Als die Brötchen mit der Kutsche kamen
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) hat aufgeräumt. Ein bislang archiviertes Schätzchen erzählt jetzt seine Bäckergeschichte.
Im Depot der meisten Museen befinden sich oft Schätze, die aus unterschiedlichen Gründen selten oder nie ausgestellt werden. Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) holt jetzt einige dieser Schätze ans Tageslicht und gibt Einblicke an Orte, die Besuchern sonst verborgen bleiben, zum Beispiel in das Depot des LWL-Freilichtmuseums in Hagen. Sammlungsleiter Sebastian Hamburger machte dabei eine interessante Entdeckung aus dem Bäckerhandwerk.
Alter Bäckerwagen aus den 1920ern
Wie kam das Brötchen zum Kunden? Während es heute in den Innenstädten zum Glück zahlreiche Bäckereien gibt, bot vor etwa 100 Jahren meist nur ein Bäcker im Dorf eine eher beschränkte Auswahl an. In der rund 40.000 Objekte umfassenden Sammlung des LWL-Freilichtmuseums Hagen befindet sich ein Bäckerwagen aus den 1920er Jahren. Ein Bäcker lieferte ab 1926 damit seine Backwaren in die nähere Umgebung aus. "Wenn das nicht mal ein verborgener Schatz ist", sagt Sebastian Hamburger und macht auf einige interessante Details an dem Wagen aufmerksam.
Zeitzeuge konservatorisch bearbeitet
Der Pferdewagen mit dem Fach für Backwaren befand sich ursprünglich im Besitz einer Iserlohner Familie. Sie betrieb eine Landwirtschaft mit angeschlossener Gastwirtschaft. Einmal in der Woche wurde gebacken. Die seitlich aufgebrachte Aufschrift "Friedrick Stock Bräke" gibt Auskunft über den ursprünglichen Besitzer des Wagens. Mit Beginn der Auto-Ära wurde die Auslieferung mit dem Pferdewagen eingestellt. Ende der 1970er Jahre wechselte die Kutsche den Besitzer. Ein Sammler, der das Gefährt für die Nachwelt erhielt. 2018 landet der ehemalige Bäckerwagen im Depot des LWL-Museums. Zuvor wurde es konservatorisch bearbeitet. Dazu gehörte auch eine Behandlung in einer Thermokammer bei 55 Grad Celsius, um das Objekt von holzzerstörenden Insekten, wie zum Beispiel dem Bockkäfer, zu befreien", berichtet der Magazinverwalter Frank Brüggendick.
Frisches Backwerk bis heute beliebt
Bei der Begutachtung fielen ihm und dem Sammlungsleiter zwei interessante Details auf: "An dem Wagenrad befindet sich eine Spindelbremse, die mit einer Kurbel bedient wurde", so der 36-jährige Historiker. "Quasi ein Vorläufer der industriell hergestellten Bremsen, die wir heute in den Autos finden", betont er diese erstaunliche Tatsache. "Allerdings wurde diese Bremse nicht angezogen, sondern gekurbelt, um das Hinterrad zu blockieren und ein Wegrollen des Wagens zu verhindern."
Ein weiteres interessantes Detail an dem Wagen sei eine Halterung für eine Lampe, die in der Regel mit einer Kerze bestückt war. "Hinter der Flamme war ein Reflektor oder Spiegel angebracht, der das Licht bündelte und nach vorne lenkte, um auch in Dunkelheit fahren zu können", erklärt Hamburger. So konnte die Lieferung bereits vor Sonnenaufgang beginnen und die Kundschaft sich über frisches Brot und Brötchen freuen.
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Text:
Brigitte Klefisch /
handwerksblatt.de
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