Das Handwerk verlegt die Infrastruktur, installiert Säulen, wartet und repariert die Fahrzeuge, die die Hersteller anbieten. In Deutschland ist der französische Konzern Renault Marktführer für elektrifizierte Fahrzeuge. Der Hersteller hat mit dem Twizy, Zoe, Kangoo Z.E. und Master Z.E. die bislang umfangreichste Palette an E-Modellen. Doch wie sieht der Weg der Elektromobilität in Zukunft aus?
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Der Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH), Hans Peter Wollseifer, und der Vorstandsvorsitzende der Renault AG, Uwe Hochgeschurtz, nehmen Stellung gegenüber dem Deutschen Handwerksblatt (DHB).
DHB: Herr Wollseifer, Handwerker müssen mit Material und Mitarbeitern zu Kunden und Baustellen – und das oft mit ganz speziellen gewerkspezifischen Lösungen. Kann Elektromobilität diese logistische Aufgabe tatsächlich übernehmen?
Wollseifer: Die Elektromobilität ist eine wichtige Technik der Zukunft, aber wir können nicht von heute auf morgen einen Hebel umlegen und alles fährt elektrisch. Das heißt für den Augenblick auch, dass wir in der Modellpalette, wie sie das Handwerk im Bereich der Verbrenner aktuell nutzt, noch zu wenig Alternativangebote vorfinden. Das Angebot von Transportern, die hohe Nutzlasten transportieren und vor allem im Bau- und Ausbaugewerbe benötigt werden, nimmt gerade erst Fahrt auf. Auch bei den Fahrzeugen, die für gewerkspezifische Aus- und Umbauten nötig sind, weitet sich das Angebot erst allmählich aus.
DHB: Als Vertreter des Marktführers für Elektrofahrzeuge in Deutschland sehen Sie das vermutlich anders, Herr Hochgeschurtz.
Hochgeschurtz: Vergessen wir nicht, dass wir noch immer relativ am Anfang der Elektromobilität stehen. Wir sind mit dem Zoe seit 2013 im Markt aktiv, haben als Elektropioniere viel Erfahrung und sind schon jetzt gut aufgestellt. Private wie gewerbliche Nutzer haben schon jetzt ein wirklich breites Angebot, das sich laufend verbessert. 2022 werden wir acht E-Fahrzeuge in für Käufer relevanten Modellreihen haben und mittelfristig das Nutzfahrzeugangebot komplettieren und für jede Nutzung etwas anbieten können.
DHB: Das heißt aber auch, dass Handwerker aktuell immer noch auf Verbrenner angewiesen sind.
Hochgeschurtz: Das kommt immer auf das Einsatzgebiet an: Gewerbetreibende, die im urbanen Bereich unterwegs sind, finden schon heute maßgeschneiderte Lösungen. Man muss aber auch bei aller Überzeugung für die E-Mobilität sagen: Es ist ein Irrglaube anzunehmen, dass sich jeder Verbrenner durch ein E-Fahrzeug ersetzen lässt. Das gilt beispielsweise im Transportgewerbe, wenn Überlandfahrten mit hoher Nutzlast absolviert werden müssen. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir auch 2030 noch thermische Fahrzeuge produzieren.
Wollseifer: Natürlich gibt es Betriebe, die seit Jahren erfolgreich mit E-Modellen unterwegs sind und als Vorreiter zeigen, wie sich Elektromobilität effizient und wirtschaftlich im Unternehmen einsetzen lässt. Wir dürfen aber nicht nur die Fahrzeug-Seite betrachten, ganz entscheidend für den Erfolg von Stromern wird auch die vorhandene Ladeinfrastruktur sein.
DHB: Pkw fahren im Schnitt 60 Kilometer am Tag, gewerbliche Fahrer rund 80 Kilometer, rund 20.000 Ladepunkte gibt es bundesweit. Die Reichweite und damit die Ladeinfrastruktur dürfte damit doch kein Problem sein.
Wollseifer: Es kommt sehr darauf an, wo die Ladepunkte zu finden sind – das sind oft noch nicht die Standorte, die gewerbliche Nutzer brauchen. Durchschnittswerte vermitteln nicht die ganze Wahrheit - denn der urbane Verkehr unterscheidet sich erheblich von dem im ländlichen Raum. Bäcker, die im urbanen Raum eine festgelegte Filialroute haben, können wunderbar mit einem E-Fahrzeug agieren. Aber nehmen Sie einen Handwerker aus meinem Handwerkskammerbezirk Köln: Wenn er Kunden in der Eifel bedient, kommt er mit seinem Fahrzeug sehr schnell an Reichweitengrenzen, braucht also eine Lademöglichkeit am Ziel.
