Im Gespräch mit dem Deutschen Handwerksblatt: Brandenburgs Ministerpräsident Dr. Dietmar Woidke

Im Gespräch mit dem Deutschen Handwerksblatt: Brandenburgs Ministerpräsident Dr. Dietmar Woidke (Foto: © Karsten Hintzmann)

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"Keine Investition läuft ohne das Handwerk"

Ministerpräsident Dr. Dietmar Woidke (SPD) spricht im großen Interview des Deutschen Handwerksblatts über die Meistergründungsprämie, Bürokratieabbau und Handwerker in seinem eigenen Haus.

DHB: Betrachtet man das vorige und das laufende Jahr, liegt Brandenburg beim Wirtschaftswachstum im Vergleich aller Bundesländer in der Spitzengruppe. Welchen Anteil hat das Handwerk an dieser positiven Entwicklung?
Dietmar Woidke:
Wenn wir uns heute über das Wirtschaftswachstum freuen, was natürlich auch mit Industrieansiedlungen zu tun hat, ist das Handwerk nicht Beiwerk, sondern es ist das Fundament dieses Wachstums. Unsere Handwerksbetriebe haben auch in schwierigen Zeiten Menschen Arbeit und damit Perspektiven gegeben und jungen Menschen die Chance auf eine gute Ausbildung geboten. Daher ist das Handwerk in Brandenburg im wahrsten Sinne des Wortes nicht nur die Wirtschaftsmacht von nebenan, um einen Werbeslogan des Handwerks zu bemühen, sondern ein zentraler Wirtschaftsfaktor. Und dort, wo die großen Industrieinvestitionen umgesetzt werden, ist das Handwerk von der ersten Stunde an dabei - von der Bodenplatte bis zur Elektronik und der anschließenden Betreuung der Anlagen vor Ort. Kurz: Ohne Handwerk kein Wirtschaftswachstum.

DHB: In Brandenburg werden aktuell Milliardensummen in Großprojekte investiert – bei Tesla in Grünheide, bei der BASF in Schwarzheide oder beim Strukturumbau in der Lausitz. Profitiert das märkische Handwerk davon?
Dietmar Woidke:
Bei den Investitionen achten wir nach wie vor darauf, dass die regionale Wirtschaft intensiv beteiligt wird. Hier geht es um Handwerksbetriebe, aber auch um mittelständische Industriebetriebe. Um ein Beispiel zu nennen: Beim Bahnwerk Cottbus haben wir gemeinsam mit der Bahn, der Handwerkskammer und der IHK Informationen herausgegeben, was dort gebraucht wird und anschließend wurden die Vergabeverfahren entsprechend gestaltet. Keine Investition läuft in diesem Land ohne das Handwerk. Hier ist mir noch ein zweiter Punkt wichtig. Mit deIndustrieansiedlungen schaffen wir Perspektiven im Land und damit auch neue Betätigungsfelder für das Handwerk. Jeder, der ein Haus baut oder eine Wohnung saniert und umbaut, braucht Handwerker.

DHB: Wir nähern uns dem Ende der Legislaturperiode – Zeit für eine Bilanz. Hand aufs Herz - hat die Landesregierung in den letzten fünf Jahren genug für das Handwerk getan?
Dietmar Woidke:
Wir haben jedenfalls viel für das Handwerk getan. Es gab von Bund und Land die umfangreiche Unterstützung während der Pandemie, das Aktionsprogramm »Zukunft des Handwerks in Brandenburg«, Unterstützung bei der Bildung und Sicherung von Fach- und Arbeitskräften, die Förderung der Digitalisierung überbetrieblicher Bildungsstätten sowie die überbetriebliche Lehrlingsunterweisung. Mit der »Unternehmensnachfolge«-Richtlinie unterstützen wir die Bestandserhaltung von Unternehmen. Wir können es uns einfach nicht leisten, dass erfolgreiche Handwerksbetriebe mangels geeigneter Nachfolger von der Landkarte verschwinden. Ein Projekt ist mir besonders wichtig: Die Meistergründungsprämie. Ein sehr erfolgreiches Programm, das wir fortsetzen werden. Diese Prämie erleichtert jungen Meistern den Start in ihr eigenes Unternehmen.

Zur PersonDietmar Woidke wurde am 22. Oktober 1961 in Naundorf geboren. Er studierte Landwirtschaft und Tierproduktion an der Humboldt- Universität Berlin. 1993 trat er der SPD bei. Von 2004 bis 2013 war er zunächst Umwelt- und später Innenminister. Seit 2013 ist Woidke Ministerpräsident in Brandenburg.

