Handwerk steht hinter den Sanktionen gegen Russland
Die Auswirkungen der Russland-Sanktionen sind in den Betrieben zu spüren – Kammern und Verbände hoffen nun auf Steuererleichterungen.
Mehrere Wochen nach dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine sorgt der Krieg in Europa weiter für Entsetzen.
Große Einigkeit unter Wirtschaftsvertretern
Auch das rheinland-pfälzische Handwerk spürt inzwischen die wirtschaftlichen Auswirkungen des Konflikts, wie Vertreter der Handwerkskammern und der Landesverbände bestätigen. Dennoch gebe es unter den Wirtschaftsvertretern im Land eine große Einigkeit, wie Anja Obermann, Hauptgeschäftsführerin der Handwerkskammer Rheinhessen und Geschäftsführerin der Arbeitsgemeinschaft der Handwerkskammern Rheinland-Pfalz, nach einem Krisengespräch mit dem Wirtschaftsministerium Anfang März berichtete: Die Wirtschaft stehe im großen Maß hinter den Sanktionen gegen Russland.
"Bevor wir über die wirtschaftlichen Folgen sprechen, darf und muss ich an erster Stelle meine Betroffenheit und mein Mitgefühl mit der Bevölkerung in diesem Krieg zum Ausdruck bringen", sagt auch Thomas Weiler, Hauptgeschäftsführer der Bauwirtschaft Rheinland-Pfalz. Aber, so Weiler, neben der erschütternden humanitären Katastrophe gebe es auch wirtschaftlich nichts zu beschönigen.
Handwerk steht vergleichsweise gut da
Betrachte man die Konjunktur der Gesamtwirtschaft, stehe das Handwerk noch vergleichsweise gut da, erklärt Ralf Hellrich, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Koblenz. Aber Steigerungen bei den Kraftstoffpreisen oder beim Materialeinkauf und die starke Inflation seien Probleme, die alle belasten. "Betroffen sind die energieintensiven Gewerke und ich nenne Betriebe mit entsprechender Maschinentechnik wie Steinmetz- oder Tischlerbetriebe, Bäckereien. Und natürlich die Unternehmen mit Fuhrparkflotte", so Hellrich. Gerade im ländlichen Raum spiele Mobilität eine große Rolle.
"Schon jetzt erkennbar sind etwa Preiserhöhungen bei Bitumen und Stahl. Bauunternehmen verzeichnen weniger Angebote bei Stahlmatten, Träger, Stabstahl und Blechen. Auch Rohre und Aluminiumprodukte sind betroffen. Zu erwarten sind in den nächsten Wochen auch Auswirkungen auf den zuletzt ohnehin angespannten Holzmarkt", ergänzt Obermann. Die massiven Anstiege der Diesel- und Benzinkosten wirkten sich natürlich nicht nur auf die privaten Haushalte aus, sagt Thomas Weiler. "Unsere Mitglieder erhalten täglich Ankündigungen von Lieferanten oder Herstellern. Dort wird schlicht und einfach angekündigt, dass die Preise wöchentlich an den Dieseldurchschnittspreis angepasst werden. Die Unternehmen sollen und müssen dann sehen, wie sie und ihre Kunden damit zurechtkommen."
Zitat "Die Einschränkungen für die Betriebe werden für viele Gewerke massiv und in ihrer Komplexität noch gar nicht absehbar sein." Dirk Fischer, Präsident der Handwerkskammer der Pfalz
Bäcker und Konditoren dreifach betroffen
Besonders schwer betroffen von den wirtschaftlichen Auswirkungen sind Bäcker und Konditoren, wie Stefan Körber, Hauptgeschäftsführer des Bäckerinnungsverbands Südwest, bestätigt. Man denke natürlich zuerst an die Lieferfahrzeuge und an die Preissteigerungen, die jeder von der Tankstelle kennt. "Noch schlimmer als die Spritpreise ist aber die Entwicklung der Energiekosten für die Backstuben", so Körber.
Denn das Bäckerhandwerk ist von der Kühlung bis zu den Öfen sehr energieintensiv. So lange Lieferverträge nicht neu verhandelt werden müssen, bleibe das Problem überschaubar. Ein Einzelfall aus den vergangenen Wochen illustriere aber, was der Branche bevorstehe: In seinem auslaufenden Vertrag habe der betroffene Bäcker 9 Cent für die Kilowattstunde gezahlt. Inzwischen könne er kein Angebot unter 49 Cent mehr finden. Die Energiekosten machten grob sechs Prozent am Preis einer Backware aus, erläutert Körber. "Wenn sich die Energiepreise verfünffachen, hat das Auswirkungen."