Hochgeschurtz: Auch ich sehe Handlungsbedarf bei der Ladeinfrastruktur, auch wenn sich die Situation deutlich verbessert hat. Man muss aber zwischen gewerblicher und privater Nutzung unterscheiden. Unternehmen haben für ihre Fahrzeugflotte in der Regel auf dem Betriebsgelände einen Parkplatz und können dort eine Ladeinfrastruktur aufbauen. Privatkunden in Mehrfamilien- oder gar Hochhäusern damit zu versorgen, das ist schon eine ganz andere Aufgabe.
DHB: Wen sehen Sie in der Pflicht?
Hochgeschurtz: Elektromobilität ist politisch gewünscht, daher muss die Politik entsprechende Rahmenbedingungen schaffen. Es kann beispielsweise nicht sein, dass bei Wohneigentumsgemeinschaften schon eine Stimme reicht, um das Errichten einer Ladesäule oder Wallbox zu verhindern. Wir müssen aber auch über die Qualität der Ladeinfrastruktur im öffentlichen Raum reden. Bislang sind nur etwa 20 Prozent der Ladepunkte Schnelllader.
Wollseifer: Weshalb auch die Energiewirtschaft gefordert ist. Und das gilt nicht nur für den Ausbau der öffentlichen Ladeinfrastruktur. Wenn ein großer Handwerksbetrieb heute bei einem Energieversorger anklopft, um für seine 20 Fahrzeuge zehn Ladestationen zu ordern, kann er froh sein, ein Fünftel davon zu bekommen. Hier muss mehr passieren, um die Energiewende schneller anzugehen.
DHB: Wobei das auch eine Kostenfrage ist. Wer eine größere Flotte auf E-Fahrzeuge samt Ladeinfrastruktur umstellen will, gelangt schnell an finanzielle Grenzen.
Wollseifer: Hier hätte ich mir eine bessere Förderung von Berlin gewünscht, die nicht mit dem Privatkunden und der Umweltprämie anfängt, sondern bei den Unternehmen ansetzt – und das mit einer bestmöglichen Transparenz, was es wo an Fördergeldern gibt. Wir sollten aber in jedem Fall technologieoffen bleiben. Mit der Brennstoffzelle gibt es eine interessante Alternative.
Hochgeschurtz: Man sollte die Elektromobilität nicht nur unter Kostenaspekten sehen. Es handelt sich schließlich um eine emissionsfreie Mobilität, die mögliche Fahrverbote nicht berührt. Außerdem wird die Technologie stets besser und preiswerter. In fünf Jahren reden wir beispielsweise über Feststoffbatterien mit ganz anderen Ladekapazitäten und Reichweiten. Zurzeit erleben wir einen hochinteressanten Technologiesprung in der Elektromobilität: Vehicle-to-Grid.
DHB: Sie meinen, dass Nutzer aus der Batterie des E-Fahrzeugs bei Bedarf Strom ziehen können.
Hochgeschurtz: Richtig. Unser neuer Zoe ist derzeit der einzige Stromer auf dem Markt, der das kann, aber der Markt wird nachziehen. Das spannende an Vehicle-to-Grid ist, dass Privathaushalte, aber auch gewerbliche Nutzer, ihr E-Auto nutzen können, um Stromspitzen abzufedern. Statt zu Höchstpreisen Strom aus dem Netz zu ziehen, kommt der aus dem eigenen Auto. Eine clevere, saubere und preiswerte Lösung, wenn der Besitzer sein Fahrzeug über eine eigene Solaranlage lädt. Da werden noch viele weitere, spannende Innovationen folgen.
Wollseifer: Das Handwerk hat sich schon immer auf neue Technologien eingestellt. Das gilt auch für die Elektromobilität, die wir in den unterschiedlichsten Gewerken mit vorantreiben. Vor allem kann sich das Handwerk auch langfristig als doppelter und nachhaltiger Problemlöser positionieren. Gerade die Autoindustrie beklagt, dass die Elektromobilität viele Jobs kosten wird, weil sie im Vergleich zu Verbrennermotoren in der Entwicklung und Technik weniger Mitarbeiter braucht. Ankündigungen mit Stellenstreichungen waren ja schon zu lesen. Auch hier steht das Handwerk parat: Uns fehlen rund eine viertel Million Mitarbeiter.
Das Interview führte Stefan Buhren
Text:
Stefan Buhren /
handwerksblatt.de
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