Deutscher Mittelstand ruft zur Europawahl auf
Die AG Mittelstand will auf die Bedeutung der EU für die Zukunft der mittelständischen Wirtschaft aufmerksam machen und zur Wahl motivieren. Gleichzeitig machen die Verbände Vorschläge für Reformen.
Die in der Arbeitsgemeinschaft (AG) Mittelstand organisierten Verbände, darunter der Zentralverband des Deutschen Handwerks, rufen in den eigenen Unternehmen und der Öffentlichkeit zur Europawahl auf, die in Deutschland am 9. Juni stattfindet. Damit wollen sie auf die Bedeutung der Europäischen Union für die Zukunft der mittelständischen Wirtschaft aufmerksam machen und zur Wahl motivieren. Mit der Stimmabgabe entscheide jede und jeder mit darüber, in welche Richtung sich Europa weiterentwickelt und in welchem Umfeld künftig wirtschaftliche Tätigkeit stattfinden kann.
WahlaufrufHier finden Sie den Wahlaufruf der AG Mittelstand."Eine starke und einige EU ist wichtiger denn je. Angesichts einer sich wandelnden Weltordnung werden die Herausforderungen immer komplexer und vielfältiger. Gemeinsam gilt es, jetzt die Weichen für eine erfolgreiche Zukunft Europas zu stellen. Es geht um Stabilität, Freiheit, Frieden, Demokratie sowie gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wohlstand –und damit um das Fundament für einen zukunftsorientierten, erfolgreichen Mittelstand in Deutschland", heißt es in dem Aufruf.
Gleichzeitig fordern die mittelständischen Verbände eine Europäische Union, "die ihren Fokus auf die großen Aufgaben legt und sich auf ihre Stärken und Kernkompetenzen unter Beachtung des Subsidiaritätsprinzips im Sinne des europäischen Gedankens der Einheit in Vielfalt besinnt." Wie das aussehen kann, beschreibt die AG in einem Fünf-Punkte-Programm:
- Die Stärkung des EU-Binnenmarktes als gemeinsames Ziel
Der EU-Binnenmarkt bietet ein großes Potenzial für Unternehmen, Fachkräfte und Verbraucher. In der Praxis kann der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital zwischen den 27 EU-Mitgliedstaaten auch nur gut funktionieren, wenn für die gewerbliche Wirtschaft noch bestehende Hindernisse und bürokratische Hürden abgebaut werden. Harmonisierung ist daher kein Selbstzweck. Sie fördert nur dann den Binnenmarkt, wenn der Nutzen neuer EU-Regelungen für die Unternehmen höher ist als die damit verbundenen bürokratischen Kosten und Pflichten. Das Prinzip der Subsidiarität muss beachtet werden. Zudem wird der Schutz des Wettbewerbs immer wichtiger für einen funktionierenden Binnenmarkt. - Unternehmensfinanzierung zukunftsgerecht aufstellen
Mittelständische Unternehmen brauchen regional aktive Kreditinstitute, die ihre Situation kennen und ihnen den Zugang zu externen Finanzmitteln, meist in Form von Krediten, sichern. Die Weiterentwicklung der Banken- und Kapitalmarktunion darf die erfolgsbewährten Strukturen des deutschen Bankensystems mit Sparkassen, Genossenschaftsbanken und privaten Banken nicht schwächen. Das gilt sowohl bei der Überarbeitung des Krisenmanagements für Banken als auch für die Institutssicherungssysteme, deren Funktionsfähigkeit nicht gefährdet werden darf. Im Fall der Etablierung einer europäischen Einlagensicherung bedarf es zudem einer strukturellen Ausnahme der Institutssicherungssysteme. Das vorliegende Konzept trennt Haftung von Verantwortung, schwächt bewährte Sicherungssysteme und damit die mittelständische Wirtschaft insgesamt. Die Einführung eines digitalen Euro muss innovative Mehrwerte leisten und die bestehenden Systeme im Zahlungsverkehr unterstützen, ohne die Kreditvergabefähigkeit der Banken und Sparkassen einzuschränken. Dabei sollten Annahmepflichten vermieden und die Kosten für Betriebe begrenzt werden. - Nachhaltigkeitsberichterstattung und Lieferkettenregulierung mit Augenmaß
Neue Berichts- und Risikomanagement-Pflichten im Rahmen der Taxonomie für nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten, Nachhaltigkeitsberichterstattung oder auch der EU-Lieferkettenrichtlinie sowie den Verordnungen gegen Entwaldung und Zwangsarbeit treffen direkt und indirekt zunehmend auch mittelständische und kleine Unternehmen. Diese müssen oft umfangreiche Informationen über die eigenen Geschäftsprozesse sowie Lieferbeziehungen sammeln und weitergeben. So richtig die Ziele der europäischen Gesetzgebung im Grundsatz sind, so dürfen Berichts- und Sorgfaltspflichten nicht zum bürokratischen Selbstzweck werden. Bestehende Ausnahmen sind oftmals wirkungslos und müssen systematisch z. B. durch vereinfachte freiwillige Standards für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sowie anerkannte Branchenlösungen ergänzt werden. Nachhaltigkeitsregulierung darf die Wettbewerbsfähigkeit und Finanzierung gerade von KMU nicht gefährden. - Internationaler Handel als Wachstumsmotor für den Mittelstand
Offene Märkte und regelbasierter Handel sind ein entscheidender Motor für Wohlstand und Beschäftigung in Europa – gerade auch für kleine und mittelgroße Unternehmen. Allein in der Europäischen Union hängen sechs Millionen Arbeitsplätze von 600.000 exportierenden KMU ab. Die EU-Handelspolitik sollte daher Unternehmen beim Ausbau ihrer Wettbewerbsposition auf den Weltmärkten unterstützen, bei der Diversifizierung von Lieferketten helfen und Protektionismus entgegentreten. EU-Handelsschutzinstrumente sind wichtig, sollten aber nur in Fällen von klaren Wettbewerbsverzerrungen (z.B. durch unfaire Subventionierung ausländischer Unternehmen durch Drittstaaten) zum Einsatz kommen. Konkret sollten sich das Europaparlament und die EU-Mitgliedstaaten für den Abschluss von EU-Handelsabkommen etwa mit Mercosur, Indien und Indonesien einsetzen, um diese Märkte für europäische Unternehmen zu öffnen und die Diversifizierung von Lieferketten zu erleichtern. Die EU-Handelsabkommen sollten mittelstandsfreundlich ausgestaltet sein, etwa durch KMU-Kapitel oder praxisnahe Ursprungsregeln im Warenverkehr. - KMU-freundlich denken, statt kleinteilig regulieren
Die Stärke der europäischen Wirtschaft liegt im verantwortungsvollen und nachhaltigen Handeln von Millionen KMU und Kleinstunternehmen. Damit europäische Unternehmen im globalen Wettbewerb bestehen können, muss der EU-Gesetzgeber statt kleinteiliger Regulierungen die richtigen Rahmenbedingungen für gutes Wirtschaften schaffen und somit Planungssicherheit für Innovation und Wachstum gewährleisten. Priorität hat hier ein stringenter Bürokratieabbau auf EU-Ebene. Die angestrebte 25-Prozent-Kürzung der bestehenden Berichtspflichten muss dabei auch in der neuen Legislatur höchste Priorität haben, ist aber gleichzeitig nur ein erster Schritt hin zu einem kontinuierlichen und effektiven Bürokratieabbau. Um dieses Abbauziel zu erreichen, sollte die EU-Kommission eine grundlegende Bestandsaufnahme der bestehenden Berichtspflichten zu Anfang der neuen Legislatur durchführen sowie die Umsetzung bereits bestehender Regeln sicherstellen, bevor sie neue erlässt.
Quelle: ZDH
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Text:
Lars Otten /
handwerksblatt.de
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