Folgen werden auch die wegfallenden Getreideexporte aus der Ukraine und aus Russland haben. Zwar gebe es in Europa genügend Getreide, um die Bevölkerung zu versorgen – die Ukraine habe in erster Linie die Türkei und Südostasien beliefert – aber der Anstieg des Weltmarktpreises wirke sich auch auf den europäischen Markt aus.
Körber rechnet damit, dass Mehl um zirka 25 Prozent teurer wird. Wann sich diese Preissteigerungen in den Backstuben und beim Kunden bemerkbar machen, hänge von den Laufzeiten der Lieferverträge zwischen Landwirten, Mühlen und Bäckereien ab. "Die Situation ist diffus", so Körber.
Weitere Entwicklung kaum absehbar
Mit einer Einschätzung der weiteren Entwicklung tut man sich auch in den Handwerkskammern schwer. Hoffnung auf eine baldige Entspannung gibt es aber kaum. "Die Einschränkungen für die Betriebe werden für viele Gewerke massiv und in ihrer Komplexität noch gar nicht absehbar sein", sagt Dirk Fischer, Präsident der Handwerkskammer der Pfalz. "Je länger der Konflikt andauern wird, desto stärker werden Lieferkettenunterbrechungen, Material- und Energieengpässe den gesamten europäischen Binnenmarkt und somit auch das Handwerk in Deutschland treffen."
Axel Bettendorf, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Trier, stuft die Situation ähnlich ein: "In absehbarer Zeit werden die Verhältnisse nicht mehr so sein, wie vor dem Krieg in der Ukraine. So werden wir uns wohl oder übel an Spritpreise von mehr als zwei Euro gewöhnen müssen." Selbst wenn sich die politische Lage entspanne, werde der Kostenschub bleiben, glaubt Bettendorf. "Daher ist zu befürchten, dass auch das Handwerk seine Preise dauerhaft deutlich anheben muss." Auch bei der Bauwirtschaft glaubt man nicht an eine schnelle Entlastung. "Das Handwerk kann nur bestehen, wenn Aufträge abgeschlossen und zumindest kostendeckend abgearbeitet werden können. Bleibt es bei der aktuellen Entwicklung, können Kurzarbeit und Entlassungen nicht ausgeschlossen werden", zeichnet Thomas Weiler ein düsteres Bild.
Transparenz gegenüber dem Kunden
Den Betrieben raten die Handwerkskammern, bei der Angebotserstellung auf Festpreise für Material zu verzichten und wenn möglich einen Energiekostenzuschlag zu vereinbaren. Die Rechtsabteilung der Handwerkskammer Koblenz bereite bereits entsprechende Vertragsformulierungen für die Mitgliedsbetriebe vor, berichtet Ralf Hellrich. Bedeutend sei, Transparenz für den Kunden zu schaffen und Preisgleitklauseln einzuführen.
Diese Meinung teilt auch Axel Bettendorf: Es sei "nur fair, wenn sich der Handwerker und sein Kunde das Risiko von Preisveränderungen" teilten. "Trotz der relativ hohen Inflationsrate sollten genügend liquide Mittel vorhanden sein, damit unerwartete Auftragsausfälle kompensiert werden können", rät Dirk Fischer und ergänzt. "Der Krieg macht außerdem sehr deutlich, wie wichtig auch eine gute betriebliche IT-Sicherheit ist."
Ausbau alternativer Energieträger muss deutlich beschleunigt werden
Von der Politik erwarte das Handwerk, "dass sie sich für eine sichere Energieversorgung zu tragfähigen Preisen" einsetze, so Bettendorf. "Der Ausbau alternativer Energieträger muss jetzt deutlich beschleunigt werden. Deutschland muss autark werden, seine Abhängigkeit von Gas-, Öl- und Kohleimporten aus Diktaturen beenden." Ein Weg zu stabilen Energie- und Kraftstoffpreisen könnten Steuersenkungen sein, sind sich Dirk Fischer und Ralf Hellrich einig.
"Ich nenne nur die Besteuerung von Kraftstoffen und es ist nun mal Fakt: Aktuell sprudeln auch die Steuern bei jeder Tankfüllung mehr als je zuvor in die Staatskasse. Hier erwarte ich eine zeitweilige Senkung der Besteuerung von Energien für Betriebe und deren Mitarbeiter", so Ralf Hellrich. Stefan Körber unterstreicht, dass man sich im Handwerk durchaus bewusst sei, wie sehr die Krise auch die Mitarbeiter und deren Lebenshaltungskosten betreffe. Für den Bäckerinnungsverbands Südwest fordert er daher eine Anhebung der Kilometerpauschale auf möglichst 38 Cent.
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Text:
Anna Rehfeldt /
handwerksblatt.de
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