Ein Bolleke, was sonst?
Antwerpen, die Metropole an der Schelde, glänzt mit einem reichhaltigen Bier-Angebot und ist immer eine Reise wert.
BPF – Die drei Buchstaben stehen nicht für eine neue Partei oder eine neue Tankstellenkette. Sie stehen für drei typisch belgische Gaumenschmeichler, die jeder kennt und die fast alle mögen: Bier, Pralinen, Fritten. Und gerade beim Bier bietet unser geschmackstarker Nachbar im Westen eine Angebotsvielfalt, die ihresgleichen sucht. Schauen wir uns um. Zum Beispiel in Antwerpen.
In Europas zweitgrößter Hafen-, Einkaufs-, Rubens-, Diamanten- und Bierstadt trinkt Mann, Frau auch, ein Bolleke. Oder auch zwei, drei ... Bolleke ist keine neue belgische Biersorte, sondern eine bauchige Glasform (0,25 l), die hier jeder kennt. Einmal im Jahr, immer im August, trägt sogar ein ganzes Festival seinen Namen: Bollekes Feest!
Eine neue Biererlebniswelt mit interaktivem Museum
Foto: © Alexander Richter Man bestellt in einer der zahlreichen Bierkneipen einfach ein Bolleke und bekommt ein süffiges, malziges Bier der lokalen Brauerei "De Koninck". Die braut seit 1883 obergärige Biere (auch Kölsch und Alt sind im Gegensatz zum Pils obergärig) und ist für die Region der bierige Platzhirsch. Gerade erst eröffnet hat die Brauerei mitten in der Stadt ihre Biererlebniswelt, eine Art interaktives Museum mit starkem Handwerksbezug. Ein Chocolatier lässt sich bei seiner filigranen Arbeit über die Schulter schauen, dazu bieten ein Metzger, ein Käser, ein Bäcker ihre Köstlichkeiten an, die sie vor Ort produzieren. Ein bislang einmaliges Experiment mit verschiedenen Handwerksberufen. Für den Museumsbesucher, der viel Flüssiges zu sich nimmt, auch die Gelegenheit, seinem Magen mal was Festes zu gönnen. Oder zu müssen ...
Kein duales Ausbildungssystem
Foto: © Alexander Richter In ganz Belgien stellen um die 160 Brauereien rund 1100 verschiedene Biere her. Viele der Brauer sind kleine Handwerker, die mit Herz und Seele bei der Arbeit sind und qualitativ Maßstäbe setzen. Die Ausbildung zum Brauer läuft etwas anders als in Deutschland wie Bier-Experte Hans Bombeke erklärt: "Die Brauausbildung findet an der Uni zum Ingenieur Biochemie statt sowie an zwei Abendschulen." Das duale System aus Deutschland kennt Belgien nicht.
Viele der Brauereien haben eine große Vergangenheit, wurden gegründet, als es das kleine EU-Land an der Nordsee in den heutigen Grenzen noch gar nicht gab. Etwa die Brauerei De Hoorn in Leuven, die seit 1366 braut, später aber vom größten Bierkonzern der Welt, AB Inbev, geschluckt wurde, zudem auch deutsche Biere wie Becks, Löwenbräu oder Diebels Alt gehören.
Jedes dritte Bier weltweit kommt von AB Inbev
Der belgisch-brasilianische Bierriese, der hauptsächlich Produkte für den Massengeschmack braut, schluckt seinerseits gerade für kolportierte 100 Milliarden US Dollar die Nr. 2 der internationalen Bierwelt, SAB Miller. Was bedeutet: Jedes dritte Bier weltweit ist künftig ein Bier-Riesen-Produkt, das in Buenos Aires genauso schmeckt wie in Kapstadt oder New York.
Wie gut, dass es da in Belgien (auch in Deutschland natürlich) noch viele kleine Brauer gibt, die dem Einheitsgeschmack kreative Vielfalt entgegen setzen. Die wichtigsten "Kleinbrauer" haben sich zur Kooperation der "Belgian Family Brewers" zusammengetan, um sich gegen den Zugriff der internationalen Bierkraken zu schützen. Die Biere, die sie anbieten, passen exzellent in jedes Gastronomie- oder Biershop-Portfolio: Da sind hochprozentige Rachenputzer um die 10 Prozent Alkohol ebenso vertreten wie geschmackvolle Gerstensäfte für den gehobenen Biergeschmack.
Kneipentour durch Antwerpen
Foto: © Alexader Richter Wer Antwerpen besucht, muss sich also unbedingt aufmachen zu einer Kneipentour. Die könnte starten in "Het elfte Gebot", der optisch wahrscheinlich schrill-schrägsten Kneipe der Stadt. Leckere Biere gibt’s hier sozusagen als Schau-Dich-um-Begleiter im sakralen Kitschambiente. Beachtlich auch das Angebot in der "Bier Central": 20 Biere kommen hier vom Fass, 300 aus der Flasche. Die Hausbrauerei "t Pakhuis" überzeugt mit drei eigenen Bieren in einer offenen Braugaststätte. 2016 zum 20jährigen Bestehen soll auf alle Fälle ein Pakhuis-Festbier an den Hahn kommen.
"T‘ Waagstuk" ist das Bierreich von Alex aus Utah/USA und Peter aus Antwerpen. Das nette Biercafe der beiden Bierfreaks hat immer über 100 Biere präsent, darunter als Spezialität das dunkle und alkoholstarke Hausbier "Zeppelin". Der gemütliche Innenhof mit kleinem Biergarten hat Sommermärchen-Qualität. Und dann ist da noch das Seef, ein traditionelles Bier aus der Region, dessen Rezept jüngst Johan Van Dyck wiederentdeckt hat. Johan lässt Seef jetzt nach alter Rezeptur brauen und eröffnet demnächst seine eigene Brauerei. Und das wäre dann die brauende Nr. 3 der Stadt.
Fazit: Antwerpen, die alte Olympiastadt von 1920, ist immer eine Reise wert: auf ein Bolleke (oder auch zwei) an die Schelde – proost!
Weitere Infos: Flandern Tourismus
Text:
Alexander Richter /
handwerksblatt.de
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