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HWK Trier | November 2024
Ruhe und Geduld sind seine Geheimwaffen
Der Lehrling des Monats der Handwerkskammer Trier heißt Jonas Bastgen. Er ist der einzige Büchsenmacherlehrling in der Region Trier.
Interview mit Hans-Jörg Friese über die bürokratischen Hürden im Friseurhandwerk nach den Lockerungen in der Corona-Pandemie. (Foto: © Handwerkskammer Rheinhessen)
Vorlesen:
Als Friseurmeister gehört Hans-Jörg Friese, Präsident der Handwerkskammer Rheinhessen, zu den stark Corona-betroffenen Betriebsinhabern. Er erlebte auch in Zeiten einer Pandemie, wie wichtig Ämtern Bürokratie ist.
Hans-Jörg Friese ist seit 2014 Präsident der Handwerkskammer Rheinhessen. Der 53-Jährige legte 1991 erfolgreich die Meisterprüfung im Friseurhandwerk ab und führt in seiner Heimatstadt Alzey zwei Friseurbetriebe. Nach dem Lockdown zeigte sich, dass die für einen Friseurbetrieb zuständigen Stellen nicht zusammenarbeiten.
DHB: Herr Friese, was verbinden Sie mit dem 4. Mai 2020?
Friese: An diesem Tag durften die ersten Geschäfte wieder öffnen– und für mich als Inhaber von mehreren Friseurbetrieben einer der glücklichsten Tage. Meine neun Mitarbeiter und ich hätten uns abends am liebsten in die Arme genommen, wenn wir gedurft hätten. Wir waren mindestens genauso glücklich wie unsere frisch frisierten Kunden. Wir konnten wieder arbeiten – und wir haben einen systemrelevanten Beruf!
DHB: Trotzdem bleiben Sie auf einem Schaden sitzen…
Friese: …der sich für meine Betriebe auf fast 50.000 Euro beläuft. Meinen Kolleginnen und Kollegen geht es nicht anders. Wir hatten mit drei Monaten Schließung kalkuliert, jetzt waren es "nur" sechs Wochen und wir können nur versuchen, den Ausfall aufzuholen.
DHB: Das wird aber kaum gelingen.
Friese: Das liegt halt in der Natur der Sache, Haare können Sie nur einmal schneiden. Immerhin haben die Soforthilfen gut gewirkt und für mein Land Rheinland-Pfalz kann ich nur sagen, dass sie das sehr klug gelöst haben. Sicherlich, das Formular hat sich in der Zeit neun Mal geändert, ich selber habe später auch noch einen Korrekturantrag gestellt. Aber das Geld kam schnell, obwohl die dafür zuständige Investitions- und Strukturbank Rheinland-Pfalz (ISB) 61.000 Anträge einzeln händisch prüfen musste.
DHB: Trotzdem fehlt Ihnen noch die letzte Rechtssicherheit, wie Sie mit den Soforthilfen umgehen können.
Friese: Richtig! Ich kann jedem nur raten, weiterhin sparsam zu sein und, wenn möglich, die Gelder nicht anzurühren. Erstens müssen sie die Soforthilfen irgendwann versteuern – und wir reden von einem durchschnittlichen Steuersatz von 30 Prozent. Zweitens ist gar nicht klar, ob ein Betrieb tatsächlich soforthilfeberechtigt war, eine Restunsicherheit bleibt.
DHB: Dafür haben Sie jetzt einen Betrieb, der in Sachen Hygiene State-of-the-Art ist.
Friese: Das haben wir, aber zugleich ist das auch ein Lehrstück in Sachen Bürokratie. Für Friseursalons sind vier Stellen zuständig: Das Ordnungsamt, das Gesundheitsamt, die Berufsgenossenschaft und die Struktur- und Genehmigungsdirektion. Ich habe mich frühzeitig informiert und mich penibel an die Vorgaben der Berufsgenossenschaft gehalten.
