Die Biografie von Sandra Gronemeier bietet Stoff für viele Geschichten. Eine ist die der bunten Karnevalskostüme. Sie sitzen perfekt und sind aus 100 Prozent Nachhaltigkeit.
Eigentlich hat Sandra Gronemeier mit Karneval nichts am Hut. Und Maßschneiderin wollte die gebürtige Bielefelderin eigentlich auch nicht werden. Nach dem Abitur war Rechtsanwältin ein Berufswunsch. Oder lieber noch Lehrerin. Doch das Leben ist jeck und voller Überraschungen. Heute, drei Jahrzehnte später, ist Sandra Gronemeier eine mehrfach ausgezeichnete Maßschneiderin.
Zu ihren Kundinnen im Atelier "Sandra Gronemeier Couture" zählte etwa die Unternehmerin und Kunstmäzenin Gabriele Henkel. Über ihre weiteren Promi-Kunden schweigt sie sich lächelnd aus. Und sie engagiert sich als Mitglied im Prüfungsausschuss der Maßschneider, Vorstandsmitglied des Bundesverbands der Maßschneider und in zahlreichen Gremien der Handwerkskammer Düsseldorf für das Handwerk.
Den letzten Ausbildungsschliff holte sie sich auf der Meisterschule in Düsseldorf. Und sie bleibt auch hier, der Liebe wegen. Denn sie trifft hier ihren späteren Ehemann. Begriffe wie Helau, Bütze, Schunkele und Fiere sind längst in Fleisch und Blut der Frohnatur Sandra Gronemeier übergegangen. "Ich mag die Stimmung beim Karneval und ich liebe es zu singen", lacht die Unternehmerin fröhlich. "Ich komme aus einer sehr musikalischen Familie. Daher habe ich ein gutes Ohr für Musik. Ich brauche ein Lied nur zu hören, schon kann ich es mitsingen – leider nur nicht schön."
Eine Reise in die Konfektionswelt
Erste Eindrücke der fünften Jahreszeit sammelt sie beim bunten Treiben des Düsseldorfer Straßenkarnevals. "Ich staune immer noch, dass selbst in der heutigen Zeit der Karneval Städte wie Köln oder Düsseldorf komplett lahmlegt." Bei der Handwerkersitzung vor vier Jahren fertigt sie erstmals ein maßgeschneidertes Karnevalskostüm. "Die Leute wissen doch, was ich beruflich mache, da kann ich doch nicht mit einem Kostüm von der Stange auftauchen." Sie schaut kurz zur Seite, als könnte jemand mithören. "Natürlich habe ich bei einem der großen Karnevalsausstatter schon mal ein Kostüm anprobiert", erzählt sie schmunzelnd von ihrem kleinen Abstecher in die Konfektionswelt. Die Sachen findet sie aber zu schwer oder sitzen schlecht.
Eine Idee steht im Raum
Für die Sitzung der Düsseldorfer Handwerksbäcker vor einem Jahr entwarf sie mit ihrem Auszubildenden Melchior Rasch ein Abendkleid in Form eines Cocktails mit viel Strass und Glitzer. "Melchior ist so wenig Rheinländer wie ich keine Rheinländerin bin", erinnert sie sich vergnügt, "er liebt es aber, als Wahlkölner mit aufwendigen Kostümen zu überraschen." Als sich die Opern- und Theaterliebhaberin einen eleganten Lederfrack näht, steht plötzlich eine Idee im Raum: Warum nicht auch jecke Fräcke schneidern? Maßgeschneidert, bunt, einzigartig – und nachhaltig.
