Das lange Warten auf die Corona–Hilfen
Bund und Länder versprachen dem gebeutelten Mittelstand schnelle Unterstützung. Doch die Gelder fließen nur spärlich. Besonders die Entschädigungen nach Paragraph 56 Infektionsschutzgesetz.
Matthias Baum zieht ein bitteres Resümee: "Die Politik hat große Versprechungen gemacht. Doch die Lasten der Corona-Krise tragen die kleinen mittelständischen Unternehmen." Baum ist Geschäftsführer der Holzart GmbH. Der Gubener Handwerksbetrieb ist spezialisiert auf Bau- und Möbeltischlerarbeiten aller Art. Der Meister und Restaurator im Tischlerhandwerk beschäftigt fünf Tischler, einen Zimmermann, einen Auszubildenden sowie Teilzeitkräfte. Mit seinem Unternehmen ist er beispielsweise bei Restaurierungsarbeiten am Cavalierhaus im Branitzer Park oder an der Rennbahn Hoppegarten im Einsatz.
Schon vier Mal mussten Mitarbeiter der Holzart GmbH während der Pandemie in Quarantäne, einen traf es sogar doppelt. "Die Fälle ereigneten sich zwischen November 2020 und Januar 2021", sagt Baum. Der Tischlermeister stellte in allen Fällen zeitnah Anträge auf Entschädigungen nach Paragraph 56 Infektionsschutzgesetz (IfSG). "Ausgezahlt wurde bis heute nichts", klagt Baum. Auf Rückfragen hieß es nur, dass die Anträge in Bearbeitung seien. Der Tischlermeister musste so nicht nur den Ausfall der Mitarbeiter bei der täglichen Arbeit kompensieren, er trägt weiterhin allein die pandemiebedingten finanziellen Lasten.
Viele Unternehmen sind betroffen
Das lange Warten auf die Corona-Hilfen teilt Baum mit vielen anderen Unternehmern in Brandenburg. Die Entschädigungen nach Paragraph 56 Infektionsschutzgesetz sind dafür ein besonders eklatantes Beispiel: Mitte April zog das zuständige Potsdamer Ministerium für Soziales, Gesundheit, Integration und Verbraucherschutz eine ernüchternde Bilanz. Mit Stand 9. April 2021 lagen dem zu diesem Zeitpunkt für die Bearbeitung der Anträge zuständigen Landesamt für Arbeitsschutz, Verbraucherschutz und Gesundheit (LAVG) insgesamt 36.219 Anträge auf Entschädigungszahlungen vor. Davon waren gerade mal 3.910 Anträge abschließend bearbeitet. 1.718 Anträge wurden positiv beschieden, 2.192 Anträge hingegen abgelehnt. Ausgezahlt wurden im Jahr 2020 insgesamt rund 416.200 Euro an die Betriebe sowie im Jahr 2021 rund 1.058.000 Euro. Damit wurden pro positiven Bescheid durchschnittlich rund 860 Euro geleistet.
Nun soll Abhilfe geschaffen werden: Die Anträge auf Entschädigungen werden seit dem 1. Mai in Brandenburg grundsätzlich nur noch digital über das Portal ifsg-online.de angenommen. Auch bei der Bearbeitung der Anträge gibt es neue Zuständigkeiten. Diese Aufgabe übernimmt seit Monatsbeginn das Landesamt für Soziales und Versorgung (LASV). Gesundheitsstaatssekretär Michael Ranft räumt den Missstand ein: "Klar ist, dass wir die hohe Zahl von offenen Anträgen so schnell wie möglich abtragen müssen. Klar ist aber auch, dass wir auch mit der Unterstützung des LASV dafür noch einige Zeit benötigen werden."
Antragszahl steigt stetig
Die Ursache für die zögerliche Bearbeitung der Anträge sieht Ranft in den gesetzlichen Vorgaben: "Die Bearbeitung dieser Entschädigungsanträge ist personal- und zeitaufwendig. Es handelt sich um komplexe Einzelfallentscheidungen. Nach dem Infektionsschutzgesetz muss jeder Einzelfall geprüft werden. Ein pauschaliertes Verfahren ist leider nicht vorgesehen." Auch wenn die dritte Welle der Pandemie gegenwärtig gebrochen zu sein scheint und sich die Infektionszahlen in Brandenburg rückläufig entwickeln, erhöht sich die Antragszahl weiter stetig. Anspruch auf Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz haben grundsätzlich Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Selbstständige und freiberuflich Tätige, die im Einzelfall von einer behördlich angeordneten Quarantäne oder einem Tätigkeitsverbot betroffen sind (§ 56 Abs. 1 IfSG).
Bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern erfolgt die Antragstellung durch die Arbeitgeber, da diese den Entschädigungsanspruch in Vorleistung an die Arbeitnehmer für längstens sechs Wochen auszubezahlen haben. Mit Beginn der siebten Woche wird sie in Höhe des Krankengeldes gewährt. Unternehmen und Selbstständige, die ihren Betrieb gänzlich oder zeitweise wegen der SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung schließen mussten, erhalten prinzipiell keine Entschädigung nach § 56 IfSG, auch nicht für ihre Beschäftigten. Sie brauchen daher keine Anträge stellen.
Höchstens 2.016 Euro monatlich
Nach § 56 Abs. 1a IfSG können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie Selbstständige zudem für maximal zehn Wochen sowie jene, die ihr Kind allein beaufsichtigen, betreuen oder pflegen, für maximal zwanzig Wochen eine Entschädigung aufgrund der Schließung von Schulen oder Betreuungseinrichtungen für Kinder bzw. für Menschen mit einer Behinderung erhalten. Die Entschädigung beträgt 67 Prozent des Nettoeinkommens und ist auf einen monatlichen Höchstbetrag von 2.016 Euro begrenzt. Voraussetzungen dafür sind unter anderem, dass die Betreuungseinrichtung oder Schule des Kindes auf behördliche Anordnung geschlossen wurde oder der Nachwuchs betreut werden muss, da eine Behörde Quarantäne für das Kind bzw. einen Menschen mit Behinderung angeordnet hat. Das Kind darf das 12. Lebensjahr dabei noch nicht vollendet haben oder besonderer Hilfe bedürftig sein.
Anträge nach § 56 Abs. 1 IfSG müssen innerhalb von zwölf Monaten ab dem Anfang des Tätigkeitsverbotes oder dem Ende der Quarantäne gestellt werden. Die Quarantäne muss von einer zuständigen Behörde angeordnet sein, damit eine Entschädigung gezahlt wird. Eine freiwillige Quarantäne oder eine Quarantäne aufgrund von Empfehlungen zählen nicht. Für Anträge nach § 56 Abs. 1a bei Schließung von Schulen und Betreuungseinrichtungen muss der Antrag innerhalb von zwölf Monaten nach Ende der Schließung beziehungsweise Untersagung des Betretens der Einrichtung gestellt werden.
Vergabemindestlohn gestiegen
Zum Verdruss vieler Handwerksbetriebe legt die Landespolitik bei der Erhöhung der Lasten für die Unternehmen hingegen ein weitaus schnelleres Tempo an den Tag. So wurde etwa mitten in der Pandemie zum 1. Mai der Vergabemindestlohn bei öffentlichen Ausschreibungen von 10,85 Euro auf 13 Euro angehoben. Damit macht Brandenburg nicht nur einen Sprung um fast 20 Prozent nach oben, sondern überbietet auch noch das Nachbarland Berlin.
Johannes Bungart, Geschäftsführer des Bundesinnungsverbands des Gebäudereiniger-Handwerks (BIV), kritisiert die Regelung deshalb scharf: "Der Brandenburger Alleingang ist doppelt abstrus, weil es in der Metropolregion Berlin/Brandenburg künftig unterschiedliche Lohnhöhen gibt. Während in Brandenburg künftig für öffentliche Reinigungsausschreibungen zum Beispiel an Schulen 13 Euro pro Stunde gelten, sind es nur einige Kilometer weiter in Berlin 12,50 Euro. Eine Reinigungskraft an einer Privatschule in Berlin und Brandenburg erhält dagegen pro Stunde 11,11 Euro, so wie es der Tarifvertrag im Gebäudereiniger-Handwerk allgemeinverbindlich für das gesamte Bundesgebiet regelt. Von Mai an gelten in der Metropolregion Berlin/Brandenburg demnach drei unterschiedliche Stundenlöhne für ein und dieselbe Tätigkeit durch ein und dieselbe Reinigungskraft."
Auskunft und AnträgeFür Fragen zur Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz hat das Landesamt für Soziales und Versorgung ein Bürgertelefon eingerichtet: Tel.: 0331/8683888
Entschädigungsanträge nach dem Infektionsschutzgesetz können über ein ländergemeinsames Online-Portal eingereicht werden: ifsg-online.de.
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Text:
Karsten Hintzmann /
handwerksblatt.de
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