Handwerk.NRW-Präsident Andreas Ehlert (Foto: © Ingo Lammert)

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NRW-Handwerk mahnt: Mittelstand stärken!

Betriebsführung

Handwerk.NRW-Präsident Andreas Ehlert: "Nordrhein-Westfalen löst sich von einer Politik des reinen Strukturerhalts." Forderung nach Ende des "Schönwetterkurses" im Bund.

Das nordrhein-westfälische Handwerk mahnt eine umfassende Strategie des Landes zur Stärkung seiner mittelständischen Wirtschaft an. "Das gewohnte Denken in großen Einheiten bindet das Land an Strukturen der Vergangenheit. Stattdessen muss die Mittelstandspolitik zu einer gemeinsamen Querschnittsaufgabe für alle Ressorts der Landesregierung werden", forderte der Präsident des Dachverbands Handwerk.NRW Andreas Ehlert auf einer Pressekonferenz in Düsseldorf.

Ehlert nannte eine konsequente Fortsetzung des Abbaus administrativer Hemmnisse und der Stärkung der dualen, beruflichen Bildung sowie die Entwicklung einer "Kultur unternehmerischer Selbstständigkeit auch in den alten Industrielandschaften" als Eckpfeiler einer "Politik der Stärkung der dezentralen Einheiten". Der Handwerkspräsident würdigte gleichzeitig die bisherige Arbeit der Landesregierung; sie treffe "richtige" Entscheidungen, auf den Gebieten des Abbaus administrativer Hemmnisse und zugunsten der beruflichen Bildung, aber auch den grundsätzlichen ordnungspolitischen Kurs betreffend: "Für uns im Handwerk hat es große Bedeutung, dass sich Nordrhein-Westfalen von einer auf Strukturerhalt angelegten Kohlepolitik, von einer dirigistischen Industriepolitik und von einem Hang zur Staatswirtschaft löst." Nun müsse der Weg des Bürokratieabbaus, der Entfaltung einer offenen Innovationskultur und der Qualitätssteigerung in der allgemeinen und beruflichen Bildung "entschlossen weitergegangen werden", so der NRW-Handwerkspräsident.

Ruhrgebietskonferenz des Handwerks am 19. September

Insbesondere im Ruhrgebiet, dem "bundesweiten Brennpunkt der Langzeitarbeitslosigkeit", müsse endlich der "Kern der Probleme" angegangen werden: "Die Standortbedingungen für private Unternehmen und die Standortbedingungen für Bildung und Qualifizierung aller Art. Das Jahr 2019 wird entscheidend dafür sein, ob in NRW auch bei strukturellen Themen ein Paradigmenwechsel möglich ist. Es ist jetzt die Zeit, um auch die dicken Bretter zu bohren und die Grundlage für nachhaltige Schubumkehr in Richtung Innovation und Produktivität zu legen", betonte Ehlert. Das "Denken in großen Einheiten macht störanfällig", so Ehlert.


Die von der Landesregierung gestartete Ruhr-Konferenz mit einer Vielzahl von Foren dürfe darum nicht nur mit Personen aus der Region besetzt werden. "Ich glaube der Region Ruhr tut es sehr, sehr gut, einmal von außen einen Blick darauf zu werfen", betonte Ehlert und warb für das Einbinden des Sachverstands Dritter. Am 19. September 2019 planen die Handwerkskammern mit Ruhrgebietsbezug - Dortmund, Düsseldorf, Münster - darum eine Ruhrgebietskonferenz des Handwerks in Dortmund. Ehlert: "Es kann nicht so sein, dass das Ruhrgebiet sich in die Strukturen zurückzieht, die es schon immer hatte." Es gehe um mittelstandsfreundliche Politik für die Region, damit sich "viele, viele kleine Mittelständler" ansiedeln, die Arbeitsplätze und Wohlstand schaffen.

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Wirtschaftliche Betätigung von Stadttöchtern unter Beobachtung

"Es ist sehr unklug, wenn Kommunen mit ihren Töchtern bestimmte Handwerksdienstleistungen ausführen lassen, die dem gewerblichen Mittelstand vor Ort verloren gehen. Denn das sind ja die, die am Ende die Gewerbesteuer zahlen und zum Wohlstand der Kommunen beitragen. Das sehen wir sehr negativ. Wir haben das gegenüber Frau Scharrenbach angemahnt und Frau Scharrenbach hat zugesagt, mit der Kommunalaufsicht und uns Gespräche zu führen über die wirtschaftliche Betätigung der kommunalen Töchter." Man überlege angesichts der "viel zu großzügigen Spielräume, die die kommunalenTöchter haben", einen Vorstoß, ob die "Liberalisierung des Paragraphen 107 der Gemeindordnung" nicht auch in Teilen zurückgeführt werden müsse.

Bildungspolitik mit guten Impulsen

An der Bildungspolitik gefällt dem Handwerk, dass das Land mit Nachdruck an der Verbesserung der Ausbildungsreife arbeite und substanziell mehr in die Sanierung und Modernisierung der Bildungsstätten des Handwerks und damit in die Qualität der beruflichen Bildung investiere. Ehlert: "Endlich wird auch das Thema Unterrichtsausfall und die Fachlehrerversorgung an den Berufskollegs konzeptionell angegangen."

