Die europäische Wirtschaft und speziell auch die vielen KMU und Handwerksbetriebe seien auf passende Rahmenbedingungen angewiesen, um wettbewerbsfähig zu bleiben, so der ZDH.

Die europäische Wirtschaft und speziell auch die vielen KMU und Handwerksbetriebe seien auf passende Rahmenbedingungen angewiesen, um wettbewerbsfähig zu bleiben, so der ZDH. (Foto: © Paul Grecaud /123RF.com)

Vorlesen:

Europawahl: Das fordert das Handwerk für die kommende Legislaturperiode

Der ZDH hat seine Leitlinien und Forderungen zur Europawahl vorgelegt. Die EU brauche ein starkes Handwerk und die Betriebe seien auf eine starke EU angewiesen – und auf bessere Rahmenbedingungen.

Im Juni wählen die Bürger der Europäischen Union zum zehnten Mal das Europäische Parlament. In Deutschland fällt der Wahltag auf den 9. Juni. Gewählt werden 96 Abgeordnete, die Deutschland in das EU-Parlament entsendet. Je mehr Stimmen die Parteien bekommen, desto mehr Delegierte können sie ins Parlament schicken. Dabei stellen sie Kandidaten, die ins Rennen gehen sollen, auf einer Bundesliste oder mehrere Landeslisten auf. Die Wähler haben keinen Einfluss auf die Reihenfolge der Kandidaten. In diesem Jahr wird das Mindestalter für eine Teilnahme an der Wahl in Deutschland erstmals bei 16 Jahren liegen. Der Bundestag hatte das aktive Wahlalter Ende 2022 von 18 Jahren auf 16 herabgesetzt.

Das Handwerk hat sich für die Wahl in Stellung gebracht, seine Forderungen für die kommende Legislaturperiode formuliert. Sowohl in der europäischen Wirtschaft als auch in Politik und Gesellschaft gebe es wegen globaler Umbrüche große Veränderungen, stellt der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) in seinem Forderungspapier fest. Es trägt den Titel: "Europas Zukunft mit dem Handwerk meistern". Kriege und Konflikte forderten ein Umdenken in der Sicherheits- und Verteidigungs- und auch in der Wirtschaftspolitik. Abhängigkeiten, wie die von russischem Gas, soll es künftig nicht mehr geben.

Handwerk leistetet großen Beitrag

Deswegen versuche die EU strategisch wichtige Produkte innerhalb der Unionsgrenzen zu fertigen oder zu beschaffen und zusätzlich den Kreis der Zulieferer zu erweitern. Zu den Herausforderungen gehöre auch der Klimaschutz, der einen tiefgreifenden Wandel erfordere und zudem zu großen Teilen von den kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) abhänge. Dazu komme der demografische Wandel mit dem einhergehenden Fachkräftemangel und die Digitalisierung der Arbeitswelt. All dies erfordere die passenden Rahmenbedingungen für die europäische Wirtschaft und den Erhalt ihrer Wettbewerbsfähigkeit, speziell auch für die vielen KMU und Handwerksbetriebe.

Die Handwerksbetriebe brauchen eine starke EU und die EU braucht ein starkes Handwerk, betont der ZDH. KMU und vor allem Klein- und Kleinstbetriebe machten in Europa rund 99 Prozent der Unternehmen aus. Die Betriebe des Handwerks leisteten einen großen Beitrag zur Daseinsvorsorge in vielen Bereichen. Außerdem seien sie bei der Umsetzung der Klimawende nicht wegzudenken. Deswegen fordert der ZDH auch für diese Betriebe gute Rahmenbedingungen. "Ist ein Handwerksbetrieb aufgrund politischer und gesetzlicher Rahmenbedingungen nicht mehr wettbewerbsfähig, wird er verschwinden." Konkret gehe es darum, die Klimawende bezahlbar zu halten und Bürokratiepflichten für kleine Betriebe praxisnah zu gestalten.

Das könnte Sie auch interessieren:

Forderungen des Handwerks zur Klimawende

  • Vorgaben so gestalten, dass sie keine zu hohen Kosten verursachen,
  • Investitions- und Planungssicherheit sicherstellen und auf ständig neue Zielverschärfungen verzichten,
  • Nachhaltigkeitsberichterstattungspflichten an den Möglichkeiten kleiner und mittlerer Betriebe orientieren,
  • Nachhaltigkeitsnachweise kurzer Wertschöpfungsketten, die sich lokal und regional zusammensetzen, einfach halten,
  • in der Kreislaufwirtschaft Kleinserien und Unikate im Vergleich mit Massenprodukten gesondert betrachten,
  • Bestehende handwerkliche Strukturen im Bereich Reparaturen stärken,
  • Reduzierung von Dokumentations- und Nachweispflichten.

Quelle: ZDH

Im Zuge der digitalen Transformation sei darauf zu achten, auch für Handwerkunternehmen einen fairen Zugang zu digitalen Märkten inklusive offener Schnittstellen und gemeinsamer Kommunikationsstandards zu sichern. "Für die Handwerksbetriebe kommt es zunehmend darauf an, über Daten, Schnittstellen und Software zu verfügen, denn nur so können der Zugang zum Kunden gewährleistet und Reparatur- und Wartungsleistungen umgesetzt werden." Für die Anwendung künstlicher Intelligenz müsse ein rechtssicherer Rahmen für Chancengleichheit sorgen, "ohne dass unverhältnismäßig viel Verantwortung und Risiko auf den Handwerksbetrieb verlagert wird".

