Rückzahlung der Corona-Hilfen: Frust im Friseurhandwerk
Das Friseurhandwerk leidet unter der Konkurrenz zu Billig-Friseuren und ist durch Rückforderungen der Corona-Hilfe verunsichert. Der Landesverband Rheinland rät zum Widerspruch.
Die Stimmung im rheinland-pfälzischen Friseurhandwerk ist nicht gut. Zum wirtschaftlichen Druck kommt bei vielen Friseuren das Gefühl, bei den Corona-Hilfen ungerecht behandelt worden zu sein. Viele von ihnen bekommen seit Jahresbeginn Post von der Förderbank ISB mit Rückforderungen von Corona-Soforthilfen.
Wir haben mit Dirk Kleis, Geschäftsführer des Landesverbandes Friseure & Kosmetik Rheinland, über die wirtschaftliche Situation, aktuelle Ausbildungszahlen und Handlungsempfehlungen beim den Corona-Soforthilfen gesprochen.
Wirtschaftliche Situation und Umsatz: Geprägt von Kleinstbetrieben
Dirk Kleis, Geschäftsführer des Landesverbandes Friseure & Kosmetik Rheinland Foto: © Landesverband Friseure & Kosmetik RheinlandRund 80.500 eingetragene Friseurbetriebe gibt es derzeit in Deutschland, davon knapp 3.000 in Rheinland-Pfalz. "Von den 80.500 Betrieben arbeiten 48 Prozent unterhalb einer Umsatzgrenze von 50.000 Euro", berichtet Dirk Kleis.
Nochmal 29 Prozent Prozent der Betriebe haben einen Jahresumsatz von 50.000 bis 125.000 Euro. "Drei Viertel aller Betriebe haben also einen Jahresumsatz von unter 125.000 Euro. Das zeigt, wie klein die Betriebsstrukturen sind."
30 Prozent der Friseure arbeiten sogar unterhalb der Kleinunternehmergrenze von 25.000 Euro Umsatz und zahlen deshalb keine Umsatzsteuer. "Sie haben kein Personal, keine Auszubildenden und sehr häufig keinen stehenden Salon", berichtet Kleis. "Sofern sie sich an alle Regeln halten, ist das auch legal. Da aber jeder dritte Betrieb so arbeitet, ist das doch ein erhebliches Problem für die Branche. Kleinunternehmer können ihre Leistungen 19 Prozent billiger anbieten als der reguläre Friseur in seinem Salon."
Die Forderung des Friseurhandwerks an die Politik ist deshalb eine Reduzierung der Mehrwertsteuer auf sieben Prozent. Man treffe bei dem Thema auf offene Ohren, konkrete Zusagen gebe es aber von keiner Partei. Eine weitere Forderung ist eine verstärkte Kontrolle durch die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) beim Zoll und durch die Handwerkskammern.
Neben der unfairen Konkurrenz durch Billigfriseure und Schwarzarbeit belastet die Salons, dass Kundinnen und Kunden seltener zum Friseur gehen.
Mehr in die Qualität der Ausbildung investieren
"Der Ausbildungsmarkt im Friseurhandwerk ist bundesweit wie auch in Rheinland-Pfalz zuletzt deutlich eingebrochen", berichtet Dirk Kleis. "In Deutschland gibt es aktuell noch etwa 13.500 Azubis. Vor 15 Jahren waren das über 40.000."
In Rheinland-Pfalz gab es 2024 insgesamt 327 neu abgeschlossene Ausbildungsverhältnisse, acht Prozent weniger als im Vorjahr. Ein positiver Lichtblick: "Im Bundestrend gab es zuletzt einen leichten Anstieg, zum ersten Mal seit vielen Jahren." Auffällig sei eine steigende Zahl von männlichen Azubis, die inzwischen ein gutes Drittel aller Azubis ausmachen. "Leider haben wir aber mit 25 bis 30 Prozent relativ hohe Abbruchquoten."
Der Verband appelliert deshalb an die Betriebe, mehr Engagement in die Qualität der Ausbildung zu investieren und wünscht sich mehr Berufsorientierung an den Schulen. Um die Ausbildung attraktiver zu machen, hat der Verband im Herbst einen neuen Ausbildungstarifvertrag abgeschlossen, der inzwischen allgemeinverbindlich ist. "Damit haben wir in unserem Verbandsgebiet aktuell mit die höchsten Ausbildungsvergütungen."
Rückforderung der Corona-Soforthilfe
Im März 2020, ganz am Anfang der Pandemie, wurde die Corona-Soforthilfe durch den Bund ins Leben gerufen. Solo-Selbstständige, Freiberufler und kleine Unternehmen haben kurzfristig bis zu 9.000 Euro erhalten, teilweise auch bis zu 15.000 Euro. Damit sollten sie ihren Liquiditätsbedarf für drei Monate abdecken können, es war die Zeit des ersten Lockdowns. Die Gelder wurden über die Landesbanken ausgezahlt. Damals wurde vielfach kommuniziert, dass es sich nicht um Darlehen, sondern um Zuschüsse handelt.
Die Hygieneaufwendungen im Friseurhandwerk waren enorm. Foto: © kzenon/123RF.com"Im vergangenen Jahr haben die Landesbanken allerdings alle Zuwendungsempfänger aufgefordert, ihre wirtschaftliche Situation im Antragsmonat und den zwei Folgemonaten darzulegen", berichtet Kleis. Die Banken wollten wissen, ob die Liquiditätsengpässe tatsächlich bestanden haben.
Hier kommt eine Besonderheit des Friseurhandwerks in Spiel: Als die Salons am 4. Mai 2020 wieder öffnen durften, kamen die Kunden scharenweise. "Die Friseure haben im Mai und Juni teilweise zwölf Stunden gearbeitet und entsprechend hohe Umsätze generiert", erzählt Dirk Kleis. "Wenn man nun rückwirkend die Liquiditätsengpässe berechnet, fallen die meisten Friseure raus."
Bei den Förderkriterien wurde auch nicht berücksichtigt, dass im Friseurhandwerk während der Pandemie erhebliche Hygieneaufwendungen erfüllt werden mussten. So sind durch Mindestabstände in den Salons viele Bedienplätze nicht nutzbar gewesen was zu erheblichen Umsatzeinbußen führte.
Die hohen Hygienestandards und weitere Schutzmaßnahmen haben damals ebenfalls zu hohen wirtschaftlichen Belastungen geführt. Noch dazu sei aktuell strittig, ob Personalkosten und Unternehmerlohn angerechnet werden können. "Diese Dinge berücksichtigt die ISB nicht, was dazu führt, dass viele Friseure in Rheinland-Pfalz nun einen Rückforderungsbescheid erhalten haben, was zu großer Unruhe und Verärgerung geführt hat."
Was tun?
Der Verband rät betroffenen Friseuren, gegen die Rückforderung Widerspruch einzulegen. Innungsmitglieder werden dabei vom Verband unterstützt, alle anderen können den Widerspruch selbst einlegen oder sich Rechtsbeistand holen. Es könnte sich lohnen, denn, so Kleis: "Wir haben Zweifel daran haben, ob das, was heute berechnet wird, in Einklang zu dem steht, was damals kommuniziert wurde. Es gibt bereits viele anhängige Rechtsverfahren zu diesem Thema und in Baden-Württemberg mehrere Urteile, die die Rückzahlungsbescheide in erster Instanz aufgehoben haben."
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Text:
Kirsten Freund /
handwerksblatt.de
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