Lutz Kellers (Mitte) hat ein einwöchiges Berufsorientierungspraktikum bei der Firma Osterath absolviert. Danach hat Betriebsinhaber Thomas Osterath (links) ihn direkt in die Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker Fachrichtung Nutzfahrzeugtechnik übernommen. Hans-Peter Jansen (rechts) und das Team vom Jobcenter Mönchengladbach begleiten Lutz Kellers bei der Eingliederung in den Arbeitsmarkt. (Foto: © DHB/Bernd Lorenz)

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Berufsorientierungspraktikum als Einstieg in die Ausbildung

Nach einem langen Anlauf scheint Lutz Kellers den Absprung geschafft zu haben. Über ein Berufsorientierungspraktikum bei der Osterath GmbH hat der 25-Jährige den richtigen Ausbildungsbetrieb gefunden.

Bei Fahrzeugen ist Lutz Kellers kein Typ fürs Filigrane. Der 25-Jährige will anpacken, sich schmutzig machen, an den großen Maschinen arbeiten. "Es macht mir einfach Spaß, die Bremssättel an einem Lkw auszutauschen, und ich liebe den Geruch von Motoröl", schwärmt er. Doch der junge Niederrheiner musste erst "eine sehr schwierige Schulzeit und Lebenssituation" bewältigen, um zu seinem Wunschberuf und zu einem fürsorglichen Arbeitgeber zu kommen.

Lutz Kellers lebt seit seinem 15. Lebensjahr im Heim. Mit 18 muss er in eine eigene Wohnung ziehen. Nach dem Hauptschulabschluss fällt es ihm lange Zeit schwer, ins Berufsleben einzusteigen. Er springt von Job zu Job, beginnt 2020 eine Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker, die nach acht Monaten beendet wird, findet neue Jobs, die ihn nicht erfüllen und in denen er nicht länger als ein halbes Jahr bleibt, bewirbt sich Ende 2023 bei der Bundeswehr, die ihn ablehnt. "Das war der Tiefpunkt." Lutz Kellers ruft einen Berufsberater der Arbeitsagentur Mönchengladbach an, der ihn seit einigen Jahren betreut. Mit ihm kommt die Wende zum Besseren. "Herr Lindges hat mich regelmäßig mit den Namen von Ausbildungsbetrieben versorgt, bei denen ich mich bewerben sollte." Darunter ist auch die Osterath GmbH in Willich.

Das Unternehmen von Thomas Osterath bildet in drei Berufen aus: Karosserie- und Fahrzeugbaumechaniker, Kfz-Mechatroniker Fachrichtung Nutzfahrzeugtechnik und Fachkraft für Lagerlogistik. Der Geschäftsführer des 25-Mann-Betriebs nimmt pro Jahr mindestens einen Azubi. Doch ohne vorheriges Praktikum gibt es keinen Ausbildungsvertrag. "Wir brauchen dieses gegenseitige Kennenlernen, um festzustellen, ob die Bewerber bei uns eine Perspektive haben", erklärt der Betriebsinhaber. Über den Arbeitgeberservice in Krefeld hatte Thomas Osterath vom Berufsorientierungspraktikum der Bundesagentur für Arbeit (BA) gehört. Mit Lutz Kellers hat er es zum ersten Mal erprobt.

Gesetzeslücke geschlossen

Das Berufsorientierungspraktikum gibt es seit dem 1. April 2024. Es richtet sich an junge Menschen, die Unterstützung bei der Berufswahl brauchen. Die von der BA geförderte Maßnahme dauert mindestens eine Woche und maximal sechs Wochen. Ein Praktikum kann bei einem oder mehreren Arbeitgebern absolviert werden. "Voraussetzung für die Förderung ist, dass die jungen Menschen die Vollzeitschulpflicht nach den Gesetzen der Länder erfüllt haben, keine Schule besucht wird und bei der Agentur für Arbeit oder dem Jobcenter als ausbildungsplatzsuchend gemeldet sind", heißt es im Sozialgesetzbuch.

