Zehn arbeitsrechtliche Fragen zur Urlaubsplanung im Betrieb
Wer darf wie lange in Urlaub fahren? Haben meine Mitarbeiter Anspruch auf Urlaubsgeld? Was gilt bei Kurzarbeit? Auf diese und ähnliche Fragen müssen Unternehmer jedes Jahr erneut Antworten finden.
Dieser Artikel gehört zum Themen-Special Urlaubsplanung im Betrieb
Bald beginnen die schönsten Wochen des Jahres und alle sehnen sich nach einer Abwechslung von der langen Corona-Tristesse. Dann muss der Chef nicht nur die unterschiedlichsten Wünsche seiner Mitarbeiter unter einen Hut bringen. Er sollte für den Fall der Fälle auch in einigen juristische Feinheiten bewandert sein.
Dem Deutschen Handwerksblatt haben Dr. Nicolai Besgen, Fachanwalt für Arbeitsrecht, und Oliver Krämer, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Bonn, Rhein-Sieg, wichtige Fragen zum Urlaubsrecht beantwortet.
Wer hat Anspruch auf Urlaub?
Anspruch auf Urlaub haben alle Arbeitnehmer, auch Auszubildende. GmbH-Geschäftsführer haben keinen Anspruch; sie stehen nicht in einem Arbeitsverhältnis, sondern haben einen Geschäftsführerdienstvertrag.
Wie hoch ist der Urlaubsanspruch?
Der gesetzliche Urlaubsanspruch im Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) beträgt 24 Werktage in vier Wochen. Viele Tarifverträge und auch einzelne Arbeitsverträge sehen einen längeren Urlaub vor. Üblich sind hier 28 bis 30 Urlaubstage. Vereinbarungen, die den gesetzlichen Mindesturlaub unterschreiten, sind ungültig.
Haben Mitarbeiter Anspruch darauf, ihren Urlaub ins nächste Jahr zu übertragen?
Entgegen einer weit verbreiteten Annahme und Praxis muss der Jahresurlaub grundsätzlich im laufenden Kalenderjahr genommen werden. Das Bundesurlaubsgesetz lässt eine Übertragung in das folgende Jahr nur zu, wenn der Mitarbeiter seinen Urlaub aus dringenden betrieblichen oder persönlichen Gründen nicht nehmen konnte. Dann muss der Urlaub spätestens bis zum 31. März des Folgejahres nachgeholt werden.
Dringende betriebliche Gründe sind zum Beispiel die Ablehnung eines Urlaubsantrages wegen erhöhter Auftragslage. Persönliche Gründe sind etwa längere Krankheitszeiten. In Arbeits- und/oder Tarifverträgen können aber andere Regeln vereinbart werden. Wird der Urlaub bis zum 31. März nicht genommen, verfällt er nach der neueren Rechtsprechung nur dann, wenn der Arbeitgeber darauf vorher ausdrücklich hingewiesen und aufgefordert hatte, den Resturlaub zu nehmen. Ausnahmen gibt es auch in Fällen, wenn der Chef während der Übertragungsfristen den Urlaub dauerhaft verweigert.
Ändert sich der Urlaubsanspruch bei Kurzarbeit?
Kurzarbeit "Null"
Eine gesetzliche Regelung, wie sich der Urlaubsanspruch bei Kurzarbeit berechnet, fehlt in Deutschland. Aber weil die Arbeitnehmer während einer Kurzarbeit "Null" nicht verpflichtet sind zu arbeiten, erwerben Sie grundsätzlich nach der neuen BAG-Rechtsprechung (zu unbezahltem Sonderurlaub) auch nicht in voller Höhe ihren Jahresurlaub (Az. 9 AZR 315/17). Der Arbeitgeber darf dementsprechend von einem gekürzten Urlaubsanspruch ausgehen, ohne dies gesondert mit dem Arbeitnehmer zu vereinbaren. Die Kürzung ergibt sich allein aus der gesetzlichen Berechnungsregel für den Urlaubsanspruch in § 3 Bundesurlausbgesetz. Auch der Europäische Gerichtshof hat diese Praxis in seiner Rechtsprechung bisher nicht beanstandet (EuGH, Urteile Az. C-486/08 und C-229/11).
Der Jahresurlaub sei für jeden vollen Monat der Kurzarbeit "Null" um ein Zwölftel zu kürzen, sagt auch das Landesarbeitsgericht Düsseldorf (Urteil vom 12. März 2021, Az. 6 Sa 824/20). Da wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen wurde (dort unter Az. 9 AZR 225/21), ist es sehr wahrscheinlich, dass es das bald auch eine höchstrichterliche Klärung geben wird.
Reduzierte Arbeitszeit
Bei reduzierter Arbeit infolge von Kurzarbeit mit ungleicher Verteilung auf die Wochentage kann der Urlaubsanspruch ebenfalls gekürzt werden. Achtung: Das geht aber nur dann, wenn die Kurzarbeit dazu führt, dass ganze Arbeitstage entfallen! Bei gleichmäßiger Verteilung der Arbeit auf alle Wochenarbeitstage kommt keine Kürzung in Betracht.
Zur Bemessung des Urlaubsentgeltes (das Geld, das Arbeitnehmer während ihres Urlaubes beziehen – nicht zu verwechseln mit dem Urlaubsgeld, das es zusätzlich gibt) wird das Durchschnittsgehalt der letzten 13 Wochen vor Urlaubsantritt herangezogen. § 11 S. 3 BUrlG sagt, dass Verdienstkürzungen infolge von Kurzarbeit nicht berücksichtigt werden dürfen. Dies sieht auch der EuGH so (Az. C-385/17).
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Können Mitarbeiter auch während Krankheit Urlaubsansprüche erwerben?
Für dauerkranke Mitarbeiter gelten spezielle Regeln. Ist zum Beispiel ein Mitarbeiter im gesamtem Kalenderjahr 2020 erkrankt, verfällt der Jahresurlaub nicht schon zum Jahresende 2020 oder zum 31. März 2021, sondern erst 15 Monate später, also zum 31. März 2022 – dann aber endgültig. Diese Ausnahmen gelten aber nur für den gesetzlichen Mindesturlaub nach dem Bundesurlaubsgesetz, jedoch nicht für weitergehende Ansprüche aus Tarif- und Einzelarbeitsverträgen (siehe dritte Frage). Bei Mitarbeitern, die über mehrere Jahre erkrankt sind, sollte daher genau geprüft werden, welche Urlaubsansprüche in welchem Umfang noch bestehen.
Was gilt beim Antritt einer neuen Stelle mitten im Jahr oder bei Ausscheiden?
Mitarbeiter haben im Grundsatz Anspruch auf ein Zwölftel des Jahresurlaubs für jeden vollen Monat des Bestehens des Arbeitsverhältnisses. Im Einzelfall kann die Berechnung aber durchaus schwierig sein. War nämlich der Arbeitnehmer die ersten sechs Monate eines Kalenderjahres voll anwesend, hat er schon im siebten Monat einen Anspruch auf den vollen Jahresurlaub. Das ist selbst dann der Fall, wenn er in der zweiten Jahreshälfte – zum Beispiel Anfang Juli – ausscheidet! Dies gilt aber nur nach den Regeln des Bundesurlaubsgesetzes. In vielen Tarifverträgen ist das anders geregelt.
Haben die Mitarbeiter einen Anspruch auf Urlaubsgeld?
Anders als das Urlaubsentgeld (siehe oben), ist das Urlaubsgeld ist eine zusätzliche Vergütung wie das Weihnachtsgeld oder eine andere Gratifikation. Einen Anspruch haben Mitarbeiter darauf nur, wenn es ausdrücklich im Einzelvertrag oder im einschlägigen Tarifvertrag vereinbart ist. Wer freiwillig Urlaubsgeld zahlt, sollte darauf achten, dass keine betriebliche Übung entsteht. Bei jeder Zahlung sollte der Arbeitgeber den Mitarbeiter deshalb darauf hinweisen, dass es sich um eine freiwillige Leistung handelt und demzufolge keine Rechtsansprüche für die Zukunft bestehen.
Was gilt für Schwerbehinderte?
Schwerbehinderte Menschen haben Anspruch auf einen zusätzlichen bezahlten Urlaub von fünf Arbeitstagen im Urlaubsjahr. Bei einer Teilzeitstelle wird der Urlaubsanspruch entsprechend umgerechnet. Dieser zusätzliche Urlaub ist gesetzlich geschützt.
Welche Regelung gilt bei Elternzeit?
Für Mitarbeiter in Elternzeit kann der Urlaub nach der gesetzlichen Regelung im Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz ebenfalls anteilig gezwölftelt werden. Die Kürzung muss aber ausdrücklich vom Arbeitgeber erklärt werden! Allerdings darf nicht gekürzt werden, wenn der Mitarbeiter während der Elternzeit in Teilzeit arbeitet.
Was gilt bei Wechsel in einen Teilzeitjob?
Wer von einem Vollzeit- zu einem Teilzeitjob wechselt und seinen Urlaub noch nicht genommen hat, behält seine vorher angesammelten Urlaubstage. Der Arbeitgeber darf sie nicht kürzen. Das hat das Bundesarbeitsgericht (Az.: 9 AZR 53/14 (F)) 2015 entschieden. Es änderte damit seine Rechtsprechung und ist nun auf der Linie des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Bisher gab das BAG dem Arbeitnehmer im Jahr des Wechsels nur einen gekürzten Urlaubsanspruch, der sich allein am Teilzeitjob orientierte. Der EuGH sah in dieser Kürzung eine Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten.
Das Bundesarbeitsgericht und der Europäische Gerichtshof haben in den letzten Jahren mehrere arbeitnehmerfreundliche Entscheidungen zu Urlaubsansprüchen getroffen. Welche das sind, lesen Sie > hier
Text:
Anne Kieserling /
handwerksblatt.de
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