Sozialabgabenbremse soll für Generationengerechtigkeit sorgen
Beim ZDH-Unternehmerforum forderte Präsident Jörg Dittrich verlässliche und nachhaltige Rahmenbedingungen bei den Sozialversicherungen, um die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe zu erhalten.
Welche Maßnahmen sind nötig, um die Sozialsysteme in Deutschland zukunftsfest zu machen und generationengerecht zu gestalten? Diese Frage stand im Mittelpunkt beim diesjährigen Unternehmerform des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH). Der Präsident des ZDH, Jörg Dittrich, zeichnete mit Blick auf die aktuelle Situation ein düsteres Bild: "In der Kranken- und Pflegeversicherung klaffen Milliardenlöcher. Die Rücklagen in der Arbeitslosenversicherung sind aufgezehrt und in der Rentenversicherung ist es auch bald soweit."
Die Politik versuche, die Lage mit immer höheren Abgaben zu entschärfen, sodass der Beitrag zur Sozialversicherung bereits in diesem Jahr über 40 Prozent liege mit der Aussicht auf einen weiteren kurzfristigen Anstieg. "Für das Handwerk ist das eine besonders schwere Last. Denn wir erwirtschaften den Umsatz durch die Arbeit der Beschäftigten und nicht mit Plattformen und Algorithmen." Bei Arbeitgebern wie bei Arbeitnehmern sinke das Vertrauen in die Sozialversicherung.
Sozialabgabenbremse einführen
Weitergehen könne es so nicht, betonte Dittrich. Er forderte Reformen. Zuallererst eine "Sozialabgabenbremse" im Grundgesetz mit einer 40-Prozent-Grenze als rote Linie. Für das Handwerk sei das die Schmerzgrenze, die nicht überschritten werden dürfe, um die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe zu erhalten. Nur so könne der Staat verlässliche und nachhaltige Rahmenbedingungen und Generationengerechtigkeit schaffen. Nur so ließe sich ein auskömmliches Einkommen der Beschäftigten mit mehr Netto vom Brutto sichern und Schwarzarbeit reduzieren.
"Angesichts einer wachsenden digitalen Wertschöpfung in der Wirtschaft sollten wir es nicht hinnehmen, dass das Handwerk als beschäftigungsintensiver Bereich einen überproportionalen Beitrag zur Finanzierung der Sozialsysteme leistet." Es müsse nun um die Sicherung der Finanzierung bei einer fairen Lastenverteilung gehen.
Keine Denkverbote zulassen
Unnötige Leistungsausweitungen in den Sozialsystemen zu Lasten der Beitragszahler müssten ebenso unterbleiben wie auch Leistungen auf Pump. Angesichts der demografischen Entwicklung mit der schrumpfenden Zahl der Beitragszahler bei gleichzeitiger höheren Lebenserwartung mit längerer Rentenbezugsdauer dürfe es keine Denkverboten geben, um zu verhindern, dass die Rentenbeiträge explodieren. Auch eine weitere Anhebung des Renteneintrittsalters müsse diskutiert werden.
"Die abschlagsfreie Rente mit 63 sollte auch wegen des Fachkräftemangels abgeschafft werden", so Dittrich. Mit Blick auf die vielen Selbstständigen im Handwerk brachte er für sie eine Altersvorsorgepflicht ins Spiel. "Eine allgemeine Altersvorsorgepflicht kann Altersarmut verhindern und vermeidet überdies, dass im Zweifelsfall der Beitrags- oder Steuerzahler dafür aufkommen muss."
Altersvorsorgepflicht soll kommen
Carsten Linnemann, Rolf Schmachtenberg, Sara Hofmann, Rainer Schlegel, Stefan Körzell mit Moderatorin Tanja Samrotzki (v. l.) bei der Podiumsdiskussion. Foto: © ZDH / Peter LorenzDie Einbeziehung der Selbstständigen in die obligatorische Alterssicherung sei im Rahmen des Rentenpakets III ein Vorhaben der Bundesregierung, sagte der Staatsekretär im Arbeitsministerium, Rolf Schmachtenberg. "Diese Altersvorsorgepflicht soll sich an neue Selbstständige richten. Bereits im Gesetzgebungsverfahren sei der im Koalitionsvertrag angekündigte Einstieg in eine teilweise Kapitaldeckung der Rentenversicherung, um ein "drittes Standbein für die Finanzierung" aufzubauen.
Perspektivisch soll mit den Erträgen ab Mitte der 2030er Jahre dafür ein Beitrag geleistet werden. Entscheidend für die Vorhaben der Regierung sei die Stabilisierung der Wirtschaft und die Fachkräftesicherung. "Eher bescheiden" nannte Rainer Schlegel die Pläne der Bundesregierung. Sie würden den Herausforderungen in Zusammenhang mit den Sozialversicherungen nicht gerecht, so der Präsident des Bundessozialgerichts. Denn der demografische Wandel sorge dafür, dass immer weniger Erwerbstätige auf einen Rentner kommen. Im Jahr 2030 würde das Verhältnis bei 1,15 zu eins liegen, was enormen Reformdruck erzeuge.
PodiumsdiskussionBei der abschließenden Podiumsdiskussion berichtete die Konditorin und stellvertretende Vorsitzende der Handwerksjunioren, Sara Hofmann, von den stark gestiegenen Lohnnebenkosten, die nur zum Teil an die Kunden weitergegeben werden könnten und ihren Betrieb stark belasteten. Sie wünsche sich stabil bleibende Sozialversicherungsbeiträge auch mit mehr Netto vom Brutto für ihre Mitarbeiter. Außerdem sei es wichtig, die Ausbildung im dualen System attraktiver zu machen, um so mehr junge Menschen für eine Karriere im Handwerk zu begeistern. Der stellvertretende Bundesvorsitzende der CDU, Carsten Linnemann, warnte vor einer Teilzeitgesellschaft. Zuallererst müsse das inländische Arbeitspotenzial erschlossen werden. Mit einer Vier-Tage-Woche könnten die Sozialversicherungssysteme nicht gehalten werden. Stefan Körzell, Vorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbunds, wehrte ich dagegen, eine mögliche Vier-Tage-Woche auszuschließen. Es gebe im Handwerk Betriebe, die das bereits umgesetzt hätten und damit die Produktivität und Zufriedenheit der Mitarbeiter steigern konnten. Steigende Löhne könnten einen Beitrag zur Stabilität der Sozialversicherungen leisten, denn so stiegen auch die Beitragszahlungen. Die geplante Kapitaldeckung bei der Rentenversicherung sehe mit Blick auf die Riesterrente, die er als "Kardinalfehler" bezeichnete, er sehr skeptisch.
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Text:
Lars Otten /
handwerksblatt.de
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