Alpine A110 S: Pures Adrenalin
Vor gut drei Jahren holte Renault seine kleine, aber feine Sportwagenmarke Alpine wieder zurück ins Leben. Im Test: das Topmodell A110 S.
Eingefleischte Fans kennen die legendäre Sportwagenschmiede Alpine wahrscheinlich noch. Vor allem ein Modell dürfte herbei noch in guter Erinnerung sein: die A110. Die ultraflache Alpine A110 war für damalige Verhältnisse ein richtiges Geschoss: Mit einer Leistung zwischen 92 und 138 PS galt die A110 als eine kraftstrotzende Fahrmaschine, vor allem aber auch wegen ihrer leichten Kunststoffkarosserie. Die Alpine A110 wog gerade einmal nur 750 Kilogramm und war zwischen 1960 und 1970 ein französischer Porsche-Schreck. Ihrer Konkurrenz fuhr sie einfach auf und davon.
Die legendäre Alpine feierte große Erfolge im Motorsport
Aber auch im Motorsport sorgte die kleine Alpine A110 für Furore. Sie siegte mehrfach bei der berühmten Rallye Monte Carlo und holte sich 1971 und 1973 zweimal den Titel in der Rallye-Weltmeisterschaft. Aufgrund ihrer extrem flachen Formgebung wurde die alte Alpine von ihren Verehrern liebevoll als Flunder bezeichnet, wenn auch das teils kritische Fahrverhalten immer einen erfahrenen Könner hinterm Lenkrad erforderte.
Die Nachfolgemodelle A310 und V6 Turbo waren zwar einfacher beherrschbar, konnten aber nie so richtig an die großen Erfolge der A110 anknüpfen. Als 1995 das letzte Modell, eine A610 Turbo, im französischen Dieppe vom Band rollte, besiegelte Renault das Ende der Marke. Somit verschwand auch der Name Alpine spurlos aus der automobilen Welt.
Auch die neue Alpine ist ein Traum, aber nicht günstig
Die Topversion A110 S leistet stramme 292 PS. Foto: © RenaultMit der Neuauflage der Alpine A110 folgte dann 2017 das Comeback. Mit den typischen Doppelscheinwerfern trägt das neue Modell die bekannten Alpine-Gene. Die A110 übernimmt Retroelemente ihres legendären Vorgängers und interpretiert sie geschickt ins Moderne. Dabei präsentiert sie sich ebenfalls extrem flach und höchst puristisch.
Im Vergleich zu ihrem Urahn erweist sich die gefahrene Topversion A110 S zudem als vollkommen alltagstauglich. Verschwunden sind außerdem die Zicken-Allüren von einst. Selbst im Grenzbereich verhält sich die neue Alpine noch gut kontrollierbar und bleibt stets berechenbar. Bei der Preisgestaltung gibt sich die Renault-Tochter Alpine hingegen durchaus selbstbewusst. Die 292 PS starke Topversion A110 S kostet inklusive Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe 57.550 Euro (alle Preise netto). Einen vergleichbareren Porsche Cayman mit 300 PS und PDK gibt es dagegen schon bei verhältnismäßigen günstigen 49.750 Euro. Doch ist der Cayman bei weitem nicht so exklusiv wie die Französin. Man findet einen Porsche quasi an jeder zweiten Straßenecke, eine Alpine dagegen nicht.
Ein Leichtgewicht mit fest zupackenden Schalensitzen
Ein geringes Gewicht sorgt für hervorragende Fahrleistungen sowie einer Menge Fahrspaß. Foto: © RenaultMit ihren puristischen Sportwagen-Eigenschaften zieht die A110 einen weiteren Trumpf aus ihrem Ärmel. Während andere Sportwagen immer fetter werden, wurde die Alpine auf eine strikte Diät gesetzt. Schon bei ihrer Entwicklung purzelten nur so die Kilos. Die gerade einmal 1,24 Meter flache Karosserie besteht komplett genauso wie das Fahrwerk aus Aluminium. Daher wiegt die Alpine gerade einmal nur 1189 kg und ist ein Leichtgewicht. Das sind beste Grundvoraussetzungen für eine sehr hohe Agilität. Ein Porsche Cayman bringt mal eben 221 Kilo mehr auf die Waage, unter Sportwagen-Enthusiasten sind dies fast schon Welten.
Die Alpine bringt alles mit, was ein waschechter Sportwagen braucht. Das spürt man schon auf den ersten Kilometern und ganz besonders auf kurvenreichen Landstraßen. Hier fühlt sie sich am wohlsten, lenkt höchst präzise ein und giert förmlich schon nach der nächsten Biegung. Zur Kurvenhatz passend empfehlen sich die optional erhältlichen Sabelt-Rennsitze, die ihre zwei Insassen in der Alpine ähnlich fest in die Zange nehmen wie ein Schraubstock. Dank dem gut konturierten Mobiliar ist die Sitzposition für den Fahrer ordentlich, auf eine geeignete Lehnenverstellung wurde allerdings verzichtet. Dann wäre alles am griffigen Lenkrad optimal. Aber vielleicht wurde die Verstellmöglichkeit auch aus Gewichtsgründen einfach weggelassen.