Die Arbeit an den Schulen sei sehr wichtig, um für das Handwerk zu werben. Es fehlten Auszubildende und Fachkräfte. Darum sei er mit dem Fachkräfteinwanderungsgesetz der Bundesregierung "sehr zufrieden", sagte Ehlert. Zudem suchten in Nordrhein-Westfalen seit Jahren etwa zehn Prozent der Betriebsinhaber geeignete Nachfolgerinnen bzw. Nachfolger, also rund 20.000 Handwerksunternehmen.


Bürokratie reduzieren

Als vorrangige Aufgabe der Mittelstandspolitik nannte Ehlert die Entbürokratisierung der Gewerbeförderung. "Insbesondere die Meistergründungsprämie ist derzeit abschreckend kompliziert." Antrags- und Dokumentationspflichten sollten nach Möglichkeit reduziert werden; so müssten seit 2017 selbst Kleinbetriebe bei Inanspruchnahme von Beratungsleistungen durch ihre Kammer komplizierte Beihilfe-Anträge nach der europäischen sogenannten Diminimis-Regelung stellen. "In solchen wie auch in anderen Fällen könnten durch Umstellung von EU-Mitteln auf Landesmittel Verfahren deutlich vereinfacht werden." Viel Potential gebe es aus Sicht des Handwerks auch bei Themen, die nicht nur einzelne Antragsteller betreffen, sondern die Betriebe in ganzen Branchenbereichen angehen.

Vor allem die Lebensmittelhandwerke ächzten unter Auflagen, die - so Ehlert - "klare Wettbewerbsnachteile zu industriellen Herstellern" bedeuten. Im Fleischerhandwerk etwa müssten Produktionsbetriebe mit Eigenschlachtung bei der Fleischbeschau ein Mehrfaches an Gebühr bezahlen, was der Fleisch- und Schlachtindustrie abverlangt werde. "Das Handwerk setzt bei der anstehenden Novelle des MitteIstandsförderungsgesetzes vor allem auf ein effektiveres Clearingverfahren zur Mittelstandsverträglichkeitsprüfung. Besonders wichtig wäre, künftig auch bestehende Normen auf ihre Mittelstandsverträglichkeit zu prüfen und aus dem Kreis der beteiligten Wirtschaft Verbesserungen vorschlagen zu können."

In diesem Zusammenhang sprach Ehlert sich noch einmal ausdrücklich dafür aus, Handwerksmeistern auch in NRW bei einfacheren Gebäudeklassen die Kleine Bauvorlageberechtigung zu erteilen.

Grundsteuerreform des Bundesfinanzministers abgelehnt

Ehlert mahnte im Übrigen eine Rückführung der Grunderwerbsteuer und eine moderate und unbürokratische Neufassung der Grundsteuer an, auf die das Land im Bundesrat Einfluss nehmen "kann und soll: Der aktuelle Entwurf des Bundesfinanzministeriums erfüllt diese Anforderungen nicht," so Ehlert, der auch harsche Kritik am ausgabenpolitischen Kurs der Bundesregierung übte: Der Sozialstaat werde immer kostspieliger; die neuen Leistungsansprüche seien "nicht nachhaltig gegenfinanziert". Es gebe anders als in anderen Ländern keine wirksame Steuerentlastung für Unternehmen und für die Mitte der Gesellschaft, die einen Großteil der Staatstätigkeit mit ihren Steuern finanzieren müssten, aber von sozialpolitischen Wohltaten nicht profitierten.


Dauerthema Dieselkrise

Gar als "Staatsversagen" klassifizierte Ehlert die Luftreinhaltepolitik der Bundesregierung. Sie habe beim "Diesel-Gate" Abgasmanipulationen der Autoindustrie zugelassen und durch Subventionen und Innovationslenkung die Akteure sogar in eine andere Richtung getrieben. Es habe zudem viel zu lange gedauert, bis die Voraussetzungen für die Nachrüstung von Dieselfahrzeugen geregelt waren — mit überdies enttäuschendem Ergebnis bei den Konditionen aus Sicht der Fahrzeugeigentümer. So drohten nun in mehreren Städten Fahrverbote und massive Eingriffe in die Mobilität - "genau das Gegenteil von dem, was die Wirtschaft und viele Pendler nötig haben." Die Erwartung des Handwerks sei "klar: Es darf keine Fahrverbote geben." Und wenn diese sich doch nicht verhindern ließen, enwarte das Handwerk großzügige, unbürokratische Ausnahmeregelungen. "Aber vor allem müssen die unsinnigen Grenzwerte vom Tisch und stattdessen tragfähige Förderstrategien für die Entwicklung neuer Antriebstechnologien und Verkehrskonzepte her! Es darf nicht länger sein, dass der Verbraucher die Zeche für politische Fehlentscheidungen der Politik und der Automobilhersteller zahlt. Vor allem mittelständische Unternehmen brauchen verlässliche Rahmenbedingungen für die Modernisierung ihrer Fuhrparke!"‚ redete Ehlert Klartext.

 

Text: / handwerksblatt.de

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