Mit dem E-Bike auf den Spuren der Tour de France
1910 gewann Octave Lapize die erstmals ausgerichtete Tourmalet-Pass-Etappe der Tour de France. Seither krönt sein Denkmal den Straßenpass. Autor Rainer Schmidt hat den Pass mit einem E-Bike erklommen!
Irgendwann hat mein jüngster Sohn den Namen mal fallen lassen: Tourmalet, der heilige Berg der Tour de France: 2115 Meter hoch, Bergfahrt 16,7 Kilometer, durchschnittliche Steigung 7,5 %, was natürlich nicht ausschließt, dass es auch mal 10 % Steigung sind.
Ich und das E-Bike
Nun bin ich da. In einer Kleingruppe. Mit E-Bike. Außentemperatur fast 40 Grad. Und jede Menge Rennradfahrer, alle mit Trikot, mit stählernen Muskeln, natürlich ohne E-Bike – alle nutzen diese erste Woche nach der offiziellen Etappe der Tour de France, um den Berg der Berge zu erklimmen oder eben hinabzurasen. Die Touristiker der Region haben sich diesen Clou ausgedacht und sperren, die Bergfahrten von zehn Bergen in den Pyrenäen für einen halben Tag. Ich bin mittendrin. "Du hast doch ein E-Bike", höre ich noch vor der Tour die Dame mit dem hinreißenden französischen Akzent sagen. "Das wird doch kein Problem!"
Gott sei Dank ohne Trikot
Nun bin ich hier. Gott sei dank ohne Trikot, denn das wäre noch peinlicher mit E-Antrieb. Von Bagnères de Bigorre aus geht es auf der D 935 nach Sainte Marie de Campan. Wir durchfahren Campan, ein kleines Dorf, das überall vor den Häusern mit Puppen bestückt ist. Sie sind wohl ein Brauch, der die Obrigkeit necken soll. Es sind mehr Puppen als Einwohner auf der Straße. Unheimlich wirkt es. Wenn ich es nicht besser wüsste, könnte ich mich in einem Krimi von Netflix wähnen.
Anforderung trotz E-Bike
In dem heiligeren Ort Sainte Marie de Campan geht es auf die D 918, die höher und höher steigt. Sie windet sich wie eine Schlange der Berg-Spitze entgegen. Es ist heiß, ich bin ein Stadtradfahrer, kein Semiprofessioneller (so nenne ich jetzt mal die Rennradler). Deshalb trage ich auch nur eine Radlerhose und ein T-Shirt. Wer also behauptet, dass E-Bike-fahren auf den Tourmalet kein Problem sei, hat zwar recht, aber es fordert dennoch schon ganz ordentlich.
Freundliche Semiprofis
Am Tag zuvor hat sich ein Semiprofessioneller den Spaß gemacht und uns am Col d`Aspin mit Vollspeed seinen Hinterreifen gezeigt. Das empörte "Halloooo" hat er gar nicht vernommen. Ansonsten sind die Rad-Biker sehr sehr freundlich. Ein "Bonjour" gehört zum guten Ton, die Hinabrasenden grüßen einen bei mal locker 80 km/h. Wir arbeiten uns hoch, Schleife für Schleife. Mein Hochachtung für die, die ohne Pfusch treten, wächst von Minute zu Minute. Diese Fahrt, dieser Ausblick, diese Natur, dieses sportliche Gefühl ist einfach nur großartig. Nach einer fast zweistündigen Anfahrt erreichen wir die metallene Skulptur des Rennradfahrer an der Spitze des Tourmalet. Die Trinkpausen habe ich abgezogen. Die Semiprofis brauchen 2.24 Stunden, bescheinigt Google Maps. Das letzte Stück von La Mongie ist das härteste.
Ich bin in Fahrt
Als hätte ich kurzen Aufwind, ziehe ich der Kleingruppe davon. Die 40-Kilo-Mehrgewicht meines Körpers lasse ich scheinbar wie Säcke zurück. Ich überhole die letzten Semiprofis, einen Montainbiker, der glaube ich, gerade den Tag verflucht. Aber eins wollen alle: Die Kuppe erreichen und weit blicken. Holländer im Kombi, Motorradfahrer, Rennradfahrer aus allen Nationen und natürlich wir, die Fahrer der Tour de France légère. Dieser Blick in die Tiefe ist unglaublich. Die Schlange liegt uns zu Füßen. Da ist man einen kurzen Moment stolz, sogar mit einem E-Bike. Bestimmte aus der Kleingruppe mobben mich: ich hätte ja den Akku gewechselt. Ignoranz ist angesagt!
Service: perfekt und liebenswert
Philippe und Marc, Mitorganisatoren der Sperrungen, begrüßen uns in ihren orangenen T-Shirts. Der Service ist liebenswert und perfekt. Getränke, getrocknete Früchte, Schokolade, Kopftücher gegen die Sonne – an kleinen Ständen versorgen die Orange-Shirts die Radfans an allen Bergkuppen: Wir haben die Berge Col de Peyresourde, Col d`Aspin und eben den Col de Tourmalet in den vergangenen Tagen erklommen. Nicht ganz die historische Etappe von 1910."
Handy aus! Fahrt Fahrrad!