Stramme 292 PS für das Topmodell, enge Kurven sind ihr Metier
Im Alpine-Cockpit geht es puristisch zu. Foto: © RenaultIm Unterschied zur Basis-Alpine verfügt die getestete A110 S mit ihren 292 PS über 40 PS mehr Leistung. Hinzu kommen erlesene Zutaten wie ein strafferes Sportfahrwerk und eine noch direktere Lenkung. Zudem verfügt die Topversion über eine Sport-Auspuffanlage mit Klappenmodus, sowie größere Bremsen mit Vier-Kolben-Festsätteln vorne. Weitere Details sind bei der A110 S die speziellen "GT-Race"-Alu-Räder bis hin zu den orangefarbenen Kontrastnähten im Innenraum am Cockpit, der Mittelkonsole sowie den Türverkleidungen. Darüber hinaus lässt sich die ohnehin schon leichte Alpine mit einem noch leichteren Carbondach personalisieren, welches für 2.000 Euro erhältlich ist.
Die Französin bereitet einen riesigen Fahrspaß. Schnelle Autobahnpassagen mag die Alpine A110 S sehr, doch enge Serpentinen liebt sie spürbar mehr und zaubert ihrem Fahrer ein dauerbreites Grinsen ins Gesicht. Gleiches gilt für den 1,8-Liter-Mittelmotor-Turbo direkt hinter den Sitzen. Der Vierzylinder bellt und faucht wie ein wildes Tier und hängt überaus lebendig am Gas. Überhaupt hat der kräftige Turbo mit dem geringen Gewicht der Alpine ein leichtes Spiel. Er schießt die A110 S innerhalb von nur 4,4 Sekunden von Null auf Hundert und presst die flache Französin vehement nach vorne und wenn es sein muss bis auf eine Höchstgeschwindigkeit von 260 km/h. Geschaltet wird die Alpine über Aluminium-Wippen hinter dem Lenkrad. Die Gangwechsel erfolgen blitzschnell. Somit zeigt die A110 S selbst deutlich stärkeren Wettbewerben keck ihre schmalen LED-Rücklichter.
Steht der Fahrmodus-Schalter auf Sport oder Track, spannt die dynamische Alpine nochmals ihre Muskeln. Das Gaspedal reagiert noch lustvoller, während die Gänge noch schärfer ausgedreht werden. Gleichzeitig verändern die Anzeigen im Kombidisplay ihr Layout. Das feinfühlig regelnde ESP nimmt sich dagegen zurück und lässt leichte Drifts zu. Selbst dann benimmt sich die handliche Alpine noch einfach beherrschbar. Natürlich lasst sich der elektronische Helfer auch komplett abschalten, doch sollte dies natürlich nur auf einem abgesperrten Terrain wie einer Rennstrecke durchgeführt werden. Nicht aber auf öffentlichen Straßen.
Live-Daten direkt auf den Bildschirm
Über den Touchscreen-Monitor lassen sich auch Daten zum Ladedruck oder den G-Kräften abrufen. Foto: © RenaultWer will, kann sich beim Ausstoben zudem alle relevanten Parameter auf dem Multimedia-Bildschirm in Echtzeit anzeigen lassen. Dazu zählen neben dem Ladedruck oder etwa dem Drehmoment auch Leistungsdaten zur Beschleunigung bis hin zu den auftretenden G-Kräften bei forscher Gangart. Eigentlich eine gute Sache, die Bedienung auf der viel zu kleinen virtuellen Tastatur und die verwirrende Menüstruktur verderben einem jedoch den Spaß. Doch einzig in diesem Punkt sollte Alpine noch nachbessern, ansonsten leistet sich die A110 S keine Schnitzer. Und dass der Kofferraum des Mittelmotor-Sportlers nur 196 Liter (vorne: 96 l; hinten: 100 l) an Gepäck mitnimmt, sei geschenkt. Für den Schwertransport nutzen Handwerker ja schließlich auch eher selten einen Kombi oder SUV. Sondern eher einen Kastenwagen.
Klar auch: Der angegebene Durchschnittsverbrauch von exakt sieben Litern lässt sich mit der A110 S nur schwer einhalten. Dazu ist die Verführung einfach zu groß. Wer es so richtig krachen lässt, sollte in der Praxis knapp drei Liter mehr einkalkulieren. Die Alpine ist zwar in der Anschaffung nicht günstig, doch allein schon vom Fahrspaß jeden Cent wert. Sportlich ambitionierte Handwerker, die mal eben 57.550 Euro übrighaben, erhalten mit der Alpine A110 zudem einen besonders exklusiven Zweisitzer. Daher lautet das abschließende Fazit: kaufen.
Text:
Guido Borck /
handwerksblatt.de
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