Jubiläum: Andrea Klemm, Meisterin im Orthopadieschuhtechniker-Handwerk, blickt als Inhaberin eines Betriebs, der im Jahr 1900 gegründet wurde, wie die HWK auf 125 Jahre zurück.

Jubiläum: Andrea Klemm, Meisterin im Orthopadieschuhtechniker-Handwerk, blickt als Inhaberin eines Betriebs, der im Jahr 1900 gegründet wurde, wie die HWK auf 125 Jahre zurück. (Foto: © Thomas Mohn)

Vorlesen:

Mobilität bis ins hohe Alter ermöglichen

Seit 125 Jahren sorgt "Bitter Orthopädieschuhtechnik" für gesundes Gehen – mit traditionellem handwerklichem Können, moderner Technik und viel Einfühlungsvermögen.

Ein Vorurteil gibt es immer noch, wenn über orthopädische Schuhe gesprochen wird, die von Menschen mit körperlichen Einschränkungen getragen werden: Solche Schuhe seien etwas unförmig und nicht modern. Andrea Klemm beweist mit ihrer Arbeit das Gegenteil. Die Meisterin im Orthopädieschuhtechniker-Handwerk fertigt mit ihrem Team für Kunden, die aus unterschiedlichen Gründen Fußprobleme haben, orthopädische Schuhe an, die fußgerecht sind und gut aussehen. »"Wir wollen Mobilität bis ins hohe Alter ermöglichen", sagt sie. 

Lösungen für viele Fußprobleme

Ihr Handwerksbetrieb bietet Lösungen "rund um gesundes Gehen an". Das Spektrum geht weit über die Anfertigung und Reparatur von speziellen Schuhen hinaus und umfasst fachlich kompetente Beratung, Service rund um den Fuß (zum Beispiel die Fuß- und Ganganalyse), individuelle Einlagen und die podologische Betreuung (medizinische Fußpflege) für Menschen mit Fußproblemen. "Das erfordert ganz viel Einfühlungsvermögen", ergänzt Andrea Klemm. 

Seit 125 Jahren in Familienhand

Die Meisterin ist Chefin von "Bitter Orthopädieschuhtechnik" in Sendenhorst-Albersloh im Münsterland. Der Schuhmacher Christoph Lammers gründete den handwerklichen Familienbetrieb vor 125 Jahren. Die Betriebe waren klein, Schuhe wurden in Handarbeit gefertigt. 1930 trat Schuhmachermeister Anton Bitter in den Betrieb ein und heiratete Sophia, die einzige Tochter des Firmengründers. Beide führten das Geschäft bis 1965 und übergaben die Firma dann an den Sohn Anton Bitter und dessen Frau Maria. Im Jahr 2010 übernahm deren Tochter Andrea den Familienbetrieb und erweiterte das Angebot, um eine Podologische Praxis. Im Jubiläumsjahr bilden 13 Mitarbeiter, darunter neben der Inhaberin ein weiterer Meister, das qualifizierte Team. 

Schuhmacherhandwerk im Wandel

Schuhmacher gibt es seit der Antike. Der Beruf stammt von den Gerbern ab, so steht es in geschichtlichen Abhandlungen. Die erste Berufsbezeichnung findet sich bei den Römern. Um auch Menschen mit Fußbehinderungen helfen zu können, eigneten sich einige Schuhmacher in späteren Jahrhunderten besondere Fähigkeiten an und fertigten spezielles Schuhwerk. Als eigenen Beruf gibt es den Orthopädieschuhmacher aber erst seit 1953. Inzwischen ist Orthopädieschuhtechnik die korrekte Bezeichnung, denn der Beruf entwickelt sich ständig weiter. 

Digitale Technik für Präzision

Die Arbeit wird von moderner Technik unterstützt. Ein Beispiel sind digitale Messmethoden, mit denen präzise Daten erfasst werden, die dann zu passgenauen Ergebnissen erarbeitet werden. In einem Ganganalyse-Raum gibt es eine Laufstrecke, eine Kamera zeichnet die Bewegungsabläufe auf und dokumentiert die Gangart. Die Daten werden mit den Kunden besprochen, anschließend die notwendigen Arbeiten festgelegt. Ein Beispiel sind 3-D-gedruckte Einlagen, die eine individuelle Druckverteilung durch eine spezielle Rautenstruktur möglich machen, aber auch Einlagen, die neurologische Defizite lindern. 

Individuelle Hilfen bei Krankheitsbildern

Andrea Klemm macht deutlich, dass es in der Orthopädieschuhtechnik nicht nur um Füße geht, die aufgrund einer Körperbehinderung spezielle Versorgung erfordern. Sondern auch Krankheitsbilder wie Diabetes oder Arthrose können das Gehen erschweren. Es sind auch schon mal kleine Probleme, bei denen das Team helfen kann. Wenn zum Beispiel die Füße nach längeren Spaziergängen schmerzen, "dann hilft oft eine individuell angefertigte Einlage".

Kunden aller Altersgruppen

Kunden des Handwerksbetriebes kommen aus ganz unterschiedlichen Altersgruppen. Die meisten waren zunächst bei einem Arzt und besuchen dann mit entsprechenden Unterlagen die Orthopädieschuhtechnik. Es gibt auch Kunden, die bei kleinen Problemen den direkten Weg suchen. "Das Bewusstsein, auf die Füße zu achten, nimmt zu", stellt Andrea Klemm fest. Damit auch die Herausforderungen an die Arbeit des Teams. Weiterbildung gehört dazu, ebenso die Zusammenarbeit mit Ärzten. 

Die Füße als Fundament

Die Fachfrau hat einen interessanten Vergleich mit einem Haus parat: Die Füße seien wie das Fundament eines Hauses. »Das muss stimmen, sonst gibt es Setzrisse.« Übertragen auf den Fuß bedeutet das zum Beispiel: Es entsteht ein Beckenschiefstand. Dem kann mit einem fachgerechten Verkürzungsausgleich und einer statisch korrekten Einlage entgegengewirkt werden.

Frau im Männerberuf

Andrea Klemm war 1996 eine der ersten Meisterinnen in einem von Männern dominierten Handwerksberuf. Sie erinnert sich, dass Kunden im Betrieb fragten, wann denn der richtige Meister käme. Die Frage hat sich inzwischen erledigt.

Familientradition mit Zukunft

Ihr Vater engagierte sich in der Handwerksorganisation als Obermeister seiner Innung, auch Andrea Klemm war lange Jahre ehrenamtlich im Meisterprüfungs- und im Gesellenprüfungsausschuss aktiv. Aktuell konzentriert sie sich auf betriebliche Aufgaben. Denkt der Jubiläumsbetrieb auch schon an die Nachfolge? Sohn Alexander Klemm ist bereits Meister in der Orthopädietechnik. 

Technik ersetzt kein Handwerk

Was der Meisterin am Ende des Gesprächs noch sehr wichtig ist: "Technik unterstützt unsere Arbeit, aber auch noch so gute Technik kann die individuelle handwerkliche Arbeit nicht ersetzen."

 

Online: Bitter OrthopädieschuhtechnikHier geht es zum Online-Auftritt von Bitter Orthopädieschuhtechnik.

DHB jetzt auch digital!Einfach hier klicken und für das digitale Deutsche Handwerksblatt (DHB) registrieren!

Weitere Meldungen aus dem Bezirk der Handwerkskammer Münster

Text: / handwerksblatt.de

Das könnte Sie auch interessieren: