Jubiläum des Kammerwesens: seit 125 Jahren mit wegweisenden Prinzipien
Die nordrhein-westfälischen Handwerkskammern feiern ihr 125-jähriges Bestehen. Mit einem Festakt und einem Delegiertenabend hat der WHKT gemeinsam mit den Spitzenvertretungen der sieben Kammern das Jubiläum der handwerklichen Selbstverwaltung gewürdigt.
"Es gibt viel zu feiern." Mit diesen Worten eröffnete Berthold Schröder den Festakt des NRW-Handwerks zum 125-jährigen Bestehen der Handwerkskammern in Nordrhein-Westfalen. "Wenn es die Kammern nicht gäbe, man müsste sie erfinden", so der Präsident des Westdeutschen Handwerkskammertags (WHKT). Ihre Gründung im Jahr 1900 sei ein revolutionärer Schritt gewesen. "Wegweisende Prinzipien" wie die Eigenverantwortung und die demokratische Selbstverwaltung spielten dabei eine große Rolle und hätten immer noch Geltung. Eine Besonderheit der Kammerverfasstheit sei die Beteiligung der Arbeitnehmer, die die Wirklichkeit in den Handwerksbetrieben reflektiere. Dort gebe es ein enges Miteinander der Mitarbeiter und des Unternehmers, das sich in der Verfasstheit der Kammern spiegele.
Ohne das Handwerk sind unsere politischen Ziele nicht umzusetzen, sagte NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur. Foto: © WHKT / RG"Ohne das Handwerk sind unsere politischen Ziele nicht umzusetzen", sagte NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne) in ihrem Grußwort. Mit Blick auf die Klimakrise, der Verunsicherung durch drohende Handelskriege und die Befürchtung, dass die regelbasierte Ordnung keine Basis für Wohlstand mehr bieten könne, sei es gut zu wissen, dass in den Handwerkskammern die Werte wie Selbstverwaltung, Ehrenamt und Demokratie gelebt werden. "Nordrhein-Westfalen wäre um einiges ärmer, könnten wir uns nicht darauf verlassen, dass gerade die Handwerkskammern die Landesregierung nicht wir Amazon behandeln: eine Bestellung abgeben und dann eine Lieferung erwarten." Das Handwerk bringe vielmehr immer eigene Ideen in die Politik ein.
Großer Kampf für eine große Errungenschaft
Es sei eine wichtige Aufgabe des Handwerks in der heutigen Zeit, der Gesellschaft deutlich zu machen, welch einen unersetzlichen Wert das Kammerwesen habe, ZDH-Präsident erklärte Jörg Dittrich. Foto: © WHKT / RGEr denke oft demütig an die Menschen, die das Kammerwesen im Handwerk möglich gemacht haben, erklärte Jörg Dittrich, Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH). Das sei keine Selbstverständlichkeit gewesen, sondern ein großer Kampf für eine große Errungenschaft: den Interessenausgleich von Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Es sei eine wichtige Aufgabe des Handwerks in der heutigen Zeit, der Gesellschaft deutlich zu machen, welch einen unersetzlichen Wert das Kammerwesen habe. In den vergangenen 70 Jahren habe die deutsche Politik eine starke Interessenvertretung des Handwerks zugelassen. Das Ergebnis sei eine starke Wirtschaft.
Festredner war der Direktor der Stiftung Rheinisch-Westfälisches Wirtschaftsarchiv Köln, Dr. Ulrich Soénius. Er warf einige Schlaglichter auf die 125-jährige Geschichte der Handwerkskammern in NRW und startete mit einem historischen Zitat von Ludwig Erhard, das immer noch höchst aktuell sei: "Es ist heute allgemeine Überzeugung, dass in dem geschäftigen Getriebe unserer Tage weder Gesetzgebung noch Verwaltung auf Institutionen wie die Handwerkskammern verzichten können. Schon vor 125 Jahren brauchte der Staat die Handwerkskammern." Die Kammern im heutigen Nordrhein-Westfalen starteten sehr bescheiden, mit wenig Personal und einfachen Räumen.
Dachten im ersten Vierteljahrhundert noch angeblich kluge Menschen, dass sich das Handwerk überlebt habe, so wird dies heute auch aufgrund der Wirksamkeit der hiesigen Handwerksorganisation niemand mehr ernsthaft behaupten, betonte Festredner Ulrich Soénius. Foto: © WHKT / RG"Der Gesetzgeber wollte eine effiziente Organisation schaffen und vor allem die Selbstverwaltung der Wirtschaft." Sie sei von Beginn an ein hohes Gut gewesen. Damals wie heute sei dafür großes ehrenamtliches Engagement der Handwerker notwendig – ohne sei eine Organisation von dieser Größe nicht denkbar. Ohne Ehrenamt gehe es nicht. Laut Erhard kann die Handwerksorganisation ihre Aufgaben dauerhaft nur erfüllen, wenn der einzelne Handwerker bereit ist, in der berufsständischen Gemeinschaft Verantwortung zu tragen und Pflichten zu übernehmen. "Anscheinend hat diese Verantwortungs- und Pflichtübernahme funktioniert, denn sonst wären wir heute nicht hier", erklärte Soénius. Besonders hob er auch das überregionale Engagement der NRW-Kammern hervor. Von acht ZDH-Präsidenten kamen vier aus Nordrhein-Westfalen.
"Handwerkskammern haben auch in Zukunft eine wichtige Funktion"
Handwerk und Politik im DialogZum Abschluss des Festakts diskutierten Wirtschaftsministerin Mona Neubaur, Staatssekretär Matthias Heidmeier, WHKT-Präsident Berthold Schröder und WHKT-Vizepräsident Alexander Hengst im Dialog zum Thema "Die Handwerkskammern – Partner von Politik und Verwaltung".
"Ohne das Handwerk geht es nicht"
Beim Delegiertenabend des WHKT nutzte NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) die Gelegenheit, den sieben Handwerkskammern im Land zu gratulieren. Das Handwerk sei das Rückgrat der Wirtschaft und bezeichne sich zu Recht als Wirtschaftsmacht von nebenan. Es seien die Handwerksbetriebe, die den Arbeitsmarkt in vielen Regionen prägen. "Zum 125-jährigen Jubiläum gratuliere ich herzlich. Dieses Jubiläum steht für handwerkliches Schaffen, Unternehmergeist und wirtschaftliche Stärke in Nordrhein-Westfalen. Gemeinsam sorgen wir dafür, dass das Handwerk in unserem Land weiter stark, innovativ und zukunftsorientiert wachsen kann." Die anstehenden Herausforderungen seien ohne das Handwerk nicht zu meistern.
Damit es seine wichtige Rolle spielen kann, müsse die Politik an den Rahmenbedingungen arbeiten. Ein steuerfinanziertes Konjunkturprogramm für die Infrastruktur über 500 Milliarden Euro reiche nicht aus, um eine dauerhafte Wirkung zu erzielen. Wüst forderte mehr Verlässlichkeit bei den Rahmenbedingungen – besonders in der Energiepolitik. Das sei sowohl für die Industrie als auch für das Handwerk wichtig. Essenziell sei auch das Thema Vertrauen des Staates in die Unternehmen. Fehle es, führe das permanent zu neuer Bürokratie. "Wenn dieser Staat wieder mehr Vertrauen geben soll, müssen wir auch in Kauf nehmen, dass in einem entwickelten Land auch einmal etwas schiefgehen kann." Denn das ständige Absichern führe zu immer mehr Regulierung.
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Text:
Lars Otten /
handwerksblatt.de
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