Kündigung im Kleinbetrieb: Das sagt das Arbeitsrecht
Die meisten Handwerksbetriebe beschäftigen weniger als zehn Mitarbeiter. Deshalb brauchen sie das Kündigungsschutzgesetz nicht zu beachten. Aber auch im Kleinbetrieb darf der Chef niemanden willkürlich vor die Tür setzen, erklärt ein Fachanwalt.
Dieser Artikel gehört zum Themen-Special Kündigung: So geht’s richtig
Arbeitgeber mit kleinen Betrieben können sich leichter von Mitarbeitern trennen. Denn die Maßstäbe, die das Kündigungsschutzgesetz für größere Unternehmen vorschreibt, gelten für sie nicht. Kleinunternehmen sollen damit geschützt werden. Doch wann ist ein Betrieb eigentlich "klein" und an welche Regeln müssen sich Chefs halten? Rechtsanwalt Christian Hrach, Fachanwalt für Arbeitsrecht, gibt Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Wann ist ein Betrieb ein Kleinbetrieb?
Einem Kleinbetrieb dürfen maximal zehn regelmäßig Beschäftigte angehören. Auszubildende zählen nicht mit. Entscheidend ist dabei nicht die zufällige Zahl der Mitarbeiter zur Zeit der Kündigung, sondern der regelmäßige Beschäftigungsbedarf des Betriebs. Teilzeitkräfte werden nach Anteilen berechnet: Wer 20 oder weniger Stunden arbeitet, wird mit 0,5 berücksichtigt, wer 30 oder weniger Stunden arbeitet, mit 0,75. Das steht gesetzlich fest, auch wenn der Betrieb andere Arbeitszeitmodelle erlaubt.
Außerdem gibt es einen Alt-Kündigungsschutz für Mitarbeiter, die vor 2003 eingestellt wurden: Arbeiten in ihrem Betrieb nur bis zu zehn Leuten, genießen sie auch jetzt noch Kündigungsschutz, weil damals eine Fünf-Personen-Grenze galt; Voraussetzung ist allerdings, dass auch mehr als fünf der bereits damals Beschäftigten noch durchgehend im Betrieb verblieben sind.
Welche Regeln muss der Arbeitgeber im Kleinbetrieb beachten?
Das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) muss der Kleinbetrieb nicht beachten. Das heißt aber nicht, dass der Chef völlig "frei nach Gusto" kündigen kann. Diese Regeln leiten Juristen aus den zivilrechtlichen Generalklauseln der Sitten- und Treuwidrigkeit ab. Zum Beispiel darf eine Kündigung nicht missbräuchlich sein. Dabei findet eine Interessenabwägung im Einzelfall statt. Hier ist aber im Unterscheid zum KSchG der Arbeitgeber besser geschützt, denn das Interesse des Arbeitgebers überwiegt. Demensprechend ist eine sitten- oder treuwidrige Kündigung in der Praxis extrem selten. "Ich hatte bisher noch keinen Fall, bei dem ein Arbeitnehmer sich erfolgreich darauf berufen hat", sagt Fachanwalt Christian Hrach.
Was ist eine sittenwidrige Kündigung?
Das Bundesarbeitsgericht hat für die Sittenwidrigkeit der Kündigung strenge Voraussetzungen entwickelt. Sie muss auf einem verwerflichen Motiv des Chefs beruhen, wie etwa Rachsucht oder Vergeltung. Oder sie widerspricht aus anderen Gründen dem "Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden". Diese Voraussetzungen muss der Arbeitnehmer beweisen, was ihm in der Praxis aber fast nie gelingt.
Was bedeutet das Verbot der treuwidrigen Kündigung?
Die Kündigung darf nicht willkürlich sein oder auf sachfremden Motiven beruhen und muss ein Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme wahren. Auch hier liegt die Beweislast beim Arbeitnehmer. Das Vertrauen des Mitarbeiters in den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses muss der Chef aber berücksichtigen.
Gibt es eine Sozialauswahl im Kleinbetrieb?
Eine Sozialauswahl nach Alter, Betriebszugehörigkeit und Unterhaltspflichten – wie es § 1 Abs. 3 KSchG vorschreibt – findet im Kleinbetrieb nicht statt. Aber aus dem Gebot von Treu und Glauben leiten Gerichte ein Mindestgebot zur Berücksichtigung sozialer Kriterien ab.
Zwei Beispiele, um das zu veranschaulichen: Unwirksam war eine Kündigung, bei der ein Arbeitnehmer nach zwanzig Jahren Betriebszugehörigkeit gehen sollte, hingegen ein neuer Arbeitnehmer in der Probezeit bleiben durfte (Landesarbeitsgericht Hessen, Az. 17 Sa 1318/06). Die Bevorzugung eines 25-jährigen ledigen Mannes gegenüber einem 50-jährigen Vater mit mehreren unterhaltsberechtigten Kindern ließ das Landesarbeitsgericht Düsseldorf nicht durchgehen (Az. 14 Sa 1034/08). Grund war in beiden Fällen ein Personalabbau, es ging dabei nicht um die Personen und ihr Verhalten.
Was ist eine beleidigende Kündigung?
Sie liegt vor, wenn eine Kündigung ehrverletzend formuliert ist oder in ihrer Form beleidigend: Letzteres kann der Fall sein, wenn etwa die Reinigungskraft dem Prokuristen das Kündigungsschreiben überbringt. Denn es liegt ein hierarchisches Missverhältnis vor. Hier muss man aber immer die Umstände des Einzelfalls betrachten und es gibt bislang kaum Urteile dazu.
Was ist eine Kündigung zur Unzeit?
Der Zeitpunkt der Kündigung kann auch ausschlaggebend für ihre Wirksamkeit sein, nämlich dann, wenn der ungünstige Zeitpunkt vom Chef absichtlich gewählt wird. Das war etwa der Fall bei der Kündigung nach einer Fehlgeburt (Bundesarbeitsgericht, Az. 2 AZR 39/90), nach der Nachricht vom Tod des Lebensgefährten (Bundesarbeitsgericht, Az. 2 AZR 185/00) oder nach der Einlieferung ins Krankenhaus (Landesarbeitsgericht Köln, Az. 14 (3) Sa 1363/05). Aber auch hier trägt der Gekündigte die Beweislast.
Wann ist eine Kündigung eine verbotene Maßregelung?
Die Kündigung darf nicht zur Maßregelung des Arbeitnehmers erfolgen, sagt § 612a BGB. Das ist der Fall, wenn der Arbeitgeber jemandem kündigt, der nur seine zulässigen Rechte wahrnimmt. Etwa wenn jemand krank wird und sein Chef die Entgeltfortzahlung – zu der er gesetzlich verpflichtet ist – verweigert. Solche Fälle gibt es zum Beispiel in der Gastronomie häufiger. Fordert der Arbeitnehmer die Fortzahlung ein und wird daraufhin gekündigt, liegt darin eine verbotene Maßregelung.
Aber der Gekündigte muss unter anderem das Motiv des Arbeitgebers beweisen. Wobei der Beweis erleichtert sein kann, wenn ein sachlich-zeitlicher Zusammenhang zwischen der Kündigung und dem zugrundeliegenden Vorfall besteht. Fordert umgekehrt der Mitarbeiter Rechte ein, die ihm nicht zustehen – etwa, wenn er auf bestimmten eigens gewählten Arbeitszeiten beharrt – darf ihn der Arbeitgeber deswegen rauswerfen.
Kann man bei Betriebsübergang kündigen?
Nein! Das steht in § 613a BGB. Wer seinen Betrieb verkauft, darf den Mitarbeitern nicht aus diesem Grund kündigen. Das Verbot gilt für den bisherigen und für den neuen Arbeitgeber. Auch hier liegt die Beweislast für den Betriebsübergang und den Kündigungsgrund beim Arbeitnehmer. Der Arbeitgeber kann sich mit nachvollziehbaren anderen Gründen entlasten.
Ist eine Kündigung wirksam, wenn der Betriebsrat nicht beteiligt war?
Nein! Gibt es einen Betriebsrat, ist jede Kündigung ohne ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung unwirksam (§ 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG). Auch Kleinbetriebe können einen Betriebsrat wählen, wenn dort regelmäßig fünf Arbeitnehmer beschäftigt sind und davon drei wählbar sind (§ 1 Abs. 1 BetrVG).
Achtung: Bringt der Arbeitgeber dem Betriebsrat objektive Tatsachen als Kündigungsgrund vor, sind sie gerichtlich voll überprüfbar und der Arbeitgeber trägt dafür die Beweislast! Daher lautet Fachanwalt Hrachs Tipp für die Praxis: "Stützen Sie die Kündigung nur auf absolut beweisbare Tatsachen oder noch besser auf subjektive Werturteile! ‚Die Zusammenarbeit haben wir uns anders vorgestellt,‘ ist in der Regel eine Aussage, die hier genügt."
Welchen besonderen Kündigungsschutz gibt es?
Auch in Kleinbetrieben gilt für Betriebsratsmitglieder der Sonderkündigungsschutz, das heißt, die Kündigung ist nur aus wichtigem Grund (§ 626 Abs. 1 BGB) zugelassen. Aber auch hier gibt es komplizierte Ausnahmen, für die man unbedingt einen Anwalt fragen sollte. Der Sonderkündigungsschutz für schwerbehinderte Menschen (§ 168 SGB IX), einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellte Arbeitnehmer (§ 151 Abs. 3 SGB IX), Arbeitnehmer in Elternzeit (§ 18 BEEG) und Mütter (§ 17 MuSchG) existiert auch im Kleinbetrieb. Arbeitgeber müssen also die entsprechenden Antragsverfahren einleiten und bis zur Zustimmung abwarten.
Sonderkündigungsschutz genießen auch Beauftrage wie der Datenschutzbeauftragte. Auch er kann nur aus wichtigem Grund rausgeworfen werden (§§ 6 Abs. 4 S. 2, 38 Abs. 2 BDSG). Es ist allerdings noch nicht höchstrichterlich entschieden, ob der Schutz auch dann besteht, wenn der Betrieb nicht dazu verpflichtet ist, einen Beauftragten zu bestellen.
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Text:
Anne Kieserling /
handwerksblatt.de
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