DHB: Und das war falsch?
Friese: Ja, weil es keine konzertierte, koordinierte Aktion aller vier Stellen gab. Das stellte sich bei Kontrolle durch das Gesundheitsamt heraus. Der Leiter des zuständigen Gesundheitsamts kam mit einem Assistenten vorbei und postierte zusätzlich noch einen Ordnungshüter in voller Montur samt Pfefferspray, der keinen hereinließ.
DHB: Und die Überprüfung Ihrer Räume?
Friese: Der Leiter des Gesundheitsamts brüllte laut vor allen Mitarbeitern und Kunden herum und machte sehr deutlich, dass ihn die Vorgaben der BG nicht interessierten – ich müsste seine Regeln einhalten. Meine Friseurarbeitsplätze liegen vier Meter auseinander, er wollte aber Markierungslinien von 1,50 Metern Abstand auf dem Boden sehen. Er monierte fehlende Datenblätter bei den Desinfektionsmitteln, eine fehlende Absperrung nicht benutzter Sessel und andere Dinge mehr. Es war eindeutig: Obwohl wir alle Hygienevorgaben eingehalten hatten, ging es ihm nur um die Bürokratie und drohte, den Laden zu schließen.
DHB: Sie durften aber weitermachen.
Friese: Ja, weil wir die Vorgaben binnen weniger Minuten umsetzen konnten. Dafür gab es am nächsten Tag bei der Nachkontrolle Lob. Aber ich bekam von ihm auch eine "Hausaufgabe": Ich sollte alle Kollegen über seine Vorgaben informieren. Obendrein kam am dritten Tag später noch der Assistent vorbei – zu einem Haarschneidetermin. Auch das ein Test, denn er verlangte von der Mitarbeiterin, dass sie ihm die Augenbrauen kürzen sollte, was zu dem Zeitpunkt verboten war.
DHB: Nachkontrolle, einen Testtermin und eine Aufgabe, die eigentlich Aufgabe des Amtes gewesen wäre – das klingt nicht nach Behördenhilfe in kritischen Zeiten.
Friese: Uns hat es viel Zeit gekostet, die Adressen unserer über 600 Kollegen herauszusuchen und anzumailen. Seine Drohung, dass ab nächster Woche hart geprüft und durchgegriffen würde, fand übrigens nicht statt – kein einziger Friseursalon bekam einen Kontrollbesuch. Hauptsache, die Bürokratie passte.
DHB: Es ist nicht das erste Mal, dass die Bemühungen des Handwerks, Bürokratie abzubauen, ein Kampf gegen Windmühlen sind.
Friese: Ja, denn auch unabhängig von Corona haben wir immer mehr statt weniger Bürokratie. Viele Themen hat die Pandemie verdrängt, aber nehmen Sie doch nur die Bonpflicht, die es seit Jahresanfang gibt. Einen Bon will keiner mehr, die Pflicht bleibt. Nehmen sie die elektronischen Kassensysteme oder nur die zahlreichen Dokumentationspflichten, die gerade kleinere Betriebe überproportional belasten. Der Datenschutz, komplizierte Ausschreibungen und umfangreiche Fördermittelformulare sind nur ein paar weitere Stichworte.
DHB: Dabei hatte Wirtschaftsminister Peter Altmeier erst letztes Jahr ein Bürokratieentlastungsgesetz versprochen, was eine Milliarde Euro einsparen soll auf Unternehmensseite.
Friese: Schön wäre es. Wir reden hier über Milliardenkosten, die die Bürokratie der Wirtschaft abverlangt. Es bleibt nur zu hoffen, dass der Forderungskatalog zum Bürokratieabbau des Handwerks in der Corona-Krise nicht untergeht. Denn im März haben wir vom Handwerk über 50 Ideen zum Abbau der Bürokratie vorgelegt – und gerade jetzt könnte weniger Formalismus den Betrieben ebenfalls helfen.
Das Interview führte Stefan Buhren.
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