Barreirefrei muss der Webauftritt sein, falls darauf etwa Online-Shops oder Buchungen von B2C-Handwerksleistungen zu finden sind.

Barreirefrei muss der Webauftritt sein, wenn darauf etwa Online-Shops oder Buchungen von B2C-Handwerksleistungen zu finden sind. (Foto: © alphaspirit/123RF.com)

Vorlesen:

Barrierefreie Firmenwebsites werden bald Pflicht

Menschen mit Beeinträchtigung müssen ab Juni Internetseiten, die E-Commerce anbieten, problemlos nutzen können. Kleinstunternehmen sind aber von der Pflicht ausgenommen. Doch was genau ist ein Kleinstbetrieb?

Firmenwebseiten, die E-Commerce für Verbraucher angebieten, müssen künftig so ausgestaltet sein, dass Menschen mit Beeinträchtigung sie ohne Problem nutzen können. Kleinstunternehmen sind von dieser Pflicht aber ausgenommen! Wir beantworten hier die häufigsten Fragen.

Was ist Barrierefreiheit?

Ziel der neuen Regelungen ist es, Online-Angebote barrierefrei zu gestalten, so dass auch Menschen mit Einschränkungen des Sehens, des Hörens, der Motorik oder kognitiven Beeinträchtigungen sie ohne Erschwernis anwenden können.

Am 29. Juni 2025 treten daher das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) und die Verordnung zum Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSGV) in Kraft. Diese Vorschriften setzen die EU-Richtlinie 2019/882 über die Barrierefreiheitsanforderungen für bestimmte Produkte und Dienstleistungen (European Accessibility Act – EAA) in deutsches Recht um.

Für wen gelten die Regeln?

Das BFSG macht nicht nur Vorgaben zur barrierefreien Gestaltung bestimmter Produkte, wie etwa Smartphones oder Notebooks. Es verpflichtet darüber hinaus Betreiber zur barrierefreien Gestaltung ihres Webauftritts, falls darauf E-Commerce-Angebote für Verbraucher, etwa Online-Shops oder Buchungen von B2C-Handwerksleistungen, dargestellt werden. B2B-Angebote, die sich ausschließlich an Unternehmen richten, müssen übrigens nicht barrierefrei sein!

Das könnte Sie auch interessieren:

Handwerksbetriebe sind somit grundsätzlich vom den Vorschriften betroffen, sofern ihr Webauftritt solche Angebote umfasst, sofern dort folgende Funktionen angeboten werden:

  •  Online-Shops, in denen Verbraucherinnen und Verbraucher Produkte kaufen können

und /oder 

  • Online-Buchung von Handwerksdienstleistungen, die für Verbraucher erbracht werden.

Praxistipp:

Bei der Online-Buchung von Handwerksleistungen müssen die Vorgaben eingehalten werden, wenn Buchungen samt Zahlungsmöglichkeit auf einer Webseite oder über eine App möglich sind. Auch wenn nur eine elektronische Terminbuchung mit späterer Zahlung vor Ort angeboten wird, spricht einiges dafür, dass auch hier das BFSG gilt.

Ein Beispiel: Auf der Webseite eines Friseursalons können Verbrauche Termine buchen und im Online-Shop Haarpflegeprodukte kaufen. Sowohl der Online-Verkauf der Haarpflegeprodukte als auch die Online-Buchung der Termine sind "Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr". Die Webseite muss daher grundsätzlich barrierefrei sein, es sei denn, es handelt sich bei dem Friseurbetrieb um ein "Kleinstunternehmen" (siehe der nächste Absatz). 

Gibt es Ausnahmevorschriften?

Kleinstunternehmen sind von neuen Vorschriften ausgenommen. Auch Handwerksbetriebe, die nicht unter die gesetzliche Definition des Kleinstunternehmens fallen, bei denen die Einhaltung der neuen Anforderungen jedoch zu einer unverhältnismäßigen Belastung führt, sind ebenfalls ausgenommen.

