Achtung, Adressbuch-Falle!
Unseriöse Branchenregister ködern Kunden mit amtlich wirkenden Schreiben oder überrumpeln Unternehmer mit Anrufen. Wie man sich erfolgreich wehrt.
Dieser Artikel gehört zum Themen-Special Vorsicht, Adressbuch-Abzocke!
Matthias Müller ist genervt: "Ich habe letztens wieder ein Fax bekommen", sagt der SHK-Meister aus Rangsdorf, "das sah richtig amtlich aus, sogar ein Adler-Logo war darauf.“ Das Fax ist ein Werbeschreiben eines Adressbuchverlages, das ihm – als Brief einer Behörde getarnt – einen Abo-Vertrag andrehen will. Der Text klingt nach Amtsdeutsch und da die Fax-Qualität schlecht ist, ist der im Kleingedruckten versteckte Preis leicht zu übersehen: ein dreistelliger Eurobetrag, jährlich zahlbar, verbindlich für drei Jahre. Dafür erhält man einen Eintrag in ein weitgehend unbekanntes Internetregister, also eine ziemlich sinnlose Investition.
Auf kleingedruckte Passagen achten!
Unzählige Unternehmen haben in den letzten Jahren solche Post erhalten und damit schlechte Erfahrungen gemacht. Die Abzocker bedienen sich verschiedener Methoden, das Fax von Müller fällt unter die "Korrekturformular-Masche": Adressdaten sollen korrigiert und zurückgefaxt werden. Eine andere Spielart ist die "Rechnungs-Masche": Der Branchendienst verschickt unaufgefordert ein Schreiben, das einer Rechnung ähnelt. Der Hinweis darauf, dass noch gar kein Vertrag besteht, sondern dieser erst durch Zahlung des Betrags zustande kommen soll, wird dabei im Kleingedruckten versteckt. "In der Hektik des Büroalltags wird das im wortwörtlichen Sinne Kleingedruckte oft übersehen, die Schriftgröße ist häufig winzig und schlecht lesbar“, weiß Anne-Kathrin Selka, Rechtsberaterin bei der Handwerkskammer Cottbus.
In den Papierkorb damit!
Müller lässt sich von solchen Angeboten nicht ködern: "Ich werfe diese Schreiben immer gleich weg, weil ich Angst habe, dass eine meiner Mitarbeiterinnen im Büro das ausfüllt und zurückfaxt." Aber er kennt einen Kollegen, der auf die Masche der wohl bekanntesten Abzocker "Gewerbeauskunft-Zentrale" (GWE) hereingefallen ist und dabei viel Geld und Nerven verloren hat.
"Einmal Unterschriebenes macht dreimal mehr Ärger als die sorgfältige Prüfung. Jeder Betriebsinhaber sollte seine Mitarbeiter sensibilisieren, sodass bei denen die rote Lampe angeht, wenn sie solche Formulare sehen“, rät Selka. SHK-Meister Müller weiß: "Als Kaufmann hast du ja keine Chance, einmal Unterschriebenes zu widerrufen, denn dieses Recht haben ja leider nur Verbraucher.“ Selka bestätigt: "Unternehmer haben kein gesetzliches Widerrufsrecht, kommen also nicht einfach innerhalb von zwei Wochen wieder aus dem Vertrag raus!“
Betrüger werden immer dreister
Besonders dreist ist daher die "Telefon-Masche": Der Unternehmer erhält zwei Anrufe, es wird behauptet, der Betrieb sei schon länger kostenlos in einem bestimmten Register eingetragen. Dieser Eintrag sei aber nunmehr kostenpflichtig. Odilia Singer, Rechtsberaterin der Handwerkskammer Potsdam: "Die Gespräche werden mitgeschnitten. Wenn der Unternehmer dann 'ja' sagt und Unternehmensdaten angibt, hat er den Vertrag mit dem Anbieter wirksam und kostenpflichtig abgeschlossen. Eine Anfechtung ist in diesem Fall viel schwieriger als bei den schriftlichen Angeboten! Wichtig ist, dass die Handwerker am Telefon einem solchen Angebot nie mündlich zustimmen, sondern ein solches klar und deutlich ablehnen.“
Vorsicht vor Domain-Unternehmen!
Nicht nur Branchendienste, auch Unternehmen für Internet -Domains (das sind Namen für Websites) gehen häufig ähnlich vor. Sie behaupten, ein Konkurrent wolle sich verschiedene Domains sichern, die den Namen des Handwerksbetriebs enthalten. Der Unternehmer reagiert in der Regel überrascht und verweigert seine Zustimmung. Bei dieser Gelegenheit erhält er das Angebot, sich selber diese Domains – zu weit überteuerten Preisen – zu sichern. Schließt er den Vertrag, sind hohe Registrierungskosten die Folge.
