Corona: Friseur- und Kosmetikbranche befürchtet Betriebssterben
Schon der erste Lockdown ging manchen Friseuren und Kosmetikern an die Substanz. Der zweite Lockdown führt in akute Notsituationen. Jetzt melden sich die Betroffenen und die Handwerksorganisation lautstark zu Wort, weil sie ein Betriebssterben fürchten.
Eine Aktion mit Signalwirkung: Am 31. Januar schalteten die Friseurbetriebe das Licht in ihren Salons an und ließen es 24 Stunden brennen. "Licht an, bevor es ganz ausgeht!" war die eindeutige Botschaft, hinter der ein dramatischer Hilfsappell steht. "Viele Friseurbetriebe sind in ihrer Existenz bedroht, Beschäftigte und Betriebsinhaberinnen und Betriebsinhaber müssen seit 16. Dezember mit Kurzarbeitergeld oder ganz ohne Einkommen zurechtkommen", beschreibt Harald Esser, Präsident des Zentralverbands des Deutschen Friseurhandwerks, die Lage.
In einer Blitzumfrage unter den Mitgliedern beklagen 60 Prozent der befragten Friseurbetriebe echte Existenzängste, im Schnitt erwarten die Betriebe einen Umsatzverlust von 30 Prozent – wohlgemerkt vor der Lockdown-Verlängerung. Und schon jetzt ist klar: Die aktuelle Krise wird nicht jeder Friseursalon überstehen.
Nicht nur Friseure sind betroffen
Klar, betroffen sind nicht nur die Friseure und Kosmetiker. Bäcker und Fleischer mit Restaurantbetrieben und Catering sind genauso betroffen wie Brauer und Mälzer, Goldschmiede und viele andere mehr, die ihre Läden schließen müssen. Landauf, landab bemüht sich die Handwerksorganisation auf allen politischen Ebenen um Schadensbegrenzung. Die Friseurbranche aber ist am härtesten betroffen, weil sie im Gegensatz zu anderen Branchen den Lockdown nicht über einen eingeschränkten Verkauf oder via Online-Shop überbrücken kann.
Die Hilferufe werden daher lauter – und mehr. So haben die Präsidenten aller rheinland-pfälzischen Handwerkskammern zusammen mit den Landesfriseur- und Kosmetikverbänden sowie allen Obermeistern der Friseurinnungen einen Brandbrief an die Landesregierung geschrieben. "Wir haben den Brief bewusst als akuten Hilfeschrei formuliert, weil die Betriebe dringend finanzielle Hilfen brauchen, da sie keinerlei Einnahmen erzielen können", formuliert Hans-Jörg Friese, Präsident der Handwerkskammer Rheinhessen und selbst Friseurmeister mit zwei Betrieben. "Entscheidend ist eine sofortige finanzielle Hilfe für die Betriebe und die Unternehmer mit einer finanziellen Hilfe des Unternehmerlohns, um die Not zu überbrücken."
Betriebe doppelt hat betroffen
Tatsächlich ist die Lage prekär. Nach dem ersten Lockdown im Frühjahr 2020 mit entsprechenden Umsatz- und Verdienstausfällen haben die Betriebe Tausende von Euro in Hygiene-Maßnahmen investiert und durften oft wegen der Abstandsregeln nur jeden zweiten Sitz besetzen: Statt regulärem Betrieb durften die Inhaber ihren Salon nicht voll auslasten – und trotz dieser Maßnahmen kam dann der zweite Lockdown.
Der trifft die Betriebe doppelt hart: Viele Empfänger müssen jetzt die im letzten Frühjahr erhaltenen Liquiditätshilfen teilweise oder ganz zurückzahlen, während sie lockdownbedingt keine Einnahmen generieren können und die Steuervorauszahlungen anstehen. Mehr noch: Weil auch die aktuellen Hilfen des Bundes nur die Fixkosten bezuschussen, aber nicht weiterlaufende Kosten wie Krankenversicherung oder private Kreditverpflichtungen, wird es eng. Friese: "Besonders erschwerend ist, dass die angekündigten Hilfsgelder nur sehr schleppend fließen und die Abschlagszahlungen angesichts hoher Kosten nur wie ein Tropfen auf dem heißen Stein wirken."
Nicht jedes Bundesland hat eigene Programme
Denn nicht jedes Land wie beispielsweise Baden-Württemberg hat eigene Programme aufgelegt, um die Überbrückungshilfen mit einem fiktiven Unternehmerlohn zu ergänzen. Das ist bitter nötig, derzeit erzielt doch kein Betriebsinhaber überhaupt ein Einkommen, um seine eigenen privaten Kosten zu decken. Auch der einzige Ausweg, der Antrag auf Hartz IV, läuft ins Leere: Das Geld reicht in der Regel nicht einmal, um die Krankenversicherung zu decken, falls überhaupt Geld fließt. Hat der Lebenspartner ein eigenes Einkommen, geht der Antragsteller leer aus.
Das treibt die gesamte Handwerksorganisation um. So fordern die nordrhein-westfälischen Handwerkskammern über den Westdeutschen Handwerkskammertag in einer gemeinsamen Initiative mit den bayerischen Handwerkskammern von der Politik in Bund und Ländern eine schnelle Reaktion. "Es gibt für jene Betriebe, die Mitte Dezember des vergangenen Jahres in den zweiten Lockdown gehen mussten, immer noch kein überzeugendes Hilfskonzept", so Peter Eul, Präsident der Handwerkskammer OWL und ebenfalls Friseurmeister.
Mitgliedsbetriebe brauchen Perspektiven
Schlimmer noch: Sie sind von den Dezember-Hilfen ausgeschlossen. Die in Aussicht gestellten Überbrückungshilfen werden zum Beispiel Friseurbetrieben mit wenigen Angestellten in keiner Weise gerecht. "Unsere betroffenen Mitgliedsbetriebe brauchen Perspektiven, einen einfachen und unbürokratischen Zugang zu den Hilfsleistungen und verlässliche Unterstützung, auch von den heimischen Kreditinstituten, bei der Sicherung ihrer Liquidität", fordert Eul.
Auch die Sorge, dass Betriebe durch den Lockdown in Schwarzarbeit getrieben werden, spielt eine große Rolle. "Der Druck ist da", so Hans-Jörg Friese. "Die Kunden fragen immer stärker nach einem privaten Schnitt." Über die Folgen ohne schnelle Hilfe ist sich die gesamte Handwerksorganisation einig: Wenn nicht gehandelt wird, werde es eine nie dagewesene Pleitewelle bei Betrieben der körpernahen Dienstleistungen geben. "Und dieses unverschuldete Sterben von eigentlich gesunden Betrieben kann niemand wollen", ergänzt sein Kollege Peter Eul.
Text:
Stefan Buhren /
handwerksblatt.de
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