Der Umwelt zuliebe
Der Aspekt ist für Sandra Gronemeier entscheidend: "Ich war immer schon ein Öko und bin mit 16 Jahren dafür auf die Straße gegangen." Sogar ihr Atelier suchte sie so aus, dass sie es mit dem Fahrrad erreichen kann. Weil sie nicht vom Auto abhängig sein möchte, sagt sie. Auch bei den Stoffen verarbeitet sie nur Naturmaterialien wie Baumwolle, Leinen oder Seide. Mit Blick auf hunderte sorgsam aufgerollter Stoffballen in allen Farben und Mustern lacht die Handwerkerin über das ganze Gesicht: "Ich kann gut aufräumen, aber Stoffe wegschmeißen, das kann ich nicht."
Sammlerin der schönen Stoffe
Aus allen möglichen Ecken kramt sie Stoffreste, Knöpfe, Pailletten oder Zierbänder aus Kisten und Kartons zusammen. Viele der herrlichen, teils von Hand bemalten Stoffe, stammen noch aus ihrer Lehrzeit Andere hat sie von Kunden oder ehemaligen Kolleginnen geschenkt bekommen. Für die Meisterin und den Azubi beginnt ein spannender Kreativprozess. "Wir haben mit einem Stoff angefangen und waren selbst gespannt, wie es sich entwickelt." Reichte ein Stoff für einen Frack nicht aus, werden andere Stoffe dazu komponiert. Ist der Frack einmal fertig, wählt die Schneiderin fachkundig Glitzersternchen, Knöpfe oder Tüll aus. Peu à peu entsteht das neue Modelabel "Jecke Fräcke".
Ein komplettes Kostüm entsteht
Zwei, drei Stunden knapst sich Sandra Gronemeier täglich mit ihrem Auszubildenden von ihrer "normalen" Arbeit ab. Oft bis spät in die Nacht werden Stoffblumen gezupft und Bordüren verziert. Selbst an Silvester arbeiten beide begeistert an den Unikaten weiter. Wo sonst elegante Abendroben und schicke Kostüme ihren Platz finden, zieren jetzt Fräcke wie der Froschkönig, Meeresrauschen, die Kö-Tussi oder das Düsselorfer Hätz in rot-weiß die Schneiderpuppen. Doch nur Frack kommt für die Maßschneiderin nicht infrage. Komplettiert wird das Kostüm mit einer edlen Fliege und einem kecken Hütchen.
Natürlich weiß Sandra Gronemeier, dass der Preis für ein Karnevalskostüm ab 350 Euro recht üppig klingt. Doch sie gibt zu bedenken "Alle Fräcke sind aus Naturmaterialien und auch nicht für ein einmaliges Tragen gedacht." Die liebevoll ausgewählten Verzierungen sind deshalb alle aufgenäht und können jederzeit verändert werden. "Der Stoff hält das aus" betont Sandra Gronemeier, auch über viele Jahre schunkele, fiere und tanze.
"Ein Frack geht immer", sagt Sandra Gronemeier. Sei es im Straßenkarneval oder im Sitzungskarneval. Unter ihrem neuen Label soll es weiterhin Karnevalskostüme geben. Die möchte sie dann unter ein Thema stellen, wie zum Beispiel Berufe. Die Basis soll aber immer ein Frack sein. sandra-gronemeier
Sechs Millionen Schminksets, zwei Millionen Hüte, 900.000 Perücken und 500.000 Masken kaufen die Menschen im Schnitt für die Karnevalstage und geben 85 Millionen nur für Kostüme aus. Das hat der Bund Deutscher Karneval (BDK) zusammen mit der Unternehmensberatung Boston Consulting Group berechnet. Im Schnitt sind das 53 Euro pro Jeck und pro Session. Viele Kostüme landen auf dem Müll. Nach wie vor sind viele aus 100 Prozent Polyester oder Polyamid hergestellt. Ein Stoff, der aus Erdöl gewonnen wird. Nachdem das Erdöl zu einer breiigen Masse gekocht wird, werden Färbemittel zugefügt. Dann wird die Masse zu einem Faden gesponnen und verwebt. Inzwischen gibt es auch hochwertigen Polyester. Marktführend sind hier die Japaner. Allerdings kosten diese Stoffe genauso viel wie die Naturmaterialien.
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