Kleinstunternehmen

Als Kleinstunternehmen gelten laut Gesetz Unternehmen, wenn sie

  1. weniger als zehn Personen beschäftigen und
  2. entweder einen Jahresumsatz von höchstens 2 Millionen Euro erzielen oder wenn ihre Jahresbilanzsumme sich auf höchstens 2 Millionen Euro beläuft.

Maßgeblich ist die Anzahl der während eines Jahres beschäftigten Vollzeitarbeitnehmer. Teilzeitbeschäftigte und Saisonarbeiter werden nur entsprechend ihres Anteils berücksichtigt. Auszubildende oder Mitarbeitende im Mutterschafts- oder Elternurlaub werden bei der Anzahl der im Betrieb tätigen Personen nicht mitgezählt.

Unverhältnismäßige Belastung

Handwerksbetriebe, die nicht die obige gesetzliche Definition des Kleinstunternehmens erfüllen, können sich unter folgenden Voraussetzungen auf eine unverhältnismäßige Belastung berufen, um von der Pflicht befreit zu sein: 

1. Kostenanalyse anhand einer Selbstbeurteilung mittels der Anlage 4 zum BFSG.

2. Dokumentation der Selbstbeurteilung und Aufbewahrung für fünf Jahre.

3. Erneute Selbstbeurteilung und Dokumentation mindestens alle fünf Jahre oder im Falle neuer B2C-E-Commerce-Angebote.

4. Unterrichtung der zuständigen Marktüberwachungsbehörde über die Berufung auf eine unverhältnismäßige Belastung.

5. Auf Verlangen der Marktüberwachungsbehörde: Vorlage der Selbstbeurteilung.

Wie müssen die Vorgaben umgesetzt werden?

Die Kriterien für die Websites richten sich nach der Europäischen Norm EN 301 549. Diese verweist auf den internationalen Standard "Web Content Accessibility Guidelines" (WCAG).

Diese fordert die folgenden Maßnahmen:

  • Verständliche und klare Struktur und Benutzeroberfläche der Webseite. 
  • Verständliche Beschriftung und Erklärung von Formularfeldern. 
  • Bedienbarkeit der Webseite sowohl per Tastatur als auch per Maus. 
  • Implementierung einer Spracheingabefunktion. 
  • Einsatz gut lesbarer Schriftarten und Möglichkeit der Änderung der Textgröße. 
  • Verwendung von hohen Farbkontrasten für Vorder- und Hintergrund. 
  • Anpassbarkeit von Zeichen- und Zeilenabständen. 
  • Untertitel bei multimedialen Inhalten. 
  • Alternativtexte bei Bildern und Grafiken. 
  • Bereitstellung von Informationen in leichter Sprache. 

Die Barrierefreiheit umfasst zudem Identifizierungs- und Authentifizierungsmethoden, elektronische Signaturen und Zahlungsfunktionen. In der EU-Richtlinie über Barriere- freiheitsanforderungen werden folgende Umsetzungsbeispiele genannt: 

  • Zahlungsdienste müssen über Spracheingabe bedient werden können, damit blinde Menschen selbstständig im Internet einkaufen können.
  • Die Identifizierungs-Dialogfenster müssen Vorlesefunktionen unterstützen, sodass sie von blinden Menschen bedient werden können. 

Der ZDH rät: Betroffene Handwerksbetriebe sollten das Thema Barrierefreiheit frühzeitig mit ihrem Webdienstleister besprechen, damit dieser die Standards umsetzen kann. 

Praxistipps

Mit dem "BIK-BITV-Test" kann man kostenlos testen, ob die eigene Website barrierefrei ist Er wurde zusammen mit Betroffenenverbänden entwickelt.

Hier bietet der Zetralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) einen kostenlosen Leitfaden mit ausführliche Informationen sowie hilfreiche Praxistipps für Handwerksbetriebe, außerden einen Flyer mit häufig gestellten Fragen (FAQ).

Quelle: ZDH

Die Berater in den Handwerkskammern helfen Ihnen bei Rechtsfragen gerne weiter!

DHB jetzt auch digital!Einfach hier klicken und für das digitale Deutsche Handwerksblatt (DHB) registrieren!

Text: / handwerksblatt.de

Das könnte Sie auch interessieren: