Deutschland braucht Handwerker, um seine Ziele in punkto Klimaschutz und Nachhaltigkeit zu erreichen. Damit sich mehr junge Menschen für eine duale Berufsausbildung entscheiden, müssen aber auch die Rahmenbedingungen stimmen. Anlässlich der Vorstellung des aktuellen Berufsbildungsberichts forderte ZDH-Präsident Jörg Dittrich (im Bild) eine Bildungswende, die echte Gleichwertigkeit von beruflicher und universitärer Bildung schafft. (Foto: © ZDH/Sascha Schneider)

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ZDH-Präsident sieht "Zeit für eine Bildungswende" gekommen

Trotz einer entspannteren Lage auf dem Ausbildungsmarkt besteht Anlass zu großer Sorge: Rund 2,9 Millionen Menschen unter 35 Jahren haben keinen Berufsabschluss. Ein 'No-Go' für BIBB-Präsident Esser.

Im Frühjahr ziehen die Akteure der beruflichen Bildung traditionell Bilanz, wie sich der Ausbildungsmarkt entwickelt hat. Die Grundlage dafür liefern der Berufsbildungsbericht des Bundeskabinetts und der ergänzende Datenreport des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB). Einige ausgewählte Zahlen, die das Ausbildungsjahrs 2023 skizzieren:  

Das Angebot an Ausbildungsstellen stieg um 18.600 auf 562.600. Dies entspricht einem Plus von 3,4 Prozent. Auch die Nachfrage der Jugendlichen nach einer dualen Berufsausbildung legte zu. Sie kletterte um 17.300 auf 552.900 – ein Plus von 3,2 Prozent. Laut dem BIBB hat damit das Angebot zum zweiten Mal in Folge die Nachfrage der Jugendlichen übertroffen.    

Die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge im dualen System erhöhte sich um 3 Prozent auf 489.200. Im Vergleich zum Vorjahr stieg die Zahl unbesetzter Lehrstellen um 6,6 Prozent auf 73.400. Für die Zahl der unversorgt gebliebenen Bewerber ergab sich ein Anstieg um 16,3 Prozent auf 26.400 Personen.

Der Anteil junger Erwachsener im Alter von 20 bis 34 Jahren ohne Berufsabschluss ist erneut gestiegen. Waren im Jahr 2021 rund 2,64 Millionen Personen (17,8 Prozent) betroffen, so stieg diese Zahl im Jahr 2022 auf 2,86 Millionen an (19,1 Prozent).

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Mehr Fachkräfte für Wachstum

Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) gewinnt dem Berufsbildungsbericht sowohl Positives als auch Herausforderndes ab. Auf der Haben-Seite steht für sie etwa die zum dritten Mal in Folge angestiegene Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge sowie der Anteil der übernommenen Auszubildenden, der wieder auf einem hohen Niveau von 77 Prozent liege.

Auf der Soll-Seite verbucht Stark-Watzinger, dass zuletzt mehr junge Menschen bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz erfolglos geblieben sind. Um dies zu ändern, soll die berufliche Orientierung als Teil der Exzellenzinitiative Berufliche Bildung gestärkt werden. Sorge bereitet ihr die weiter gestiegene Zahl junger Erwachsener ohne Berufsabschluss. Von der gesetzlichen Verankerung des Feststellungsverfahrens im Berufsbildungsvalidierungs- und -digitalisierungsgesetz verspricht sie sich, dass diese Zielgruppe wieder Anschluss an das Bildungssystem erhält.

"Unser Ziel ist weiterhin: Wir wollen mehr junge Menschen in Ausbildung bringen. Denn mehr Chancen und neue Wege für junge Menschen heißt auch mehr Fachkräfte für Wachstum und Wohlstand in unserem Land", so Stark-Watzinger.

No-Go für Bildungsstandort

BIBB-Präsident Friedrich Hubert Esser Foto: © BIBBBIBB-Präsident Friedrich Hubert Esser Foto: © BIBB

"Die Lage auf dem Ausbildungsmarkt hat sich leicht entspannt", erklärte BIBB-Präsident Friedrich Hubert Esser anlässlich der Veröffentlichungen des Berufsbildungsberichts und des ergänzenden Datenreports. Mit Blick auf die zukünftige Fachkräftesicherung sei positiv hervorzuheben, dass 2023 die Zahl der angebotenen betrieblichen Ausbildungsplätze erneut und erstmals seit Jahren auch wieder die Nachfrage der Jugendlichen nach dualer Ausbildung gestiegen sei.

Von Entwarnung könne aber keine Rede sein, so Esser weiter. "Wir müssen weiterhin mehr junge Menschen für eine attraktive duale Berufsausbildung gewinnen." Auch die Potenziale der Zuwanderung gelte es besser zu nutzen.

Größte Sorge bereitet dem BIBB-Präsidenten, dass die Zahl junger Menschen unter 35 Jahren ohne Berufsabschluss auf rund 2,9 Millionen gestiegen ist. Mittlerweile sei fast jeder fünfte in dieser Altersgruppe davon betroffen. "Das können wir uns nicht leisten, das ist ein 'No-Go' für den Bildungs- und Wirtschaftsstandort Deutschland. Hier sind zielführende Maßnahmen gefragt." Die Rekrutierung und Sicherung von Fachkräften bleiben zentrale Aufgaben für die ganze Gesellschaft.

Berufsbildungsbericht 2024 Der aktuelle Berufsbildungsbericht des Bundeskabinetts und eine vorläufige Fassung des Datenreports des Bundesinstituts für Berufsbildung können kostenlos im PDF-Format aus dem Internetauftritt des BMBF und des BIBB heruntergeladen werden. Die Printversion des Datenreports wird laut dem BIBB voraussichtlich im August zur Verfügung stehen.

Zeit für Bildungswende

Um ausreichend handwerkliche Fachkräfte für die Transformationsprozesse zu sichern, müssen die bildungspolitischen Entscheidungen nach Einschätzung von Jörg Dittrich der großen Bedeutung und notwendigen Wertschätzung der beruflichen Bildung Rechnung tragen. "Es ist Zeit für eine Bildungswende, die echte Gleichwertigkeit der beruflichen und universitären Bildung schafft", so der Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH).

Um mehr junge Menschen für eine Ausbildung zu gewinnen, müsse die Berufsorientierung bundesweit in sämtlichen allgemeinbildenden Schulen – vor allem auch an den Gymnasien – ausgebaut, das Azubi- und Jugendwohnen gefördert und ein kostenreduziertes deutschlandweit gültiges Azubi-Ticket angeboten werden.

Dittrich: "Politik, Gesellschaft und Handwerk müssen jungen Menschen verständlich machen, dass ein Ausbildungsberuf eine Bildungskarriere mit Sinn, Sicherheit und Zukunft verspricht. Die Auszubildenden heute sind die Fachkräfte von Morgen: Sie sind unverzichtbar für die anstehende Transformation der Wirtschaft." 

Quelle: Bundesministerium für Bildung und Forschung / Bundesinstitut für Berufsbildung / Zentralverband des Deutschen Handwerks

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Text: / handwerksblatt.de

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