Forderungen des Handwerks zur digitalen Transformation

  • Den Zugang zu Daten einfach, fair und diskriminierungsfrei regeln,
  • technische Schnittstellen, offene Standards und Protokolle vorschreiben, damit keine technischen Barrieren entstehen,
  • Betrieben durch einen sicheren Rechtsrahmen die Sorge vor nicht kalkulierbaren Haftungsrisiken bei Vertrieb und Anwendung von digitalen Produkten nehmen,
  • missbräuchliches Verhalten von digitalen Plattformen, die deren Betreibern unfaire Vorteile verschaffen, verbieten und bestrafen.

Quelle: ZDH

Die Gesetzgebung auf europäischer Ebene und die daraus folgende immer weiter steigende Bürokratiebelastung dürfe nicht dazu führen, dass das Unternehmertum unattraktiv wird – besonders für junge Menschen. Gesetzgebungsinitiativen orientierten sich zu oft am Verhalten großer Konzerne und die "Lebenswirklichkeit und Leistungsfähigkeit von Handwerksbetrieben, die gleichermaßen von solchen Initiativen betroffen sind, werden dabei regelmäßig nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt". Der ZDH fordert daher mehr Vertrauen in das verantwortungsvolle Wirtschaften von Handwerksunternehmern und passgenauere Regeln. Ein Regelwerk für alle Betriebsgrößen könne der betrieblichen Realität im Handwerk nicht gerecht werden und führe zu großen Belastungen.

Forderung des Handwerks zur Bürokratiebelastung

  • Belastungen für KMU durch Bürokratieabbau senken,
  • praktikable Regelungen und vereinfachte KMU-Standards einführen, die den Zugang zu Finanzierungen oder zu Wertschöpfungsketten nicht erschweren,
  • den KMU-Test und das Prinzip "Vorfahrt für KMU" bei allen EU-Initiativen anwenden,
  • Folgenabschätzung verbessern und One-in-one-out-Prinzip anwenden,
  • Ressourcen in einem zentralen KMU-Direktorat bündeln und ein Netzwerk von KMU-Zuständigen in allen Generaldirektionen der EU-Kommission einrichten,
  • KMU-Organisationen stärker bei der Erarbeitung neuer Initiativen beteiligen.

Quelle: ZDH

Neben dem Bürokratieabbau sei die Fachkräftesicherung essenziell für ein Gelingen der Transformation der Wirtschaft. In Zeiten komplexer werdender Aufgaben innerhalb der Berufe brauche das Handwerk "mehr denn je gut ausgebildete, erfahrene Fachkräfte". In allen Mitgliedstaaten seien in handwerklichen Berufen die höchsten Standards zu erreichen, auch um deren Attraktivität zu steigern. Der Trend dürfe nicht weiter in Richtung Akademisierung gehen, vielmehr müsse die berufliche Bildung der akademischen gleichwertig gegenüberstehen.

Forderungen des Handwerks zur Fachkräftesicherung

  • Qualifizierte Fachkräfte in handwerklichen Berufen europaweit auf hohen Standards ausbilden,
  • nationale Systeme der beruflichen Bildung sichern, keine verpflichtenden europäischen Regelungen oder Parallelstrukturen.
  • Verbesserung des Images von Handwerk und Berufsbildung zur Stärkung der Lehrlingsausbildung,
  • Gleichwertigkeit zwischen akademischer und beruflicher Bildung sowie Durchlässigkeit zwischen den Qualifikationswegen in den Mitgliedstaaten herstellen,
  • Fördermöglichkeiten von Erasmus+ für junge Fachkräfte ausweiten,
  • modern ausgestattete und attraktive Lernorte für eine gute berufliche Bildung sicherstellen,
  • qualifizierte Zuwanderung europaweit vereinfachen.

Quelle: ZDH

Auch auf europäischer Ebene müssten mittelständische Strukturen im Handwerk erhalten bleiben. Nicht passende Rahmenbedingungen, Bürokratiebelastungen, der zunehmende Fachkräftemangel, schwierige Finanzierungsbedingungen und der Umbau der Energieversorgung gefährdeten die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe. Maßnahmen zur Bewältigung all dieser Herausforderungen sollten bevorzugt mit Blick auf mittelständische Unternehmen ergriffen werden, das gelte auch für Förderprogramme innerhalb der kommenden Legislaturperiode.

Forderungen des Handwerks zur Wettbewerbsfähigkeit von Betrieben im Binnenmarkt

  • Mittelständische Strukturen und die der Handwerksbetriebe, in den Mittelpunkt der europäischen Politik stellen,
  • gute Rahmenbedingungen wie eine gesicherte bezahlbare Energieversorgung, eine gut ausgebaute Infrastruktur und resiliente Lieferketten auch in Krisenzeiten schaffen,
  • Beteiligung des Handwerks an europäischen Normungsprozessen und Standardsetzungen,
  • einen fairen Zugang zum Binnenmarkt sicherstellen, Bürokratieabbau und die Digitalisierung der Verwaltungsverfahren voranbringen,
  • Verfahren bei der Entsendung von Arbeitskräften im Binnenmarkt vereinfachen,
  • Gefährdung der mittelstandsfreundlichen Finanzierungsstrukturen im dreigliedrigen deutschen Bankensystem vermeiden, Vereinfachung des Zugangs KMU zu EU-Förderprogrammen.

Quelle: ZDH

DHB jetzt auch digital!Einfach hier klicken und für das digitale Deutsche Handwerksblatt (DHB) registrieren!

Text: / handwerksblatt.de

Das könnte Sie auch interessieren: