Urlaub verfällt nicht automatisch
Zwei Urteile des Europäischen Gerichtshofs zum Urlaubsanspruch stellen nicht nur Arbeitnehmer besser, sondern auch deren Erben. Das Bundesarbeitsgericht hat jetzt ebenso entschieden.
Dieser Artikel gehört zum Themen-Special Urlaubsplanung im Betrieb
In mehreren Verfahren hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) arbeitnehmerfreundliche Entscheidungen zu Urlaubsansprüchen getroffen. Das Bundesarbeitsgericht hat im Anschluss seine Rechtsprechung geändert.
Erstens: Kein Verfall bei fehlendem Antrag
Wer keinen Urlausantrag gestellt hat, verliert nicht zwangsläufig den Anspruch auf die Vergütung der restlichen Urlaubstage. Nach deutschem Recht erlosch bislang der Urlaub am Ende des Arbeitsjahres, falls der Arbeitnehmer keinen Urlaubsantrag gestellt hat. Der EuGH betonte, dass der Arbeitnehmer im Verhältnis zu seinem Chef die schwächere Partei sei. Deshalb könne er davon abgeschreckt werden, auf seinem Urlaubsrecht zu bestehen. Das Bundesarbeitsgericht schloss sich dem am 19. Februar 2019 an und legte das Bundesurlausbgesetz richtlinienkonform aus (Az. 9 AZR 541/15).
Arbeitgeber muss auf drohenden Urlaubsverfall hinweisen
Der Arbeitgeber muss seine Mitarbeiter auffordern, Urlaub zu nehmen und auf die Konsequenzen eines Verzichts hinweisen. Beweise der Arbeitgeber, dass der Mitarbeiter aus freien Stücken verzichtet habe, dürfe aber der Urlaubsanspruch oder eine Ausgleichszahlung verfallen.
Doch wie umfassend muss der Arbeitgeber seine Beschäftigten darauf hinweisen, dass ihre Ansprüche auf freie Tage auch verfallen können? Das Bundesarbeitsgericht meint dazu: "Verfall von Urlaub kann daher in der Regel nur eintreten, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor konkret aufgefordert hat, den Urlaub zu nehmen, und ihn klar und rechtzeitig darauf hingewiesen hat, dass der Urlaub anderenfalls mit Ablauf des Urlaubsjahres oder Übertragungszeitraums erlischt."
Der Fall wurde an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen, damit es klärt, ob der beklagte Arbeitgeber diese Bedingungen konkret erfüllt hat.
Zweitens: Urlaub ist vererbbar
Der Anspruch auf finanzielle Abgeltung nicht genommenen Urlaubs ist vererbbar. Die Erben zweier verstorbener Arbeitnehmer hatten darauf geklagt, dass deren Rest-Urlaubstage in Geld ausbezahlt würden. Sie unterlagen vor den deutschen Gerichten, siegten aber bei den Luxemburger Kollegen. Der Vergütungsanspruch für nicht genommene Urlausbtage sei vererbbar, urteilte der EuGH. Dies gelte sowohl für öffentliche als auch für private Arbeitgeber. Das Bundesarbeitsgericht hatte das bisher anders gesehen und gemeint, dass mit dem Tod der Urlaub verfalle. Aber das EU-Recht geht vor. Am 22. Januar hat das Bundesarbeitsgericht sich der Sicht der EuGH angeschlossen (Az. 9 AZR 45/16).
Europäischer Gerichtshof, Urteile vom 6. November 2018, Az. C-619/16 und C-684/16
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22. Januar 2019, Az. 9 AZR 45/16 und Urteil vom 19. Februar 2019, Az. 9 AZR 541/15
Text:
Anne Kieserling /
handwerksblatt.de
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