Mehrere Selbstständige hatten im Frühjahr 2020 jeweils 9.000 Euro Corona-Soforthilfe bekommen und sollten später 7.000 Euro an das Land NRW zurückzahlen.

Mehrere Selbstständige hatten im Frühjahr 2020 jeweils 9.000 Euro Corona-Soforthilfe bekommen und sollten später 7.000 Euro an das Land NRW zurückzahlen. (Foto: © Andrey Popov/123RF.com)

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NRW: Rückforderung der Corona-Soforthilfe 2020 war rechtswidrig

Das Oberverwaltungsgericht von NRW hat entschieden, dass die Rückforderung der Corona-Soforthilfen 2020 rechtswidrig war. Nicht benötigte Gelder darf das Land aber herausverlangen.

Das Land NRW hat bei den Corona-Soforthilfen 2020 Fehler gemacht. Deshalb hat das nordrheinwestfälische Oberverwaltungsgericht in drei Musterverfahren entschieden, dass die Bescheide, mit denen das Land Geld von den soloselbstständigen Empfängern zurückgefordert hat, aufgehoben werden müssen.

Damit schloss sich das OVG der Sicht der Vorinstanzen an. Mehrere Gerichte hatten diverse Rückforderungsbescheide von ausgezahlten Coronahilfen als ungültig beurteilt. Die Verwaltungsgerichte in Düsseldorf und Köln haben beispielsweise in mehreren Fällen entschieden, dass die Schlussbescheide mit Rückforderungen rechtswidrig waren (Verwaltungsgericht Köln, Urteile vom 16. September, Az. 16 K 125/22, 16 K 127/22, 16 K 406/22, 16 K 412/22, 16 K 499/22 und 16 K 505/22; Verwaltungsgericht Düsseldorf, Urteile vom 16. August 2022, Az.20 K 7488/20, 20 K 217/21 und 20 K 393/22). 

Die Fälle

Drei Kläger, ein Steuerberater, die Inhaberin eines Kosmetikstudios und der Betreiber eines Schnellrestaurants, hatten im Frühjahr 2020 jeweils 9.000 Euro Corona-Soforthilfe bekommen und sollten später 7.000 Euro an das Land NRW zurückzahlen. Das Land war davon ausgegangen, dass die Auszahlung nur vorläufigen Charakter hatte und verschickte später Schlussbescheide, mit denen es die jeweiligen Summen zurückforderte.

Die Landesregierung hatte bei der Auszahlung bestimmte Bedingungen festgesetzt. An diese Vorgaben hat sie sich bei der späteren Auszahlung aber nicht gehalten, sondern für die endgültigen Abrechnungen die Bedingungen geändert.

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Die Urteile

Das Oberverwaltungsgericht  (OVG) von NRW entschied nun, dass diese Rückforderungen rechtswidrig und die Bescheide deshalb aufzuheben seien.

Die Richter begründeten dies damit, dass die Soforthilfe-Empfängerinnen und -Empfänger nicht erkennen konnten, dass die Zahlungen unter dem Vorbehalt einer möglichen Rückzahlung standen, wenn die Bedigungen nicht erfüllt wurden. Der Staat habe hier freiwillige Leistungen gewährt, handwerklich seien diese aber schlecht umgesetzt worden, erklärte das Gericht. Beispielsweise stimmten die Angaben im Antrag zumindest kurzzeitig nicht mit Informationsseiten des Ministeriums überein. Es sei unklar geblieben, ob mit den Hilfen ausgefallener Umsatz, Zahlungsprobleme oder Unterhalt ersetzt werden sollte, betonte das OVG. Diese Unklarheiten und missverständlichen Formulierungen gingen zu Lasten der Landesbehörden.

Das Gericht stellte allerdings zugleich klar, dass das Land neue Schlussbescheide erlassen und überzahlte Beträge zurückfordern kann.

Wer nicht geklagt hat, bekommt nichts zurück

Die Urteile binden nur die jeweils Beteiligten, von ihnen gehen keine unmittelbaren Rechtswirkungen für andere Soforthilfe-Empfänger aus. Zur Rückzahlung von NRW-Soforthilfe 2020 sind derzeit rund 2.500 Verfahren vor den sieben Verwaltungsgerichten in NRW anhängig. Für diese Verfahren sind die OVG-Urteile jedoch richtungsweisend. Hier muss das Land laut Gericht nun einneues Abrechnungsverfahren aufsetzen. 

Keine Wirkung haben diese Urteile für die vielen Soforthilfe-Empfänger, die nicht gegen ihre Schlussabrechnungen geklagt haben. Zwar könnte das Land auch in diesen insgesamt etwa 220.000 Fällen neu abrechnen. Bislang heißt es aber, dass die Landesregierung das nicht vorhabe.

Am 14. März 2023 hat NRW für die Soforthilfe 2020 eine weitere Verlängerung der Rückzahlungsfrist bis zum 30. November 2023 beschlossen.

Laufend aktualisierte Informationen zum Rückmeldeverfahren und den Auswirkungen der Urteile erhalten Betroffene > hier.