Vielfache Radmeisterin Marion Clignet im Gespräch mit Organisator Philippe Jugie. "Ich bin 78", erzählt einer der älteren Radfahrer auf Französisch. Er redet soviel, dass die Belgierin in der Kleingruppe ihren ganzen Charme auf Französisch entfalten kann. Am Col d'Aspin wartet schließlich Marion Clignet. Der 78-Jährige ist schon wieder da. Marion lacht unentwegt, die Meisterin und Olympiateilnehmerin aus früheren Jahren. Beim Fotoshooting erzählt sie mir, dass sie ihre Krankheit Epilepsie nur mit dem Radfahren und Naturheilkräutern behandelt. "Das ist das, was ich als Trainerin auch den Kindern heute vermitteln möchte. Nicht immer Handys und Computer. Fahrt Rad", klingt mir immer noch in den Ohren. Eine der wildlaufenden Kühe schleckt während unseres Gespräches Marions Beine ab. Das hier oben ist alles ganz anders als auf den Radwegen in den Niederlanden oder am Oberrhein. Eine andere Welt!
Wehmütiger Abschied
Wir machen uns auf die Abfahrt, insgesamt 50 Kilometer fahren wir auf unserer Etappe, landen schließlich in Luz. Die Einwohner diese Ortes gelten seit Jahrhunderten als sehr eigenwillig und obrigkeitsfeindlich. Luz lebt vom Radsport oder eben – wie viele Orte der Region – im Winter vom Skifahren. Wir trennen uns von den E-Bikes, etwas wehmütig, denn wir hätten gerne weitergemacht. Mit dem Auto geht es weiter nach Cauteres. Als wir am nächsten Tag zur Pont d`Espagne fahren, können wir uns die Bemerkungen gegenüber den hochtrampelnden Radfahrern auf den kleinen Hügeln nicht verkneifen. Natürlich nur im Auto geraunt. Die Höhenluft hat ein wenig größenwahnsinnig gemacht. Das stellen wir erst später in der Ebene demütig fest und sind dankbar für die Erfahrung. Mal nicht Sightseeing, mal nicht Braten am Pool. Es lebe die Tour de France
Die historische Tour de France führte zum ersten Mal im Jahr 1910 über die Pässe von Peyresourdes, Aspin, Tourmalet und Aubisque. Diese Etappe gewann der spätere Tour-Sieger Octave Lapize in einer Zeit von 14 Stunden 10 Minuten.
Eine 5-Tage-und 6-Nächte-Reise kostet ab 365 Euro (Voraussetzung zwei Personen fahren mindestens). Weiter Informationen unter: tourisme-hautes-pyrenees.com/Randos-et-sensations/Velo/Pyrenees-Cycl-n-Trip und tourisme-hautes-pyrenees.com
Nicht ganz billig, aber ein Höhenerlebnis ist die zweigeteilte Fahrt mit der Kabinen-Bahn auf den Pic-du-Midi. In 2877 Meter Höhe beobachten Wissenschaftler das Sternen- und Sonnensystem. Im Besucherbereich führen Experten die Besucher durch die Sternenwelt, erläutern historische Gerätschaften. Der Rundblick auf der Bergplattform ist genial und lässt eine Seh-Reichweite von 300 km zu. Die Kabinenbahn gleitet über 350 Meter tiefe Abgründe. Mit ein wenig Glück erwischen die Betrachter mit ihren Kameras Steinböcke und Adler. Die Fahrt mit der Kabinenbahn beginnt in La Mongie. Die Wartezeiten bei der Abfahrt sowohl von unten nach oben als auch umgekehrt sind der Malus der Tour. Wer Anschlusstermine oder -ziele hat, sollte pro Fahrt eine Stunde Wartezeit mitbringen, der Transport in der Kabine dauert nur 15 Minuten.
Herbergen im Departement Hautes Pyrénées
Hotel d´Angleterre Drei-Sterne Hotel in Arreau, gut und freundlich geführt von Marie-Hélène Aubian und ihrer Familie. Große Zimmer, Pool im geschmackvoll angelegten Garten. Schöne Terrasse, auf der Speisen von Maitre Michael Hubert serviert werden. Die Preise von Weinen und Menüs liegen im mittleren Bereich. Die Qualität der dargebotenen Speisen im oberen Qualitätssegment. 20 Minuten vom Hotel entfernt liegt das Wellness-Bad Balnéa.
Hotel Carré Py liegt wenige Meter nach dem Ortseingang von Bagnères-de-Bigorre. Schlichtes und funktionales Tagungshotel mit dem angrenzenden Restaurant La Fabrique du Terroire, das solide Speisen zu akzeptablen Preisen bietet. Die Therme von Bagnères-de-Bigorre, das Aquensis, liegt wenige Kilometer entfernt im Ortszentrum.
Hotel Le Lion dor Direkt gegenüber von der Therme Les Bains du Rocher liegt der hintere Eingang des Drei-Sterne-Hotels im Zentrum von Cauteres. Die Familie Lasserre führt das Hotel, der jüngere Thomas, die beiden älteren Schwestern Bernadette und Rose-Marie fallen mit ihrer herzlichen Art auf. Das Haus ist seit dem Jahr 1913 Herberge für Touristen aus vielen Ländern. Der Stil des Interieure ist historisch. Hotel mit Charme und Authentizität stehen zu recht als Markeneigenschaften des Hauses.
Text:
Rainer Schmidt /
handwerksblatt.de
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