Max-Liebling-Haus erstrahlt in neuem Glanz
In einem Jugendcamp haben junge deutsche Handwerker zusammen mit Israelis die vom Bauhaus-Stil geprägte Fassade des Max-Liebling-Hauses in Tel Aviv renoviert.
Das zeichnet hervorragende Maler und Lackierer aus. Ein bisschen früher als erwartet sind Bastian Schultze und seine sechs Kollegen mit ihrer Arbeit fertig geworden. Die deutschen Handwerker haben nur fünf Tage gebraucht, um der rund 1.000 Quadratmeter großen, denkmalgeschützten Fassade des Max-Liebling-Hauses ihren charakteristischen strahlend-weißen Anstrich zu verpassen.
"Wir sind so gut vorangekommen, dass wir auch noch einige Fenster und Türen lackieren können", sagt der 32-jährige Meister. Für die Reise nach Tel Aviv (Israel) hat er an der Fachschule Farbtechnik Hamburg, wo er zurzeit den Abschluss zum Farb- und Lacktechniker anstrebt, eine kurze Pause eingelegt.
Fachlicher und interkultureller Austausch
1919 hat Walter Gropius Kunst und Handwerk im "Bauhaus" zusammengeführt. 100 Jahre später sorgt die vom Bauhaus-Stil geprägte Fassade des Max-Liebling-Hauses dafür, dass Deutsche und Israelis zueinanderfinden. Handwerker und Studenten beider Länder konnten zwischen März und Mai an einem Jugendcamp teilnehmen. Neben dem fachlichen Austausch stand vor allem die persönliche Begegnung im Vordergrund. Vor den Fachschülern des Maler- und Lackiererhandwerks waren bereits drei Gruppen mit jeweils fünf Stuckateur-Azubis in Tel Aviv, um die denkmalgeschützte Fassade zu ertüchtigen. "In Deutschland ist der Antisemitismus wieder auf dem Vormarsch", begründet Konrad Richter die Übernahme des Sponsorings durch die Sto-Stiftung. Das Kooperationsprojekt solle junge Handwerker dafür sensibilisieren, sich mehr mit der deutschen Geschichte auseinanderzusetzen. Impulse dafür liefert etwa der Besuch von Yad Vashem. Die Holocaust-Gedenkstätte in Jerusalem gehört zu den Stationen des dreitätigen Kulturprogramms, das sich an die Arbeitswoche anschließt.
Strenge Auflagen bei der Restaurierung
Das Max-Liebling-Haus ist eines von 4.000 Wohngebäuden der Weißen Stadt. Das Viertel muss in den 1930er-Jahren schnell aus dem Boden gestampft werden, um die aus Europa strömenden Flüchtlinge unterzubringen. "Darunter befanden sich auch viele vom Bauhaus beeinflusste jüdische Architekten", erklärt Ellen Kugler, Leiterin der Geschäftsstelle Weiße Stadt und der Öffentlichkeitsarbeit Bundesbau beim Amt für Bundesbau in Mainz. Seit dem Jahr 2003 gehört die Weiße Stadt zum Welterbe der UNESCO. Zu ihren prägenden Einflüssen zählt das Bauhaus, ist aber nicht die einzige Inspirationsquelle der Stadtplaner. "Man spricht deshalb vom internationalen Stil oder von der klassischen Moderne", so Ellen Kugler. Rund 2.000 Gebäude stehen unter Denkmalschutz. Für ein Zehntel von ihnen – darunter das Haus der Kaufmannsfamilie Liebling – gelten besonders strenge Auflagen. "An ihnen darf nichts im großen Stil verändert werden."
Die Sanierung der denkmalschützten Fassade des Max-Liebling-Hauses ist Teil des deutsch-israelischen Gemeinschaftsprojektes der Bundesregierung, vertreten durch das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI), der Stadt Tel Aviv und der Tel Aviv-Jaffa Stiftung. Bis zum Jahr 2026 fördert die Bundesregierung das Liebling Haus/White City Center, das im denkmalgeschützten Max-Liebling-Haus seine Heimat finden wird, finanziell und ideell. Es ist als Begegnungsstätte für Forschung und handwerkliche Bildung gedacht und als zentrale Anlaufstelle für Tel Aviver (besonders die Bewohner der Weißen Stadt), Besucher und die breite Öffentlichkeit konzipiert – für alle, die sich für Historie und Zukunft der Weißen Stadt interessieren. Koordinierungsstelle im Auftrag des BMI ist die Geschäftsstelle Weiße Stadt im Amt für Bundesbau in Mainz. Geschäftsstellenleiterin Ellen Kugler organisierte den Fassadenworkshop und arrangierte den Aufbau eines Gerüsts nach EU-Standard. "Die Initiative geht auf den ehemaligen Bau-Staatssekretär Gunther Adler zurück, der sich schon in den frühen 2010er-Jahren für die deutsch-israelische Zusammenarbeit eingesetzt hat", erklärt Ellen Kugler. Wichtigstes Anliegen des Projekts sei es, sich der gemeinsamen (bau)geschichtlichen Vergangenheit bewusst zu werden. Die gemeinnützige Sto-Stiftung finanzierte den Workshop junger Handwerker. Daran waren Stuckateur-Auszubildende der Berufsschule in Leonberg und Fachschüler aller sieben deutschen Maler-Fachschulen beteiligt. Das Max-Liebling-Haus soll am 19. September 2019 offiziell als deutsch-israelisches Dokumentations-, Vermittlungs- und Kompetenzzentrum übergeben werden. Bauherren, die ihr eigenes "Bauhaus" denkmalschutzgerecht sanieren wollen, können sich dort etwa beraten lassen.