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DHB: Wo soll künftig gezielter unterstützt werden?
Dietmar Woidke:
Dreh- und Angelpunkt für eine gute Zukunft unseres Handwerks ist die Arbeits- und Fachkräftegewinnung. Hier werden wir gemeinsam mit allen Partnern die Möglichkeiten nutzen und an allen Stellschrauben drehen. Dieses Thema steht ganz oben für die kommenden Jahre. Wir müssen die Zahl der Schulabgänger ohne Abschluss drastisch senken. Die Schülerinnen und Schüler in unserem Land müssen wissen, dass das Handwerk heute Hochtechnologie ist und beste Karrierechancen inallen Regionen unseres Landes bietet. Wir brauchen ein gesellschaftliches Umdenken und eine höhere Wertschätzung für Handwerksberufe. Außerdem wollen wir, auch für unser Handwerk, Arbeits- und Fachkräfte durch gesteuerte Zuwanderung aus dem Ausland anwerben. Hier sind viele Regeln, gerade für die Handwerksbetriebe, noch viel zu kompliziert. Dazu sind wir in Brandenburg mit unseren Handwerkskammern im Gespräch. Weitere Themen sind die Unterstützung von Existenzgründungen, Unterstützung beim Erwerb des Meisterbriefes und die Weiterentwicklung praxisnaher Förderinstrumente.

DHB: Der Bürokratieabbau ist eine der zentralen Forderungen des Handwerks. Was können Sie dem Handwerk versprechen?
Dietmar Woidke:
Erstens: Die Bürokratiebelastung muss runtergeschraubt werden. Zweitens: Wir werden auf unserer Ebene einen deutlichen Beitrag dazu leisten. Es wird im Brandenburger Landtag zu Beginn der nächsten Legislaturperiode, also schon in wenigen Monaten, einen Sonderausschuss zum Abbau von Normen und Standards geben. Dieser Sonderausschuss wird nicht nur sehr eng mit den Landes- und den Kommunalverwaltungen, sondern auch sehr eng mit den Handwerkskammern zusammenarbeiten. Alle Gesetze und Verordnungen, die das Handwerk belasten, müssen auf den Prüfstand. Wir hatten solch einen Sonderausschuss schon einmal – von 2004 bis 2009. Als ich damals zuständiger Minister für Landwirtschaft und Umwelt war, haben wir allein in meinem Haus 60 Prozent der Dinge zugearbeitet, die wegfallen sollten und dann auch weggefallen sind. Es ist an der Zeit, das zu wiederholen. Hier muss der Besen regelmäßig durchgehen.

DHB: Brandenburg wirkt mitunter wie ein etwas zerrissenes Land – wir haben einerseits prosperierende Zentren rund um die großen Städte und die Fördergebiete. Und andererseits haben wir die Randlagen in der Prignitz oder der Uckermark. Fürchten Sie um den Zusammenhalt im Land?
Es wird nie so sein, dass man auf dem Dorf in der Uckermark oder der Lausitz genauso lebt wie in Potsdam. Das ist auch gut so. Weil die Lebensansprüche und Wünsche der Menschen höchst unterschiedlich sind. Das vorweg gesagt. Aber wir in der Politik sind gefordert, dass die Menschen in allen Regionen die gleichen Chancen und Perspektiven haben. Es gibt etliche Punkte, die wir im Blick behalten müssen. Es geht um den weiteren Ausbau der Infrastruktur. Der Ausbau von Bahnverbindungen spielt eine große Rolle. Dort, wo das schon gelungen ist, etwa in Nauen oder Brandenburg an der Havel,gab es einen unglaublichen Entwicklungsschub. Dafür müssen wir künftig noch mehr investieren. Ein zweiter Punkt ist die Gesundheitsversorgung. Die Grundlage für eine gute Entwicklung in den Regionen ist eine verlässliche Gesundheitsversorgung. Auch deshalb kämpfen wir um den Erhalt aller 54 Krankenhausstandorte im Land. Ein dritter Punkt ist, dass wir auch weiterhin die Entwicklung in unseren ländlichen Regionen unterstützen. Die ländlichen Regionen prägen unser Land. Die Landwirtschaft ist in unseren Dörfern weiterhin Herz und Rückgrat.

DHB: Wann hatten Sie zuletzt einen Handwerker im Haus?
Dietmar Woidke:
Das ist erst wenige Wochen her. Ich habe zu Hause das Dach eines Nebengebäudes neu decken lassen. Ich bin mit der Arbeit mehr als zufrieden, sehr nette Menschen – fleißig, verlässlich pünktlich, termintreu und aus der Region.

DHB: Eine hypothetische Frage zum Schluss: Wenn Sie sich heute für einen handwerklichen Beruf entscheiden müssten, welches Gewerk würden Sie wählen?
Dietmar Woidke:
Ich wäre um ein Haar – als ich 17 Jahre alt war – nach dem Abitur in die PGH Funk und Technik in Forst gegangen, um eine Ausbildung als Antennenbauer zu beginnen. Ich habe in meiner Jugend viele Elektrodinge gebastelt, unter anderem Lichtorgeln. Ich bin zudem gern auf Dächern rumgeklettert. Und eine gute Antenne brauchte man damals bei uns, um Westfernsehen gucken zu können. Dadurch, dass ich am Ende unerwartet doch noch den von mir gewünschten Studienplatz bekam, verlief mein Leben dann anders.

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Text: / handwerksblatt.de

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