Die Delegation mit dem Rücken zum Mittelmeer vor dem Peres Center für Frieden und Innovation in Tel Aviv.

Die Delegation mit dem Rücken zum Mittelmeer vor dem Peres Center für Frieden und Innovation in Tel Aviv. (Foto: © Lars Otten/DHB)

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Ein Besuch zwischen Krieg und Frieden

Handwerkspolitik

In schwierigen Zeiten besuchte eine Delegation des nordrhein-westfälischen Handwerks Israel, um sich über die wirtschaftliche Lage zu informieren, Möglichkeiten zum Wissensaustausch zu finden, Chancen für Kooperationen auszuloten und ein Zeichen der Verbundenheit zu setzen.

Der Überfall Russlands auf die Ukraine am 22. Februar 2022 leitete in Deutschland eine Zeitenwende ein. Es ist ein großes Glück, dass hierzulande bisher nur die Energiepreise explodierten. Gleichwohl ist Angst vor einem Krieg im eigenen Land seitdem wieder zu spüren – kaum wahrnehmbar vielleicht, und ohne einen größeren Einfluss auf den Alltag der meisten Menschen, aber dennoch greifbar. Wer dieses Gefühl mit einem Faktor von mindestens 100 multipliziert, erhält eine Idee, wie sich die Menschen in Israel, einem kleinen Land von der Größe Hessens, angesichts der dort konkreteren, ja sogar existenziellen Gefahr fühlen müssen. In Gaza herrscht seit dem Terrorangriff der Hamas vom 7. Oktober 2023 Krieg. Im Norden versucht die Hisbollah den Konflikt über die Grenze nach Israel zu tragen, die Huthis greifen aus dem Jemen an und der Iran droht im Hintergrund.

Eine Delegation des nordrhein-westfälischen Handwerks machte sich trotzdem auf den Weg nach Tel Aviv, um sich über die wirtschaftliche Lage im Land zu informieren, Möglichkeiten zum Wissensaustausch zu finden, Chancen für Kooperationen auszuloten und nicht zuletzt, um ein Zeichen der Verbundenheit zu setzen – in diesen Zeiten keine Selbstverständlichkeit. Die Deutsch-Israelische Industrie- und Handelskammer organisiert und betreut im Jahr bis zu 25 Delegationsreisen – seit dem 7. Oktober waren es drei, die Gruppe des NRW-Handwerks eingeschlossen. Warum ein solcher Besuch durchaus Mut erfordert, wurde schnell deutlich: Nur kurz nach Antritt der Fahrt vom Flughafen ins schwülheiße Tel Aviv kam es zu dem Raketenangriff auf die Golanhöhen, bei dem zwölf Kinder und Jugendliche getötet wurden.

Stärken im Hightech-Bereich, Schwächen im Bereich Handwerk

Tamar Tuchler (r.) und Shay Farkash führten die Delegation durch die Anlagen von Mikve Israel. Foto: © Lars Otten/DHBTamar Tuchler (r.) und Shay Farkash führten die Delegation durch die Anlagen von Mikve Israel. Foto: © Lars Otten/DHB

Alle Israelis, auf die die Gruppe im Verlauf ihres Aufenthalts getroffen ist, begegneten ihr mit großer Herzlichkeit, dankbar für das Zeichen der Solidarität und die Bereitschaft zum Austausch. Das war auch im Peres Center für Frieden und Innovation der Fall. Es wurde gegründet vom verstorbenen Präsidenten Israels und Friedensnobelpreisträger, Shimon Peres. Dort wurde sichtbar, wie stark Israel im Hightech-Bereich ist. Das Land belegt Platz 3 im Global Innovation Ranking und exportiert viele Produkte aus diesem Sektor. Schwächen gibt es seit Kriegsbeginn in der Landwirtschaft, Tourismus und Einzelhandel. Auch im Baubereich gibt es Probleme. Eine Besonderheit in Israel ist, dass handwerkliche Berufe ein extrem schlechtes Image haben und nur wenige in diesem Bereich arbeiten wollen. Deswegen kommen die meisten Arbeitskräfte aus dem Ausland.

Einen Ansatz, das zu ändern, gibt es in Mikve Israel. Dort geht es primär um den Schutz und Erhalt von Kulturerbestätten und auch um die Restaurierung von Wandmalereien und architektonischer Farbgebung. Hier waren schon Handwerker aus Deutschland zu Gast, die dort im Rahmen des NRW-Förderprogramms "Go Israel" ein Praktikum absolviert haben. Um Wissensaustausch geht es auch bei Muslala. Das ist eine gemeinnützige Organisation, die im von Künstlern, Anwohnern und Gemeindeaktivisten des gleichnamigen Viertels in Jerusalem gegründet wurde. Muslala besitzt eine Dachterrasse, auf der mehrere Dachdecker und Zimmerer aus Deutschland als Praktikanten gearbeitet haben (auch mit Hilfe von Go Israel).