Bei der Sanierung des Max-Liebling-Hauses kamen spezielle Baumaterialien zum Einsatz. Für die Ertüchtigung der Fassade wurde eigens ein Feinputz aus Deutschland importiert. Eine mineralische Farbe musste es für die Schlussbeschichtung sein. "Diese Sol-Silikat-Farbe haben wir im klassischen Stil mit der Bürste aufgetragen und im Kreuzgang verschichtet", beschreibt Bastian Schultze die Verarbeitung. Die vom alten Lack befreiten Holztüren haben die Maler und Lackierer mit Leinöl beschichtet. "Das wird in Deutschland nicht so oft gemacht. Wir nehmen dafür Alkydharz- oder Acryl-Dispersionslack." Unterschiede gab es auch beim Streichbild. Nicht gleichmäßig, wie mit der Rolle abgezogen sollte es aussehen, sondern einen schönen Pinselstrich aufweisen.
Größtes Projekt der Sto-Stiftung
"22 junge Leute sowie die Ausbildungsmeister Jochen Drescher und Annika Hillegeist nach Israel zu transportieren, nimmt finanziell einiges in Anspruch", erklärt Konrad Richter. Das deutsch-israelische Jugendcamp sei das bislang größte Projekt, in das die Sto-Stiftung investiert hat. "Es hat uns weit über 100.000 Euro gekostet und damit mehr als ein Viertel unseres Jahresbudgets, das uns für Projekte mit jungen Malern und Stuckateuren zur Verfügung steht", sagt der für das Handwerk zuständige Stiftungsrat. Und im nächsten Jahr soll es weitergehen. Zwar wird das Max-Liebling-Haus diesen Herbst offiziell eröffnet. "Die Innenräume der beiden oberen Etagen werden bis dahin aber nicht fertig renoviert sein." Voraussichtlich ein, zwei Wochen nach Ostern wird sich eine neue Gruppe von Maler-Fachschülern aufmachen, um Wände, Decken, Türen und Fensterrahmen zu streichen oder zu lackieren.
"Nicht zu schnell urteilen"
Bastian Schultze war zum ersten Mal in Israel. Doch fast wäre aus der Reise nichts geworden. Der abschließende Workshop der Maler und Lackierer stand wegen Raketenangriffen aus dem Gazastreifen auf der Kippe. Hat die eine Woche in Tel Aviv seinen Blick auf die Lage im Nahen Osten verändert? Der 32-Jährige atmet tief durch und überlegt lange, was er antworten soll. "Man hört viel darüber in den Medien, aber man weiß auch viel zu wenig." Er habe sich immer bemüht, offen und unvoreingenommen zu sein und eines dabei gelernt – "nicht zu schnell zu urteilen".
Bleibende Eindrücke aus Tel Aviv
Der junge Norddeutsche nimmt viele positive Eindrücke mit. Das spannende Sanierungsprojekt, die orientalische Küche und die Offenheit der Menschen haben ihn begeistert. Natürlich gibt es auch Widersprüche. Tel Aviv sei die hektischste, aber auch die entspannteste Stadt, die er kennt, habe ein Kollege gesagt. Dem stimmt Bastian Schultze zu, lässt sich davon aber nicht abschrecken. Er möchte wiederkommen. "Tel Aviv ist eine Reise wert. Vor allem die Weiße Stadt ist ein tolles Kulturgut." Aber selbst, wenn er nicht zurückkehren sollte – seine Arbeit am Max-Liebling-Haus hat ihn zu einem bleibenden Teil der deutsch-israelischen Geschichte gemacht.
Text:
Bernd Lorenz /
handwerksblatt.de
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