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"Mit dem Berufsorientierungspraktikum hat der Gesetzgeber endlich eine Lücke geschlossen", meint Hans-Peter Jansen, Teamleiter beim Jobcenter Mönchengladbach. Davor sei es offiziell nur bei der Suche nach einem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplatz möglich gewesen, ein gefördertes Praktikum zu absolvieren. "Nun erhalten auch Ausbildungsplatzsuchende einen Zuschuss zu den Fahrtkosten, für eine auswärtige Unterbringung sowie für Berufsbekleidung oder Kinderbetreuung."

BerufsorientierungspraktikumDie Bundesagentur für Arbeit (BA) hat ein PDF mit fachlichen Weisungen zum Berufsorientierungspraktikum herausgegeben. Es enthält unter anderem detaillierte Informationen zu den Kosten und sonstigen Aufwendungen, die von der BA übernommen werden. 

Vom Praktikum in die Ausbildung

Lutz Kellers wohnt in Mönchengladbach. Mit dem Auto sind es rund zehn Kilometer bis zur Osterath GmbH. "Die Spritkosten für mein einwöchiges Praktikum wurden vom Jobcenter voll übernommen", sagt der junge Mann erleichtert, der in dieser Zeit nur vom Bürgergeld lebte. Thomas Osterath haben fünf Arbeitstage gereicht, um sich ein Bild von seinem potenziellen Azubi zu machen. Am 2. Juli endete das Berufsorientierungspraktikum. Bereits vier Wochen später konnte Lutz Kellers seine Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker mit der Fachrichtung Nutzfahrzeugtechnik bei der Osterath GmbH beginnen. Er scheint endlich seinen Platz im Berufsleben gefunden zu haben. "Ich wurde hier liebevoll aufgenommen und in der Werkstatt von Anfang an echt gut eingebunden", freut sich der Auszubildende, der sich gerne für das Vertrauen und die Unterstützung seines Chefs bedanken möchte, indem er bei Azubi-Speeddatings oder Infoveranstaltungen des Jobcenters für eine Ausbildung bei Osterath wirbt.

Zusätzliche Unterstützung

Seit acht Jahren versucht Lutz Kellers, auf eigenen Beinen zu stehen. Doch ohne finanzielle Krücken wird es auch während der Lehre nicht gehen. "Von der Ausbildungsvergütung alleine könnte ich nicht leben", sagt der Azubi. Deshalb erhält er zusätzlich Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) und circa 350 Euro "vom Amt". Die Höhe der staatlichen Leistungen wird sich in den kommenden dreieinhalb Jahren jedoch ändern, denn je mehr ein Auszubildender während der Lehrzeit verdient, desto geringer fallen BAB und Bürgergeld aus. Solange er Geld vom Jobcenter bezieht, bleibt auch der regelmäßige Kontakt zu einem persönlichen Betreuer erhalten. "Wir versuchen bei der Eingliederung in den Arbeitsmarkt möglichst lange und nah an den jungen Leuten dranzubleiben", versichert Hans-Peter Jansen.

Thomas Osterath hält das Berufsorientierungspraktikum für "richtig wertvoll". Er hat bereits einen weiteren Bewerber mit einer ähnlichen Vorgeschichte wie Lutz Kellers an der Hand. Der junge Mann würde gerne in einer Werkstatt arbeiten. Einen konkreten Berufswunsch hat er jedoch noch nicht. Das von der Arbeitsagentur finanzierte Praktikum soll ihm eine Hilfestellung bieten, ob das Pendel in Richtung Karosseriebauer oder Kfz-Mechatroniker ausschlägt. Wenn die Chemie stimmt, soll der künftige Azubi gleich im Betrieb bleiben. Die Zeit bis zum 1. August wird mit einer mehrmonatigen Einstiegsqualifizierung überbrückt, die auf die Ausbildung angerechnet werden kann. "Man muss jungen Menschen, die einen schweren Start hatten, eine Chance geben – auch wenn man dabei anfangs ein bisschen Bauchschmerzen hat", ist Thomas Osterath überzeugt.

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Text: / handwerksblatt.de

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