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Betriebsbesuche und Gespräche mit Unternehmern

Die Holzkonstruktion auf der Dachterrasse von Muslala in Jerusalem wurde mit Hilfe deutscher Praktikanten gebaut. Foto: © Lars Otten/DHBDie Holzkonstruktion auf der Dachterrasse von Muslala in Jerusalem wurde mit Hilfe deutscher Praktikanten gebaut. Foto: © Lars Otten/DHB

Ein weiterer Ansatz, um zumindest den Fachkräftemangel zu verringern, könnte die Technik von Siteaware sein. Die Idee: Die Digitalisierung der Qualitätskontrolle im Bausektor, genauer beim Betonguss, soll die Fehlerquote minimieren und so Kosten und Korrekturaufwand sparen. Ebenfalls im Hightech-Sektor bewegt sich das Unternehmen Orcam. Es nutzt innovative KI-Hilfstechnologien, um Menschen mit eingeschränktem Sehvermögen, Sehbehinderungen und Leseschwierigkeiten durch tragbare und handgehaltene Geräte zu unterstützen, die Text und andere visuelle Informationen laut vorlesen und ist in Deutschland bei Augenoptikern erhältlich.

Zurück in den Bausektor ging es bei Gesprächen mit Vertretern von Greenmix, einem Start-up, das sich auf klimafreundliche Baustoffe spezialisiert hat. Dazu gehört in erster Linie grüner Beton aus recycelten Rohstoffen. Okibo stellt Roboter her, die Malerarbeiten effizient ausführen können. Das maschinenführende Personal braucht nur eine kurze Schulung und muss keine handwerklich ausgebildete Fachkraft sein. Baumaterialien aus Holzabfall stellt Daika Wood her. Die umweltfreundlichen Baustoffe behalten die echten Eigenschaften von Holz und können helfen, große Abfallmengen zu reduzieren, verspricht der Hersteller.

Zu Gast beim deutschen Botschafter

Die Delegation war zu Gast in der deutschen Botschaft in Tel Aviv und erhielt von Botschafter Steffen Seibert (8. v. r.) Einblicke in die politische Situation vor Ort. Foto: © Lars Otten/DHBDie Delegation war zu Gast in der deutschen Botschaft in Tel Aviv und erhielt von Botschafter Steffen Seibert (8. v. r.) Einblicke in die politische Situation vor Ort. Foto: © Lars Otten/DHB

Zurück zur politischen Lage ging es beim Besuch der deutschen Botschaft in Tel Aviv. Nach der Zuspitzung des Konflikts im Norden durch den Raketenangriff auf die Golanhöhen erwartete der Botschafter eine schnelle Antwort aus Israel. Dabei habe jede Kampfhandlung das Potenzial, einen großen Krieg auszulösen. Welches Leid im Krieg und den darin stattfindenden Verbrechen entstehen können, dokumentiert das Museum Yad Vashem in Jerusalem. Das ist die zentrale Gedenkstätte Israels für die Opfer des Holocausts und widmet sich der Bewahrung der Erinnerung an die sechs Millionen ermordeten Juden.

Eine intensive Reise ging nach vier Tagen zu Ende und alle Teilnehmer waren sich einig, dass es eine Fülle an Anknüpfungspunkten gibt, die sich aus den Gesprächen ergeben haben und die es zu vertiefen gilt. Nach Abflug aus dem Krisengebiet zurück nach Deutschland war Erleichterung das dominierende Gefühl bei den Delegationsmitgliedern. Trotzdem machte sich bei der Heimreise mit dem Gedanken an das gefährliche Leben der Israelis in einem Land umgeben von Feinden auch etwas Schwermut breit. Die Hoffnung ist, eines Tages wiederkommen zu können – dann bestenfalls in Friedenszeiten mit leichterem Herzen.

Teilnehmer der Delegationsreise In alphabetischer Reihenfolge:
Dr. Florian Hartmann, Landes-Gewerbeförderungsstelle des NRW-Handwerks
Thomas Heimbach, Augenoptiker- und Optometristenverband NRW
Thomas Klode, Tischler NRW
Dominik Kruchen, Landesinnungsverband für das Zahntechniker-Handwerk NRW
Olesja Mouelhi-Ort, Handwerkskammer Dortmund
Rüdiger Otto, Unternehmerverband Handwerk NRW
Tobias Schmidt, Handwerkskammer Dortmund
Almut Schmitz, Landes-Gewerbeförderungsstelle des NRW-Handwerks
Oliver Steinke, Landes-Gewerbeförderungsstelle des NRW-Handwerks
Begleitet wurde die Delegation bei einigen Programmpunkten von Staatssekretär Matthias Heidmeier und Manuel Pass vom NRW-Arbeitsministerium.

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Text: / handwerksblatt.de

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