Fachkräfte-Einwanderung: Gut gemacht oder nur gut gemeint?
Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz ist ein zahnloser Papiertiger, findet das Bauhandwerk NRW. Und die Behörden arbeiten viel zu langsam.
"Der Fall von Herrn Schlösser ist leider ein typischer Fall, der zeigt, wie es nicht laufen soll", bedauert Jan Dannenbring, Leiter der Abteilung Arbeitsmarkt, Tarifpolitik und Arbeitsrecht beim Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH). "Die Visastellen der deutschen Vertretungen auf dem Balkan sind hoffnungslos überfordert", legt er den Finger in die Wunde. Trotzdem ist er für die Zukunft verhalten optimistisch, immerhin wurde die Handwerksorganisation beim Gesetzgebungsverfahren angehört. "Der gute Wille ist da, aber die Umsetzung ist mit den vorhandenen Mitteln nicht zu stemmen und muss verbessert werden", sieht Dannenbring die große Herausforderung.
Die Bundesregierung geht davon aus, dass mit Hilfe des neuen Gesetzes mindestens 25.000 neue Fachkräfte pro Jahr nach Deutschland kommen werden. Das hält Heinz G. Rittmann, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Bauverbände NRW und Niederlassungsleiter in Düsseldorf, für eine Illusion. "Das Gesetz ist ein Papiertiger, mit dem für die Praxis keine handfesten Ergebnisse kreiert werden. Die Hürden für die Einwanderung der Fachkräfte sind einfach zu hoch."
Wie es nicht laufen soll, zeigt > ein Fallbespiel aus dem Handwerk
Der Vertreter der Bauwirtschaft verspricht sich von dem Gesetz keine kurzfristigen Lösungen. "Es scheint mir am grünen Tisch entworfen worden, ohne dass man betroffene Unternehmen gefragt hat", kritisiert Rittmann. "Wir versuchen, auf Politiker positiven Einfluss zu nehmen. Aber unser Eindruck ist, dass die vor der AfD Manschetten haben."
Hürden sind zu hoch
Foto: © mariok/123RF.comRittmann und Dannenbring sehen die größten Hürden für ausländische Fachkräfte in der anspruchsvollen Sprachprüfung und der sehr schleppenden Erteilung von Visa durch die deutschen Botschaften. Eine echte Willkommenskultur hat sich in den deutschen Amtsstuben noch nicht entwickelt.
"Das große Problem ist, dass so viele Akteure beteiligt sind, die ihre Prozesse aufeinander abstimmen müssen: Die Auslandsvertretungen vor Ort, die Ausländerbehörden in Deutschland, die Anerkennungsstellen und die Bundesagentur für Arbeit. Das macht die Sache kompliziert", erklärt Dannenbring. Demnächst wird immerhin das Auswärtige Amt eine zentrale Behörde in Brandenburg einrichten, in der die Visaverfahren zentralisiert vorbereitet und somit beschleunigt werden sollen.
Handwerk schmiedet an eigener Lösung
Die Verbände gehen zudem eigene Wege, unabhängig vom neuen Gesetz: Der ZDH hat im Februar ein Pilotprojekt mit Bosnien-Herzegowina angestoßen, mit dem Fachkräfte aus den Gewerken Metallbau, SHK und Elektro nach Deutschland kommen sollen. "Es ist ein großes Glück, dass wir bei diesem Pilotprojekt mit Bosnien-Herzegowina kooperieren können", betont Dannenbring, "denn die Zahl der Länder, die im Bereich der Zuwanderung mit Deutschland zusammenarbeiten, ist insgesamt rückläufig." Das Problem ist bekannt: Viele Staaten haben mittlerweile dichtgemacht, sie wollen keine ausgebildeten Leute mehr an Deutschland verlieren.
Auch das Bauhandwerk hat seine eigene Initiative gegen den Fachkräftemangel: "Wir versuchen, die Azubis anzusprechen, auch aus den weiter entfernten Ländern", erklärt Rittmann." Wir machen gerade einen Testlauf mit Azubis aus Äthiopien und Jordanien. Für unser Projekt genügt das Sprachniveau A2." Damit entschärfen sie eine wesentliche Hürde für die Einwanderung.
Westbalkanregelung muss verlängert werden
Denn auf die Baubranche kommt noch ein anderes Problem zu: Die sogenannte Westbalkanregelung läuft Ende des Jahres aus (siehe Infokasten). "50.000 Mitarbeiter aus Westbalkanländern sind im Moment bei uns. Die müssten Ende des Jahres zurück in ihre Heimatländer, wenn die Regelung nicht verlängert wird", so Rittmann. Der ZDH bemüht sich derzeit um eine Fortführung der Westbalkanregelung, denn das Bauhandwerk braucht auch weniger qualifizierte Helfer. Die sind mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz aber nicht zu bekommen. Eine zusätzliche Sorge der Bauwirtschaft ist, dass laut einer Studie der Soka-Bau in den nächsten zehn Jahren 150.000 Mitarbeiter in Rente gehen werden.
Zusammenfassend kann man sagen: Die Fachkräftesicherung wird auch in den kommenden Jahren das beherrschende Thema für Bauwirtschaft und Handwerk sein.
Westbalkanregelung
Die sogenannte Westbalkanregelung bietet seit 2016 vor allem für die Baubranche eine Grundlage, Arbeitnehmer aus Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Mazedonien, Montenegro und Serbien in Deutschland zu beschäftigen. Derzeit arbeiten in der Bauwirtschaft bundesweit etwa 50.000 Beschäftigte auf dieser Grundlage, davon 60 Prozent Helfer und 40 Prozent Fachkräfte. Die Regelung gilt bisher nur befristet bis zum 31. Dezember 2020. Gespräche über eine Verlängerung laufen aber. Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz tritt am 1. März 2020 in Kraft.
Wesentliche Neuerungen sind:
- ein einheitlicher Fachkräftebegriff, der Hochschulabsolventen und Beschäftigte mit qualifizierter Berufsausbildung umfasst,
- der Verzicht auf eine Vorrangprüfung bei anerkannter Qualifikation und Arbeitsvertrag,
- keine Begrenzung auf Mangelberufe mehr,
- Fachkräfte mit qualifizierter Berufsausbildung können für eine befristete Zeit zur Arbeitsplatzsuche nach Deutschland einreisen (Voraussetzung: deutsche Sprachkenntnisse und gesicherter Lebensunterhalt),
- wer einen ausländischen Abschluss hat, bekommt bessere Möglichkeiten, für Qualifizierungsmaßnahmen nach Deutschland zu kommen; Ziel muss die Anerkennung von beruflichen Qualifikationen sein,
- Verfahren werden einfacher durch eine Bündelung der Zuständigkeiten bei zentralen Ausländerbehörden und beschleunigte Vorgänge.
Alle Informationen zum Gesetz unter make-it-in-germany.com/deEine zentrale Anlaufstelle soll die Fachkräftegewinnung qualifizierter Menschen aus dem Ausland in Nordrhein-Westfalen vereinfachen und beschleunigen. Das hat das Landeskabinett beschlossen. Lesen Sie hier mehr!
Text:
Anne Kieserling /
handwerksblatt.de
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