Verträge anfechten
Die gute Nachricht: Oft sind die Verträge anfechtbar, denn die Methoden der Branchenregister sind schon häufig von Gerichten als arglistige Täuschung verurteilt worden. Mit der Konsequenz, dass der Unternehmer nicht zahlen muss. Deshalb sollten die Betroffenen sich wehren – in den meisten Fällen haben sie damit Erfolg. Viele Gerichtsentscheidungen sind bislang zugunsten der Geschädigten ergangen. Die genaue Beurteilung hängt aber von den Umständen des Einzelfalles ab, vor allem dem Layout und dem Wortlaut der jeweiligen Schreiben. "Wenn deutlich erkennbar war, dass es sich um eine kostenpflichtige Aktion handelt, wird es wirklich schwierig, den abgeschlossenen Vertrag anzufechten“, weiß Selka.
Katja Scherf, Justiziarin bei der Handwerkskammer zu Leipzig, hat ebenfalls viel Erfahrung mit diesen Abo-Fallen. Auch sie empfiehlt, den Vertrag wegen arglistiger Täuschung anzufechten. "Am besten sollte das mit Zugangsnachweis, etwa per Einschreiben mit Rückschein passieren.“
Die Handwerkskammern helfen
Die Handwerkskammern helfen betroffenen Betriebsinhabern und entwerfen Schreiben, mit dem sie den Vertrag wegen arglistiger Täuschung anfechten können. Auch wenn Mahnungen von Rechtsanwälten und Inkassounternehmen kommen, stehen sie ihren Mitglieder mit Rat und Tat zur Seite. Denn die unseriösen Anbieter üben oft einen starken Druck auf die Betriebe aus. "Das darf man nicht unterschätzen“, warnt Selka, Inkassobüros und Anwälte werden eingeschaltet, da knicken viele Betriebe ein und zahlen doch. Auch Scherf kennt das: "Die Schreiben kommen bevorzugt zum Wochenende und bescheren den Unternehmern schlaflose Nächte.“ Beide Expertinnen empfehlen, Ruhe zu bewahren und sich nicht einschüchtern zu lassen.
Schnell handeln bei gerichtlichen Mahnbescheiden
Schnell handeln muss allerdings, wer nicht nur eine normale Rechnung oder Mahnung, sondern einen gerichtlichen Mahnbescheid erhalten hat. Gegen diesen muss man innerhalb von zwei Wochen Widerspruch einlegen, weil er sonst ohne Prüfung der Rechtslage bestandskräftig wird. Außerdem ist es sinnvoll, Strafanzeige zu erstatten.
Im Fall von ungebetenen Telefonanrufen hat das Amtsgericht Bonn eine bemerkenswertes Urteil gefällt: Ein sogenannter Cold Call, ein Werbeanruf ohne vorherige Einwilligung des Angerufenen, führt nicht zu einem kostenpflichtigen Eintrag in ein Branchenverzeichnis! Denn der Unternehmer hat einen Schadensersatzanspruch in Höhe der Eintragungsgebühren. Grund: Sein Gewerbebetrieb wurde von dem Anrufer gestört! Also ein "Trick 17 mit Selbstveräppelung" für die Abzocker.
Für alle Ratsuchenden haben der Zentralverband des Deutschen Handwerks und der Deutsche Schutzverband gegen Wirtschaftskriminalität (DSW) eigene Informationsblätter erstellt, die gratis online als PDF heruntergeladen werden können.
Eine Liste mit einschlägig bekannten schwarzen Schafen veröffentlicht der Bundesanzeiger kostenlos im Internet.
Muster für ein Anfechtungsschreiben gegenüber Adressbuchverlagen
Sehr geehrte Damen und Herren,
wir nehmen Bezug auf Ihre Rechnung vom ....... 2016, Rechnungsnummer: ........
Ihre Forderung besteht nicht, wir werden sie nicht bezahlen.
Unabhängig davon fechten wir unsere Erklärung vom ....... zum Abschluss eines Vertrages wegen arglistiger Täuschung gem. § 123 BGB und wegen Irrtums gem. § 119 BGB an.
In Ihrem Schreiben wird nicht in der erforderlichen Deutlichkeit auf eine Kostenpflicht hingewiesen. Sie haben in wettbewerbswidriger Weise den Eindruck vermittelt, es handle sich um ein behördliches bzw. amtliches Schreiben zur Datenerfassung und nicht um ein Angebot zum Abschluss eines Vertrages.
Vor diesem Hintergrund fordern wir Sie auf, von weiteren Zahlungsaufforderungen Abstand zu nehmen. Wir behalten uns weitere rechtliche Schritte, insbesondere eine strafrechtliche Überprüfung der Angelegenheit, vor.
Höchstvorsorglich kündigen wir einen etwaig geschlossenen Vertrag mit sofortiger Wirkung.
Mit freundlichen Grüßen
............................
(Quelle: Handwerkskammer zu Leipzig)
Text:
Anne Kieserling /
handwerksblatt.de
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