NRW-Handwerk: "Politik muss weiter entschlossen handeln"
Das nordrhein-westfälische Handwerk appelliert an die Politik, weiter entschieden zu handeln, um in der Corona-Krise weiteren Schaden vom Handwerk abzuwenden.
Das NRW-Handwerk setzt sich für weitere Unterstützungsmaßnahmen der Politik ein, um den Bestand möglichst vieler Betriebe im Land zu sichern. Die Betriebsberater des Handwerk schulterten in diesen Tagen eine Herkulesaufgabe – mit vielen kleinen und großen Erfolgen. "Noch nie war die wirtschaftliche Selbstverwaltung wichtiger und wertvoller als in diesem Augenblick", so die Vorstandsspitze von Handwerk.NRW.
Krise bestmöglich abfedern
"Wir müssen in diesen Tagen und Wochen die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der Krise bestmöglich abfedern." Es gelte sowohl die wirtschaftlichen als auch die sozialen Strukturen nicht dauerhaft zu beschädigen. Wichtig sei das besonders für die kleinen und mittelständischen Strukturen sowie die Infrastruktur der beruflichen Bildung.
Damit weiterer Schaden vom Handwerk abgewendet werden kann, fordert es von der Politik weiterhin entschlossenes Handeln und empfiehlt folgende Maßnahmen:
1. Soforthilfe und Beratung leisten
Es sei wichtig, dass besonders die kleinen und mittleren Betriebe von staatlichen Zuschüssen als Soforthilfe profitieren können. So könne die Politik den Bestand tausender Betriebe, besonders der Soloselbständigen, für den Augenblick sichern. "Wir unterstützen die für die Auszahlung zuständigen Bezirksregierungen bestmöglich durch die organisationseigenen Beratungsstrukturen." Das Handwerk begrüßt, dass Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) zugesagt hat, die Antragsfrist für die Soforthilfen von Ende April auf Ende Mai zu verlängern.
2. Weitere Maßnahmen zur Liquiditätssicherung einleiten
Es sei wichtig und gut, dass inzwischen ein vielfältiges Instrumentarium zur Verfügung steht, um den gefährdeten Betrieben einen besseren Zugang zu Krediten, Bürgschaften, Kapitalbeteiligungen und Darlehen zu ermöglichen. Auch die Erleichterungen zur Stundung von Steuern und zur Anpassung von Steuervorauszahlungen seien positiv. Derzeit berichten viele Betriebe noch über Verzögerungen, Probleme und ungünstige Konditionen bei der Kreditvergabe. "Wir setzen darauf, dass alle Finanzmarktakteure an einem Strang ziehen, um die Finanzierungskosten der Betriebe in dieser Situation so gering wie möglich zu halten."
Die Politik sollte weitere Optionen im Blick haben, die zum Teil auch auf lange Sicht zur Robustheit und Liquidität der Betriebe beitragen:
- Rückzahlung von Steuern (Einkommensteuer, Umsatzsteuer, Gewerbesteuer) durch Verlustvortrag oder negative Gewinnsteuer
- Rückzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen
- Rückverlegung der Fälligkeit von Sozialversicherungsbeiträgen
- Abbau von krisenverschärfender Bankenregulierung im Sinne der Arbeit der Banken Task Force auf Landesebene zur dauerhaften Verbesserung und Flexibilität der Mittelstandsfinanzierung
- Volle Ausschöpfung der von den Förderbanken angebotenen Besicherungsmöglichkeiten durch die Hausbanken, um Finanzierungskosten für die Betriebe möglichst niedrig zu halten
- Umwandlung von Hausbankenkrediten zu Förderkrediten
- Verschlankung und Vereinfachung von Kreditwürdigkeitsprüfungen
- Vollständige Risikoübernahme durch Förderbanken für KMU nach Schweizer Vorbild
3. Kriseninstrumente nachjustieren
