Neubauförderung: Für das Baugewerbe eine "bittere Enttäuschung"
Ab 1. März können Förderanträge für energieeffiziente Neubauten gestellt werden. 1,1 Milliarden Euro stellt die Bundesregierung für die Neubauförderung 2023 zur Verfügung. Das Baugewerbe reagierte enttäuscht.
Die Auftragseingänge beim Wohnungsbau sind im letzten halben Jahr stark eingebrochen. In Ballungsräumen wird das Angebot an Wohnraum immer knapper. Die Baupreise sind aber stark gestiegen, die Zinsen haben sich verdreifacht. Das Baugewerbe hatte auf ein neues Förderprogramm zur Neubauförderung gesetzt, das Bundesbauministerin Klara Geywitz nun vorgestellt hat. 1,1 Milliarden Euro stehen laut der Ministerin im Fördertopf bereit.
Davon sollen 750 Millionen Euro auf das Förderprogramm Klimafreundlicher Neubau und weitere 350 Millionen Euro auf die Wohneigentumsförderung für Familien entfallen. Die Neubauförderung setzt den EH40-Standard plus das Qualitätssiegel Nachhaltiges Gebäude (QNG) für eine größere Unterstützung voraus.
Bauherren können nach den Plänen der Bundesregierung für besonders nachhaltige Wohngebäude mit dem Siegel QNG eine Fördersumme von maximal 150.000 Euro pro Einheit erhalten. Klimafreundliche Wohngebäude ohne Nachhaltigkeits-Qualitätssiegel sollen mit bis zu 100.000 Euro pro Wohneinheit gefördert, berichtet tagesschau.de zu den Plänen.
"Ein Tropfen auf dem heißen Stein"
Der Zentralverband Deutsches Baugewerbe (ZDB) reagierte sehr enttäuscht, die Anforderungen seien zu hoch. ZDB-Hauptgeschäftsführer Felix Pakleppa bezeichnete das Fördervolumen als einen "Tropfen auf den heißen Stein". Wohnungssuchende, Bauherren und Investoren würden in der derzeitigen extremen Kostenbelastung aus immensen Bauzinsen und hohen Materialpreisen allein gelassen, während die Auftragseingänge im Wohnungsbau immer weniger würden, kritisiert Pakleppa.
"Auch für Mieterinnen und Mieter ist dies eine sehr schlechte Nachricht, da die Wohnungsmärkte angespannt bleiben werden", so Pakleppa weiter. Mit der Bindung der Förderung an den EH40-Standard plus Zertifizierung würden potentielle Bauherren zusätzlich doppelt belastet. "Zum einen mit den Kosten zur Erreichung des höheren Standards - immerhin auch rund 25.000 Euro bei einem Einfamilienhaus -, zum anderen durch die Kosten für die Zertifizierung."
Mit dieser Förderpolitik könne keines der Wohnungsbauziele erreicht werden, sagt der Verbandschef. "Digitalisierung und Vorfertigung können zwar die Produktivität, nicht aber die Zahl der Aufträge erhöhen. Der vorhandene Wohnraummangel in deutschen Großstädten wird so größer werden."
"Wohnen könnte zu einer Armutsfalle werden"
Auch die Bauindustrie übt scharfe Kritik an der Neubauförderung. Für Tim-Oliver Müller, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie, habe die Bundesregierung "jegliche Hoffnung auf eine Trendwende platzen lassen und die Talfahrt am Wohnungsmarkt weiter zementiert".
Der Verbandschef warnt davor, dass Wohnen in Deutschland zu einer Armutsfalle werde. "Es fehlen schlicht und ergreifend ausreichend Bauaufträge, um bezahlbaren Wohnraum für die Mitte der Gesellschaft, für dringend benötigte Fachkräfte und Flüchtlinge, die bei uns Schutz vor dem Krieg suchen, zu schaffen", so Müller.
Mangelnde Aufträge würden auch den Betrieben immer mehr zu schaffen machen, ergänzt Müller. "Ein Auftragseinbruch von 30 Prozent geht nicht spurlos am Bau vorbei. Eine ausreichende und verlässliche Förderkulisse wäre deshalb in erster Linie notwendig, um den Spalt zwischen Mieten, die aufgrund aktueller Bau- und Materialkosten gezahlt werden müssten und Mieten, die politisch und sozial erwünscht sind, zu schließen. Sie wäre aber auch eine wirtschaftspolitische Maßnahme, um den meist mittelständischen Bauunternehmen nicht die Luft zum Atmen zu nehmen."
Zum Programm:
- Gefördert wird der Neubau sowie der Ersterwerb neu errichteter klimafreundlicher und energieeffizienter Wohn- und Nichtwohngebäude, die spezifische Grenzwerte für die Treibhausgas-Emissionen im Lebenszyklus unterschreiten und den energetischen Standard eines Effizienzhauses 40 / Effizienzgebäudes 40 für Neubauten vorweisen.
- Eine größere Unterstützung gibt es für Gebäude, die zusätzlich das Qualitätssiegel Nachhaltiges Gebäude (QNG) erreichen.
- Die Förderung erfolgt über zinsverbilligte Kredite zur Errichtung von klimafreundlichen Wohn- und Nichtwohngebäuden.
- Förderanträge können Investoren, Genossenschaften, Unternehmen und Privatpersonen können über ihre Förderbanken stellen.
- Kommunen und Landkreise erhalten Investitionszuschüsse beispielsweise für den Bau von Wohnungen, Kindertagesstätten oder Schulen.
Quelle: Bundesbauministerium
Förderanträge können demnächst bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) gestellt werden. Bis dahin sei sichergestellt, so das Ministerium, dass das Neubauförderprogramm "Effizienzhaus / Effizienzgebäude 40 Nachhaltigkeitsklasse" weiterläuft.
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Text:
Kirsten Freund /
handwerksblatt.de
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