Wann ist eine E-Mail zugegangen?
Es genügt, dass eine E-Mail zu den üblichen Geschäftszeiten auf dem Server gelandet ist, damit sie offiziell als zugegangen gilt. Dass der Empfänger sie auch gelesen hat, ist nicht notwendig, sagt der Bundesgerichtshof.
Die Briefpost wird im Geschäftsleben immer mehr von der elektronischen Kommunikation verdrängt. Im digitalen Zeitalter kommt es nicht darauf an, dass eine E-Mail gelesen wird, sondern lediglich, dass sie gelesen werden könnte. Dass die E-Mail tatsächlich abgerufen und zur Kenntnis genommen wird, ist für den Zugang nicht erforderlich, meint der Bundesgerichtshof (BGH).
Der Fall
Ein Handwerker und sein Kunde stritten über eine offene Rechnung für Metallbau- und Fassadenbegrünungsarbeiten an einem Bau. Zur Beendigung des Streits hatte der Anwalt des Handwerkers dem Anwalt des Kunden gemailt, dass die Sache erledigt sei, wenn der Kontrahent einen bestimmten Teilbetrag bezahle. Nur eine Stunde später mailte er erneut und betonte, dass dieses Angebot nicht abschließend gemeint gewesen sei und die vorherige Mail unberücksichtigt bleiben solle.
Eine Woche später zahlte der Kunde, aber nur die Teilrechnung. Der Handwerker war damit unzufrieden und klagte den Differenzbetrag ein. Der Kunde war der Ansicht, dass die erste E-Mail entscheidend gewesen sei und er das Angebot auf Teilzahlung wirksam angenommen habe. Die zweite Mail sei ein verspäteter und damit unwirksamer Widerruf gewesen.
Das Urteil
Die entscheidende Frage war, wann die erste E-Mail zugegangen ist und ob sie wirksam widerrufen werden konnte. Mit dieser Frage hat sich der Bundesgerichtshof hier zum ersten Mal befasst.
Laut Gesetz muss die Willenserklärung – hier die E-Mail des Anwalts des Handwerkers – so in den Bereich des Empfängers – hier des Anwalts des Kunden – gelangen, dass dieser unter normalen Verhältnissen die Möglichkeit hat, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen. Die Karlsruher Richter entschieden, dass hier die erste E-Mail mit dem Angebot auf Teilzahlung zugegangen war und nach Zugang nicht mehr widerrufen werden konnte. Die Zahlung des Kunden innerhalb einer Woche war eine konkludente Annahme und damit das Geschäft wirksam.
Der Empfänger konnte die E-Mail abrufen
Der BGH begründete seine Entscheidung damit, dass der von einem Empfänger genutzte Mailserver jedenfalls dann als sein Machtbereich anzusehen sei, in dem ihm Willenserklärungen in elektronischer Form zugehen können, wenn er durch Veröffentlichung der E-Mail-Adresse oder sonstige Erklärungen zum Ausdruck bringe, Rechtsgeschäfte mittels elektronischer Erklärungen in Form von E-Mails abzuschließen. Der Empfänger werde über den Eingang der E-Mail unterrichtet. In diesem Zeitpunkt sei er in der Lage, die E-Mail-Nachricht abzurufen und auf seinem Endgerät anzeigen zu lassen, sodass dann der Zugang anzunehmen sei.
Inwieweit diese Grundsätze auch auf den E-Mailverkehr mit Privatleuten anzuwenden sind, wird noch zu klären sein.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 6. Oktober 2022, Az. VII ZR 895/21
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Text:
Anne Kieserling /
handwerksblatt.de
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