Viele Instrumente, auf die wir zur Bewältigung der Krise zurückgreifen müssen, sind bereits flexibilisiert worden und kommen aus Sicht der NRW-Handwerks erfolgreich zum Einsatz. Es gibt allerdings auch Punkte, an denen es hakt und an denen die Regeln neu justiert werden müssten, nämlich für:
- Kurzarbeitergeld: Einbeziehung von geringfügig Beschäftigten
- Infektionsschutzgesetz: Erweiterung des Entschädigungsanspruchs bei vollständigen Betriebsschließungen über die Lohnkosten hinaus
- Insolvenzrecht: Lockerung der Antragspflichten und bei Anfechtungsgründen
4. Berufliche Bildung sichern
Aktuelle InformationenIn unserem Themen-Special zur Corona-Krise finden sie laufend aktualisierte Informationen für Ihren Betrieb.Neben den Unternehmen müsste auch die berufliche Bildungsstruktur gesichert werden. Ausbildungen und Fortbildungen müssten zu Ende geführt werden können, Prüfungen abgelegt und die Bildungsträger in ihrer Existenz gesichert werden. Auf folgende Punkte komme es dabei an:
- Auffanglösungen für Auszubildende, deren Ausbildung möglicherweise durch Insolvenz des Ausbildungsbetriebs nicht weitergeführt werden können
- Rettungsschirm für die Berufsbildungszentren des Handwerks durch Stabilisierung der Förderung nach Maßgabe der Kennziffern des Heinz-Piest-Instituts
- Kurzfristige Auftragsvergaben der öffentlichen Hand, um leere Auftragsbücher zu vermeiden und so auch den Abschluss von Ausbildungsverträgen für 2020 zu befördern
- Schrittweise Wiederaufnahme von Prüfungen
5. Licht am Ende des Tunnels zeigen: Corona-Aufträge jetzt
Niemand wisse, wie lange die einschneidenden Maßnahmen zur Eindämmung des Virus andauern müssen. "Wir müssen den Menschen Zuversicht geben. Wir müssen Schritt für Schritt Wege zur Normalisierung aufzeigen", so das NRW-Handwerk. Wichtig seien hier Impulse durch öffentliche Auftragsvergabe. Das Handwerk schlägt vor, dass die öffentliche Hand "Corona-Sonderaufträge" jetzt schnell vergibt. Die vielfach leer stehende öffentliche Infrastruktur könne so durch gezielte Beauftragung des Handwerks wieder fit gemacht werden. Weitere Impulse wären:
- Beschleunigung der Rechnungsbegleichung durch öffentliche Auftraggeber wie BLB und Kommunen
- Begleichung von Rechnungen zu 80 Prozent vor Prüfung
- Erhöhung des Auftragsvolumens
- Abbau von vergaberechtlichen und haushaltsrechtlichen Hemmnissen
- Abbau von planerischen Engpässen für die Auftragsvergabe
- Schnelle Erteilung von Baugenehmigungen durch Stärkung der Planungskapazitäten
- Abstimmung branchenspezifischer Verhaltensregeln und Arbeitsschutzmaßnahmen, um die Aufrechterhaltung bzw. Wiederöffnung von Betrieben zu ermöglichen
- Abbau branchenspezifischer Hemmnisse (z.B. Wiederöffnung von Kfz-Anmeldestellen für den Online-Handel)
6. Langfristige Öffnungsstrategie entwickeln
Gerade aus den Erfahrungen der aktuellen Krise heraus brauche das Handwerk neue Impulse für den Bürokratieabbau durch Abbau von regulatorischen Hemmnissen und durch die Vereinheitlichung des Verwaltungsvollzugs durch örtliche Behörden. Es will weiterhin mit der Landesregierung zusammenarbeiten. Besonders wichtig sei, eine Lösung zur Stabilisierung der Bildungsstätten zu finden. Wirtschaftsminister Pinkwart habe zugesagt, Vorschläge des Handwerks zum Bürokratieabbau und zur Mittelstandspolitik aufzugreifen und schnell auf den Weg zu bringen.
Quelle: WHKT
Text:
Lars Otten /
handwerksblatt.de
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