Oberverwaltungsgericht NRW, Urteile vom 17. März 2023, Az. 4 A 1986/22 (Kosmetikstudio), 4 A 1987/22, Steuerberater), 4 A 1988/22 (Schnellrestaurant), die Revision zum Bundesverwaltungsgericht wurde nicht zugelassen.

Wieso werden genehmigte und ausgezahlte Coronahilfen zurückgefordert?

Die Auszahlung von Coronahilfen erfolgte sehr unbürokratisch und oftmals ohne große Vorprüfung der jeweiligen Anträge. Umso akribischer prüfen die zuständigen Behörden diese Anträge nun rückwirkend auf fehlerhafte Angaben. Sobald bei dieser Nachkontrolle Ungereimtheiten festgestellt werden, wird die zuvor ausgezahlte Summe teilweise oder vollständig zurückgefordert.

Wie sollte man auf Rückzahlungsbescheide reagieren?

Viele Rückzahlungsbescheide sind nicht rechtens. Daher sollte ein Unternehmer die angeforderte Zahlung nicht ohne vorherige Überprüfung veranlassen. Um keine Fristen verstreichen zu lassen, ist es allerdings wichtig, sich nach dem Erhalt eines Rückzahlungsbescheids schnellstmöglich rechtlich beraten zu lassen. Ansonsten müssen möglicherweise Verzugszinsen gezahlt werden. Wer zu lange wartet, riskiert sogar eine Zahlungsverpflichtung, obwohl sich der Rückzahlungsbescheid im Nachhinein möglicherweise als unzulässig herausstellt.

Wieso sind einige Rückzahlungsbescheide nicht rechtens?

Generell gilt: Wer einen berechtigten Anspruch auf die Auszahlung von Coronahilfen hatte, den jeweiligen Antrag korrekt ausgefüllt und das erhaltene Geld im dafür vorgesehenen Zeitraum entsprechend des Förderungszwecks genutzt hat, muss einer Rückforderung nicht nachkommen. In solchen Fällen basieren Rückforderungsbescheide oft nur auf Missverständnissen, die mit einem kurzen Schriftwechsel aufgeklärt werden können.

Manchmal ist es aber auch nötig, weitere juristische Schritte einzuleiten. Beispielsweise können einige Coronahilfen schon allein deshalb nicht zurückgefordert werden, weil diese zum Zeitpunkt der Auszahlung als nicht rückzahlbar deklariert wurden. In diesen Fällen konnten die Zahlungsempfänger also gar nicht wissen, dass das erhaltene Geld zu einem späteren Zeitpunkt möglicherweise zurückgezahlt werden muss. Dennoch lassen es die verantwortlichen Behörden in solchen Fällen erfahrungsgemäß auf ein Gerichtsverfahren ankommen.

Grundsätzlich ist es aber auch in weniger eindeutigen Fällen möglich, erfolgreich gegen einen Rückzahlungsbescheid vorzugehen, obwohl erhaltene Gelder beispielsweise auch für private Zwecke oder erst nach dem dafür vorgesehenen Zeitraum ausgegeben haben. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn dieses geplante Ausgabeverhalten im genehmigten Antrag exakt so kommuniziert wurde. Daher sollten Rückzahlungsbescheide unbedingt überprüft werden, bevor die Zahlung vorgenommen wird.

Wie können sich Unternehmen und Solo-Selbstständige gegen unzulässige Rückzahlungsbescheide wehren?

Betroffene Unternehmen und Solo-Selbstständige sollten ihre Ansprüche von einer spezialisierten Rechtsanwaltskanzlei prüfen lassen und gegebenenfall zunächst Widerspruch gegen den Bescheid einlegen. Dadurch ist es möglich, sich etwas Zeit zu verschaffen und der verantwortlichen Behörde zu übermitteln, weshalb der jeweilige Bescheid nicht rechtens ist. Sollte die Behörde dieser Argumentation nicht folgen, ist es unter Umständen nötig, den Bescheid vor Gericht anzufechten. Dann muss das verantwortliche Verwaltungsgericht die Sachlage bewerten.

Können Rückforderungsbescheide auch angefochten werden, wenn sie bereits beglichen wurden?

Wer die Rechtmäßigkeit eines Rückzahlungsbescheids anzweifelt, sollte diesen auch nicht begleichen. Dennoch besteht auch nach einer bereits erfolgten Zahlung die Option, gegen den jeweiligen Bescheid vorzugehen und das bereits gezahlte Geld zurückzufordern. Allerdings müssen hier bestimmte Fristen eingehalten werden, die sich von Bundesland zu Bundesland unterscheiden können.

Was passiert, wenn Solo-Selbstständige oder Unternehmen gar nicht auf einen Rückforderungsbescheid reagieren?

Mit Zustellung des Rückforderungsbescheides laufen verschiedene Fristen, die unbedingt beachtet werden müssen. Wird nicht rechtzeitig Widerspruch gegen einen Bescheid eingelegt, muss der Rückforderungsbetrag möglicherweise bezahlt werden, obwohl sich dieser im Nachhinein als unberechtigte Forderung herausstellt. Unter anderem deshalb sollten Solo-Selbstständige und Unternehmen entsprechende Bescheide keinesfalls ignorieren.

Quelle: Rechtsanwaltskanzlei Goldenstein 

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Text: / handwerksblatt.de

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