EU-Ratspräsidentschaft: Das Handwerk lenkt den Blick auf den Mittelstand
Das Handwerk hat Stellung zum Programm der Bundesregierung für die deutsche EU-Ratspräsidentschaft genommen und die aus seiner Sicht wichtigsten Handlungsfelder benannt.
Die Bewältigung der Corona-Pandemie und ihrer Folgen werde die deutsche EU-Ratspräsidentschaft prägen. Das sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vor dem Europäischen Parlament. Gleichwohl gebe es weitere Herausforderungen, wie den Klimawandel oder den digitalen Wandel, die es zu meistern gelte.
"Das Geld, das wir jetzt für den Wiederaufbau wollen, wird nicht investiert, um einfach wieder dahinzukommen, wo wir waren, sondern um auch einen Schritt in die Zukunft zu gehen", so Merkel. Die Bundesregierung will sich für einen schnellen Abschluss der Verhandlungen zum mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) für die Jahre 2021 bis 2027 stark machen. Außerdem sollen die Verhandlungen mit Großbritannien über das künftige Verhältnis von EU und Vereinigtem Königreich beschleunigt werden.
Die wichtigsten Handlungsfelder für das Handwerk
Holger Schwannecke Foto: © ZDH / SchueringDer Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) hat jetzt die aus seiner Sicht wichtigsten Handlungsfelder während der deutschen Ratspräsidentschaft benannt. "Zukunftsweisende Weichenstellungen sind notwendig in der Wirtschaftspolitik, insbesondere mit Blick auf die Stärkung des Binnenmarktes sowie beim Bürokratieabbau", betont der Verband. Ein besonderer Blick müsse dabei auf dem Mittelstand ruhen: "Dazu ist eine Politik notwendig, die zielgerichtet die Wettbewerbsfähigkeit von KMU unterstützt, die Infrastruktur modernisiert und regionale Potenziale und Innovationen aktiviert." Die Verantwortung den Betrieben gegenüber sei groß, sagt ZDH-Generalsekretär Holger Schwannecke. Wichtig sei das auch beim mehrjährigen Finanzrahmen. Er müsse möglichst noch bei deutscher Ratspräsidentschaft verabschiedet werden. Handwerksbetriebe bräuchten Gewissheit darüber, wie die handwerksrelevanten EU-Programme weiterlaufen und welche europäischen Fördermittel in die Betriebe fließen. Der ZDH hofft hier auf Kontinuität.
KMU-Konferenz im November
LeitgedankenDie Bundesregierung legt ihrem Programm diese Leitgedanken zugrunde:
• die nachhaltige Überwindung der Corona-Krise sowie die wirtschaftliche und soziale Erholung,
• ein stärkeres und innovativeres Europa,
• ein gerechtes Europa,
• ein nachhaltiges Europa,
• ein Europa der Sicherheit und der gemeinsamen Werte,
• ein starkes Europa in der Welt. Die Bundesregierung will Impulse setzen, um die Wettbewerbsfähigkeit sowohl der kleinen und mittleren Unternehmen als auch der Industrie zu verbessern. "Dazu diskutieren wir geeignete Rahmenbedingungen, die Förderung zukunftsfähiger Innovationen und Maßnahmen, die die Finanzierung, substanzielle Bürokratieentlastung und KMU-freundliche Rechtsetzung betreffen", heißt es dazu im Programm der Bundesregierung.
Dazu soll es im November eine KMU-Konferenz geben, um grenzüberschreitende Ansätze zu diskutieren. Der ZDH begrüßt das und nennt mögliche Ansatzpunkte. Schwannecke: "So muss das geplante europäische Klimagesetz gerade in der nun einsetzenden Erholungsphase ökologische und ökonomische Ziele miteinander in Einklang bringen. Ein wichtiger Bestandteil ist etwa auch die geplante bessere Reparaturfähigkeit von Produkten in der Kreislaufwirtschaft."
Zurecht werde von der Bundesregierung ein besonderer Fokus auf die Digitalisierung gelegt. "Ein effizientes und funktionierendes E-Government vereinfacht den Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen für die Bürgerinnen und Bürger und kann für die Wirtschaft Genehmigungs- und Zulassungsverfahren beschleunigen", erklärt Schwannecke. Er fordert einen fairen Zugang zu maschinengenerierten Daten für KMU, die von anderen Unternehmen faktisch kontrolliert werden. "Nur so können KMU ihre Dienstleistungen vollumfänglich anbieten." Klimaziele seien nun realistisch und planbar zu gestalten. Auf weitere Dokumentations- und Informationspflichten sollte wenn möglich verzichtet werden, um den Mittelstand nicht zu belasten.
ZDH fordert Belastungsmoratorium
ProgrammHier finden Sie das komplette Programm der Bundesregierung für die deutsche EU-Ratspräsidentschaft.Stichwort Bürokratiebelastung: Der ZDH setzt sich für ein Belastungsmoratorium für Betriebe und Beschäftigte ein. Die Politik müsse darauf achten, die Betriebe jetzt in der Krise nicht zu überfordern. Das könne ansonsten den Neustart der Wirtschaft gefährden. In vielen Bereichen sei das bestehende EU-Recht zu komplex für kleine und mittlere Unternehmen. Es müsse vereinfacht werden. "Das neue One-in-one-out-Prinzip muss zusammen mit dem Grundsatz Think Small First sicherstellen, dass kommende europäische Gesetze Unternehmen nicht daran hindern, sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren zu können", fordert der Handwerksverband.
Das Handwerk begrüßt, dass die europäische Kompetenzagenda den Wert der beruflichen Bildung für die europäische Wirtschaft in den Mittelpunkt stellt. "Über die ökonomische Leistungs- und Innovationsfähigkeit Europas entscheidet auch ganz zentral die Frage, wie gut seine Bürger ausgebildet sind und sich weiterbilden", unterstreicht Schwannecke. "Berufliche Bildung muss in Zeiten des digitalen und ökologischen Wandels auf die Arbeitsplätze der Zukunft vorbereiten, um jungen Menschen und langjährig Berufstätigen Perspektiven zu geben und um Fachkräftemangel zu bekämpfen", schreibt die Bundesregierung in ihrem Programm. Sie will die grenzübergreifende Bildungskooperation vertiefen und eine "exzellente Berufsbildung auf Hochschulniveau entwickeln". Zudem will sie die digitale Bildung ausbauen, die Lernmobilität erhöhen und die Anerkennung von Bildungsabschlüssen erleichtern.
Text:
Lars Otten /
handwerksblatt.de
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