Essgeschichten aus Lothringen
Nicht nur Madeleines, Mirabellen, Wein und Bier sind Lothringens Genussbotschafter. Auch eine Menge Herzhaftes hat die Region zu bieten. Oftmals verbunden mit amüsanten Anekdoten.
Kristallglas und die Ortschaft Baccarat gehören zusammen. Auch die "Pâté Lorrain" hat ihren Ursprung hier. Es ist die älteste nachgewiesene Lothringer Spezialität. Das Gericht wird bereits im ersten "Viandier" aus dem 14. Jahrhundert erwähnt. Ein Kochbuch, das Guillaume Tirel zugeschrieben wird. Als Koch der Könige Karl V. und Karl VI. gilt seine Rezeptsammlung als Referenz für die mittelalterliche Küche Frankreichs. Die Pastete wird aus Schweinenacken und Kalbsnuss hergestellt. Dafür wird das Fleisch am Vorabend mit Wein, Zwiebeln, Schalotten und Gewürzen mariniert und am nächsten Tag in Blätterteig gewickelt und gebacken. Es gibt verschiedene Formen. Von länglich über rund wie ein Kuchen oder als Mini-Pastetchen. Als Vesperbrot, zum Picknick oder auch als Vorspeise mit Salat schmeckt sie hervorragend. Dazu einen Gris-de-Toul-Wein und Lothringen ist der Star der Mahlzeit. Hier geht’s zum Rezept.
Quiche Lorraine – der regionale Genussbotschafter Lothringens
Der Lothringer Speckkuchen ist wohl der bekannteste Vertreter der regionalen Küche. Mit einem Lothringer Bier ist er ein Gedicht. Das Wort "Quiche" weist auch auf die germanischen Wurzeln hin. Denn das Wort wurde Mitte des 19. Jahrhunderts vom fränkisch-lothringischen Begriff "Kichel" oder "Kuechel" abgeleitet und verbreitete sich danach in ganz Frankreich. Angeblich wurde einst ein Brotteig verwendet. Irgendwann wurde die Quiche aus einem herzhaften Mürbeteig zubreietet. Gerösteter Speck, Eier, Créme fraîche sowie Pfeffer und manchmal auch Muskat kommen in den Teig, bevor alles ab in den Ofen geht. Entgegen vieler Meinungen ist im Original kein Käse enthalten. In Lothringen kauft man die Quiche Lorraine vor allem in Bäckereien. Das Maison Gwidzak in Nancy wurde für seine Quiche mehrfach ausgezeichnet. Auch die von "Mauricette" in der Markthalle von Metz ist legendär, während einige Interpretationen auch in der "Haute Cuisine" zu finden sind. Wie zum Beispiel die "déstructurée-Variante" vom Michelin-Koch Christophe Dufossé im Le Magasin aux Vivres in Metz. Ob Original oder Variation, um Lothringen nach Hause zu holen, gibt es hier das Rezept.
An der Maas gedeihen Trüffel
Dem Stadtvogt von Nancy, Pascal Marcol, blieb am 8. März 1699 fast das Essen im Hals stecken. Das Festmahl des Stadtrats von Nancy für die herzogliche Familie schätzte er nämlich auf 800 Livres. Die Summe war jedoch nicht den Maas-Trüffeln geschuldet, von denen das Pfund damals nur 5 Livres kosteten. Die Anekdote belegt aber, dass Trüffel in der Region schon lange beheimatet sind. Im 19. Jahrhundert war Lothringen daher auch die Drehscheibe des Trüffelhandels. Die Departements Meurthe-et-Moselle sowie Meuse produzierten etwa 8 Tonnen pro Jahr. Vor allem die Herbstvarianten Burgunder- und Gekrösetrüffel gedeihen hier ausgiebig. Die Perigord-Trüffel dagegen ist schwer in freier Natur zu finden, aber als Kultivierung gedeiht auch die teurere Knolle wieder. Typisch für die Maas ist die Gekrösetrüffel oder auch Tuber mesentericum genannt. Mitte des 20. wurde sie nur verzehrt, wenn die Kartoffeln ausgingen. Seit einiger Zeit erlebt diese Trüffelvariante ein Revival. Im Maison des truffes et de la trufficulture in Boncourt-sur-Meuse erfährt man alles über die Trüffelproduktion. Im Herbst gibt es zudem Trüffelmärkte. Bedeutend, der Markt in Pont-à-Mousson in der Abbaye des Prémontrés statt. Die passenden Rot- und Weißweine aus der Region findet man gleich im Ort.
Fuseau oder Ahle Worscht auf lothringisch
Im 17. Jahrhundert bestand die schon damals bekannte Trockenwurst aus Schwein, Rind und Gewürzen. Im 19. Jahrhundert ersetzte man Gewürze durch Schalotten, Zwiebeln und Knoblauch. Es dauerte aber bis 1913 bis es eine klare Definition für den Lotringer Fuseau gab. Der Lothringer Edmond Richardin, bekannter Gastrokritiker und Kochbuchautor, lieferte dafür ein altes Rezept: mageres, gepöckeltes Schweinefleisch, Pfeffer, Salz, Schalotten, Muskatnuss, Lorbeer, Thymian, Nelken und Petersilie werden zwei Tage im Rotwein eingelegt. Danach wird die Wurst sechs Tage lang getrocknet. Danach drei weitere drei Wochen mit Wacholderspähnen geräuchert. Entsprechend den Vorlieben der Konsumenten und Tricks der Metzger gibt es mittlerweile verschiedene Versionen auf Basis des Grundrezeptes. Bei einer lothringischen Brotzeit darf der Fuseau keinesfalls fehlen. Dazu ein Auxerrois aus den Côtes de Toul, den Côtes de Meuse oder aus der Mosel und die Vesper ist perfekt.
Der Käsekrieg
In sieben Ortschaften, darunter Meaux, wird im Departement Seine-et-Marne seit Jahrhunderten Brie hergestellt. Ein Beweis dafür findet sich in der Buchhaltung der Gräfing der Champagne aus dem 1217. Sie versendete 200 Bries an den französischen König. Sechs Jahrhunderte später streiten sich Talleyrand und der Fürst von Metternich im Verlauf des Wiener Kongresses, ob Brie oder bayerischer Blauschimmelkäse schmackhafter sei. Natrülich gewinnt der Brie das Rennen. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts gerät die Produktion in die Krise. Viehfutter wird durch Getreide und Zuckerrüben ersetzt. Zudem lassen Produzenten aus Seine-et-Marne Milch aus Paris anliefern. Meaux, Zentrum des Bries bezieht hingegen Weidemilch aus dem Departement Meuse in Lothringen.
Ein echter Lothringer
1980 wird die kontrollierte Herkunftsbezeichnung eingeführt, die neben Seine-et-Marne auch die Meuse miteinbezieht. Heute produzieren drei Käsereien in der Meuse siebzig Prozent der gesamten Produktion. Also, eigentlich ist der Brie ein Lothringer und müsste das Prädikat "de Meuse" tragen statt "de Meaux". Eine weitere Käsespezialität ist der Munster. Mit dem Namen Munster Géromé wird die Herkunft auf die lothringische Vogesenseite klar abgrenzt. Übrigens schmeckt zu Brie ein Sekt der Côtes de Meuse, der einen prickelnden und cremigem Ausgleich schafft. Zum Munster empfiehlt sich hingegen ein Crillon des Vosges – ein Rhabarberwein aus den Vogesen.
Weitere Spezialitäten und Adressen hier. Mehr Informationen über Lothringen hier: Tourismus Lothringen.
Text:
Tim Adrian /
handwerksblatt.de
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