Kündigen muss nicht immer teuer werden
Eine typische Situation: Dem Arbeitnehmer wurde gekündigt. Er erscheint beim Anwalt. Er will die Kündigung angreifen, aber nicht um weiterzuarbeiten, sondern um eine möglichst hohe Abfindung herauszuholen. Hat er darauf einen Anspruch?
Auf die Frage, wieso er Geld bekommen sollte, lautet die Antwort immer so: Weil ich für diese Firma 20 (10, 15, 25 …) Jahre meine Knochen hingehalten habe. Auf das Argument: "Aber Sie haben dafür doch auch 20 (10, 15, 25 …) Jahre Ihr Gehalt bekommen, oder?" folgt regelmäßig ein irritiertes Gesicht.
Seit wann gibt es einen Anspruch auf eine Abfindung?
Grundsätzlich gibt es Abfindungsregelungen im Gefolge der Beendigung von Arbeitsverhältnissen. Das ist allerdings keineswegs zwingend so zu verstehen, dass jede Kündigung auch zu einer Abfindung führt oder nur führen müsste. Zu unterscheiden sind zunächst drei Grundfälle: Eine Kündigung kann wirksam sein; eine Kündigung kann unwirksam sein; es ist unklar, ob eine Kündigung wirksam oder unwirksam ist.
Kündigung: Wirksam, unwirksam oder unklar
Eine wirksame Kündigung führt im Normalfall nicht zu einem Abfindungsanspruch des Gekündigten. Wer einen Grund hat zu kündigen, darf dies tun. Er muss von Gesetzes wegen dafür nichts bezahlen. Der Kündigende muss außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens seinen Kündigungsgrund noch nicht einmal nennen (Ausnahme: bei der fristlosen Kündigung nach Verlangen des Gekündigten, Paragraf 626 Abs. 2 S. 3 BGB). Der Systematik des Kündigungsschutzgesetzes folgend werden die Kündigungsgründe im Übrigen dreigeteilt in betriebsbedingte, verhaltensbedingte und personenbedingte Gründe (Paragraf 1 Abs. 2 S. 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG)).
PDF-Download: Kündigungsschutz – Alles, was Sie wissen sollten!Der Arbeitgeber kann dem (klageweisen) Angriff gegen eine wirksame Kündigung in aller Ruhe entgegensehen. Er wird das Verfahren letztlich gewinnen. Zahlen muss er dann nur, was er selbst an so genannten außergerichtlichen Kosten investiert hat, denn die trägt im Arbeitsgerichtsverfahren erster Instanz jeder (auch der Sieger) selbst. Weil kein Anwaltszwang besteht, kann der Arbeitgeber sich durchaus selbst vertreten. Außer dem Zeiteinsatz fällt für ihn dann nichts an. Ob das angesichts der vielen Fallstricke aber sinnvoll ist, steht auf einem anderen Blatt (siehe dazu die Sonderregelungen).
Wenn das Arbeitsverhältnis unzumutbar wird
Eine unwirksame Kündigung muss binnen der Dreiwochenfrist des Paragrafen 4 KSchG angegriffen werden, geschieht dies nicht, so gilt sie als wirksam, Paragraf 7 KSchG. Wird sie angegriffen, stellt das Arbeitsgericht das irgendwann durch Urteil fest. Aber auch das führt nicht zu einer Abfindung, sondern eben nur zum Fortbestand des Arbeitsverhältnisses.
Nur, wenn diese Fortsetzung für den Arbeitnehmer unzumutbar geworden ist (etwa wegen persönlicher Angriffe während des Verfahrens), kann der Arbeitnehmer einen Auflösungs- und Abfindungsantrag stellen. Dasselbe kann der Arbeitgeber tun, wenn Gründe vorliegen, die eine dem Betriebszweck entsprechende Zusammenarbeit nicht mehr erwarten lassen, Paragraf 9 Abs. 1 KSchG. Das Gericht hat dann die Höhe der Abfindung festzusetzen. Dabei gibt es Grenzen, die am Lebensalter und an der Dauer des Arbeitsverhältnisses orientiert sind (Paragraf 10 KSchG).
Betriebsbedingte Kündigung: Notausgang im Gesetz
Ob eine Kündigung wirksam oder unwirksam ist, lässt sich häufig nicht sicher vorhersagen. Manchmal haben Arbeitgeber Handlungen versäumt (etwa Abmahnungen) oder Fristen nicht eingehalten oder einen Betriebsrat gar nicht oder nicht korrekt angehört. Manchmal hat der Arbeitnehmer noch nicht alle Informationen geliefert (etwa über eine Behinderung oder Mutterschutz). Manchmal fehlt es an Beurteilungen Dritter (etwa Krankheitsprognosen). Bei solch unklarer Lage bestehen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer Risiken.
Für Fälle betriebsbedingter Kündigung gibt es einen Notausgang im Gesetz: Nach Paragraf 1a KSchG kann der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer mit der Kündigung das Angebot machen, die Klagefrist verstreichen zu lassen und dafür eine Abfindung zu bekommen. Diese muss mindestens 0,5 Monatsgehälter für jedes Jahr der Dauer des Arbeitsverhältnisses betragen. Mehr Geld anzubieten ist natürlich nicht schädlich. Lässt der Arbeitnehmer dann die Klagefrist verstreichen, hat er einen Anspruch auf die angebotene Abfindung.
Abfindung: Keine Grenze nach oben oder unten
Unabhängig davon können Arbeitgeber und Arbeitnehmer jederzeit außerhalb und innerhalb eines Prozesses die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung vereinbaren. Die Höhe kann dann völlig frei ausgehandelt werden. Es gibt (bis zur Sittenwidrigkeit) keine Grenzen nach oben oder nach unten. Diese Vereinbarung heißt dann Auflösungs- oder Aufhebungsvertrag.
Es gibt allerdings drei Aspekte, die beide Seiten dabei mitberücksichtigen müssen. Abfindungen sind zum ersten nicht mehr (auch nicht teilweise) steuerfrei, nur noch steuerbegünstigt. Wird in der Vereinbarung das Ende des Arbeitsverhältnisses vor den Ablauf der normalerweise geltenden Kündigungsfrist gelegt, kann zum zweiten (teilweise) Sozialversicherungspflicht der Abfindung eintreten. Das Mitwirken des Arbeitnehmers an einer solchen Vereinbarung kann zum dritten als Veranlassung angesehen werden und zu einer Sperrfrist für Arbeitslosenleistungen führen. Hier hat das Bundessozialgericht allerdings weitgehende Vergünstigungen für Arbeitnehmer geschaffen.
Sonderregelungen sind möglich
Zum Abschluss ist noch darauf hinzuweisen, dass das Beschriebene ein Minimalstandard auf gesetzlicher Grundlage ist. Möglich und vorkommend sind Sonderregelungen auf der Basis von Tarifverträgen, Betriebsvereinbarungen und Einzelverträgen. Solche Sonderregelungen gehen dann vor.
Rechtsanwalt Hartmut Braunschneider.
Text:
Hartmut Braunschneider /
handwerksblatt.de
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