wenn der Motorschutz an sich erfasst würde, ist eine Abschalteinrichtung, die den überwiegenden Teil des Jahres nicht funktioniere, nach Ansicht des Gerichts unzulässig. Andernfalls wäre die Ausnahme öfter anwendbar als das Verbot, was eine unverhältnismäßige Beeinträchtigung des Grundsatzes der Begrenzung der Stickstoffoxidemissionen von Fahrzeugen zur Folge hätte.
Da der EuGH nur über Vorlagefragen entscheidet, müssen nun die nationalen Gerichte die Fälle nach dieser Maßgabe beurteilen. Nicht geklärt haben die Europarichter in diesem Verfahren die Frage, ob Käufer auch Schadensersatz vom Hersteller verlangen können. Hier vertritt der deutsche Bundesgerichtshof (BGH) jedoch die Ansicht, dass Thermofenster jedenfalls keine sittenwidrige Schädigung darstellen und derartige Ansprüche ausscheiden.
Europäischer Gerichtshof, Urteile vom 14. Juli 2022, Rechtssachen C-128/20, C-134/20, und C-145/20
Grundsatz-Urteil für Diesel-Käufer Am 25. Mai 2020 erklärte der Bundesgerichtshof (Az. VI ZR 252/19): Der Besitzer eines VW mit Schummel-Software darf seinen Wagen zurückgeben und erhält einen Teil seines Kaufpreises als Schadensersatz zurück, ebenso wie Verzugszinsen. Denn VW habe ihn sittenwidrig getäuscht. Allerdings darf der Autokonzern für die gefahrenen Kilometer eine Nutzungsentschädigung abziehen. Damit hat der BGH für Klarheit gesorgt. Denn an den höchstrichterlichen Entscheidungen aus Karlsruhe orientieren sich alle unteren Instanzen.
DHB jetzt auch digital!Einfach hier klicken und für das digitale DHB registrieren!
Text:
Anne Kieserling /
handwerksblatt.de
Kommentar schreiben