Land muss Internatskosten erstatten
Auszubildende von Splitterberufen in Baden-Württemberg können aufatmen. Sind sie gezwungen, für den Besuch der Berufsschule in einem Internat zu wohnen, muss das Land die meisten Kosten übernehmen.
"Das Land Baden-Württemberg ist verpflichtet, den zum Besuch einer auswärtigen Berufsschule verpflichteten Berufsschülern die dadurch verursachten Mehrkosten einer notwendigen Unterbringung und Betreuung hinreichend auszugleichen", erklärt der Verwaltungsgerichtshof in Mannheim zum Urteil vom 28. Juni 2016 (Aktenzeichen 9S1906/14). Dass lediglich ein Zuschuss gezahlt wird, bislang sechs Euro pro Nacht, sei mit dem Gleichheitssatz des Grundgesetzes nicht vereinbar. Der baden-württembergische Handwerkstag (BWHT) begrüßt dieses Urteil. "Es entlastet nicht nur viele Auszubildende und Betriebe, sondern stärkt auch die Berufswahlfreiheit", ist der BWHT-Präsident Rainer Reichhold überzeugt.
Nun sei die Landesregierung aufgefordert, das Urteil möglichst rasch in konkretes politisches Handeln umzusetzen und die Übernahme von Reise- und Übernachtungskosten grundsätzlich neu zu regeln. Zu lange dürfe sie nicht abwarten, denn ansonsten drohten weitere Klagen. "Wir werden es nicht hinnehmen, dass Auszubildende und Ausbildungsbetriebe Mehrkosten zu tragen haben, wenn das Land und die Schulträger aus Sparzwängen wohnort- und betriebsnahe Berufsschulklassen schließen und an überregionalen Standorten zusammenführen", unterstreicht Reichhold.
Das Urteil werde auch Auswirkungen auf die regionale Schulentwicklung im Land haben. Sicherlich sei es bei weiter sinkenden Schülerzahlen nicht möglich, dass alle Schulstandorte erhalten bleiben. Doch die höheren Internatskostenzuschüsse seien ein Kostenfaktor, der in mancher Kalkulation vielleicht den Ausschlag für die Entscheidung geben werde, den Schulstandort vor Ort zu erhalten.
Ähnliche Regelung in NRW "dringend notwendig"
Die Entscheidung könnte auch auf andere Bundesländer ausstrahlen. Geht es nach dem Westdeutschen Handwerkskammertag (WHKT), ist eine Regelung wie in Baden-Württemberg auch in NRW "dringend notwendig". Bereits im Jahr 2008 habe das Schulministerium einen mehrfach reduzierten Zuschuss von fünf Euro pro Nacht ersatzlos gestrichen.
Ausbildungen müssten abgebrochen werden, weil Auszubildende den Mehraufwand für die auswertige Unterbringung aus ihrer Ausbildungsvergütung nicht leisten können. Gerade Kinder von Alleinerziehenden oder aus Bedarfsgemeinschaften könnten die Mehrkosten nicht tragen, da auch Jobcenter oder Arbeitsagenturen diese nicht übernehmen.
Text:
Bernd Lorenz /
handwerksblatt.de
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