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Heike Kaunath (links), Betriebsberaterin der Handwerkskammer Potsdam, und Kristin Lindell, Projektmanagerin Unternehmensnachfolge in Brandenburg

Heike Kaunath (links), Betriebsberaterin der Handwerkskammer Potsdam, und Kristin Lindell, Projektmanagerin Unternehmensnachfolge in Brandenburg (Foto: © Handwerkskammer Potsdam / Jana Kuste)

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Diese 9 Fragen stellt jeder potenzielle Nachfolger

Die Betriebsnachfolge stellt Inhaber im Handwerk vor viele Fragen. Die neun wichtigsten Fragen und passende Tipps hier zusammengefasst.

Die Betriebsnachfolge stellt Inhaber im Handwerk vor viele Fragen: Was erwarte ich von meinem Nachfolger? Welche Erwartungen hat er – und kann ich sie erfüllen? Wird er den Preis bezahlen, den ich mir vorstelle? Und vor allem: Werde ich überhaupt einen Nachfolger finden? Denn die Nachfrage ist deutlich geringer als das Angebot an Betrieben.

Was bei diesen Überlegungen hilft: Die Themen der potenziellen Nachfolger unterscheiden sich gar nicht so sehr von den täglichen unternehmerischen Herausforderungen der Altinhaber. Es geht um wirtschaftliche Tragfähigkeit, um Zukunftsaussichten und um Klarheit und Verlässlichkeit. Das zeigen die folgenden neun Fragen, die jeder Nachfolgekandidat stellt.

1. Ist der Betrieb zukunftsfähig?

Diese Frage steht für viele potenzielle Nachfolgerinnen und Nachfolger an erster Stelle. "Ein Unternehmen muss insgesamt zukunftsfähig aufgestellt sein – bei den Mitarbeitenden ebenso wie bei der technischen Ausstattung", sagt Heike Kaunath, Betriebsberaterin der Handwerkskammer Potsdam. Auch das Leistungsangebot muss auf lange Sicht tragfähig sein. Entscheidend ist dabei nicht, was gerade im Trend liegt, sondern was zur Ausrichtung des Betriebs, zum Standort und zur Kundschaft passt. So kann ein SHK-Betrieb, der sich auf den Austausch von Ölheizungen gegen Wärmepumpen spezialisiert hat, sehr gute Perspektiven bieten – trotz enger Marktnische.

Tipp Überprüfen Sie die Ausrichtung Ihres Handwerksbetriebs. Wie schätzen Sie die Nachfrage nach Ihren Leistungen für die nächsten 10 bis 15 Jahre ein? Wird sich die Nachfrage gravierend verändern, und wie können Sie den Betrieb darauf vorbereiten?

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2. Wie ist das Team aufgestellt? 

Für potenzielle Nachfolger ist das Team ein entscheidender Erfolgsfaktor. "Angesichts des Fachkräftemangels sind die Altersstruktur, die Qualifikation und die Einsatzbereitschaft der Mitarbeiter sehr wichtig", sagt Tobias Klein, Betriebsberater der Handwerkskammer Koblenz. Der Nachfolger werde nicht von heute auf morgen neue Mitarbeiter aus dem Hut zaubern können. Daher müsse er sich sicher sein, dass er den Übergang gemeinsam mit dem bestehenden Team leisten kann.

TippKümmern Sie sich rechtzeitig um die Akquise neuer Mitarbeiter und marktgerechte Weiterbildungen, um eine Überalterung zum Übergabezeitpunkt zu vermeiden.

3. Wie ist der Betrieb ausgestattet? 

Auch die Ausstattung des Unternehmens mit Maschinen und Werkzeugen interessiert potenzielle Nachfolger "brennend", betont Klein. Sind die Maschinen noch aktuell? Besteht größerer Investitionsbedarf? Je nach Gewerk kann dabei auch der Grad der Digitalisierung eine Rolle spielen.

TippVermeiden Sie einen Investitionsstau vor der Übergabe. Investitionen sollten sich an den Erfordernissen des Marktes und Ihrer Unternehmensstrategie ausrichten, empfiehlt Klein. Ist die Lage nicht eindeutig? Dann bilden Sie Rücklagen für Investitionen und entscheiden Sie gemeinsam mit dem Nachfolger über die Ausrichtung.

4. Wird der Standort mit übergeben? 

Der Standort spielt bei jeder Betriebsübernahme eine entscheidende Rolle – unabhängig vom Gewerk. Nachfolgende wollen wissen, ob sie den Standort übernehmen können, ob dieser gemietet oder im Eigentum des Betriebsinhabers ist, und wie es weitergeht. "Manche Nachfolger möchten die Immobilie kaufen, andere lieber mieten", sagt Heike Kaunath. "Aber der Kauf erhöht natürlich die Finanzierungssumme und damit den Finanzierungsbedarf deutlich."

Tipp "Es ist wichtig, dass sich Betriebsinhaber frühzeitig Gedanken machen: Gehört die Immobilie dem Betrieb, mir persönlich oder einer dritten Partei? Und will ich verkaufen oder vermieten?", sagt Kaunath. Auch steuerliche Aspekte sollten rechtzeitig geprüft werden: "Wenn die Immobilie beispielsweise im Betriebsvermögen liegt, können beim Unternehmensübergang erhebliche steuerliche Konsequenzen entstehen. Diese sollte man unbedingt vorher klären."

5. Wie digital ist der Betrieb aufgestellt? 

Die Digitalisierung eines Handwerksbetriebs ist ein wichtiger Hebel zur Effizienzsteigerung. Potenzielle Nachfolger wissen das und haben entsprechende Erwartungen: Digitalisierte Prozesse und Strukturen können ihnen helfen, den Fachkräftemangel wie auch die persönliche Auslastung als Betriebsinhaber abzufedern. "Nachfolger interessieren sich sehr für Betrieb digitale, automatisierte Prozesse und für den Einsatz von künstlicher Intelligenz", berichtet Tobias Klein.

TippBei der Digitalisierung sollten Betriebsinhaber nicht auf die Nachfolgegeneration warten, sagt Klein. "Digitalisierung und künstliche Intelligenz sparen Arbeitszeit ein, die ein Betrieb für andere Aufgaben nutzen kann. Das zahlt sich in jedem Fall aus, nicht erst bei der Nachfolgersuche."

6. Wie ist die wirtschaftliche Lage des Betriebs? 

Ein realistischer Blick auf die wirtschaftliche Situation ist für Übernahmeinteressierte zentral – insbesondere mit Blick auf die Ertragslage, weiß Heike Kaunath. "Nachfolger wollen nachvollziehen können, wie der Betrieb wirtschaftlich dasteht – vor allem beim Ertrag", sagt sie. Schlechte Jahre zwischendurch? "Dabei reicht ein Verweis auf Corona nicht. Es muss nachvollziehbar sein, wie sich der Betrieb entwickelt hat, warum es Schwankungen gab und wie diese zustande kamen."

TippFür das erste Gespräch sollte laut Kaunath eine Übersicht mit wesentlichen betriebswirtschaftlichen Zahlen erstellt werden. Jahresabschlüsse übergebe man besser erst, wenn konkretes Interesse besteht. "Denn mit ihnen gibt man einen tiefen Einblick in den Betrieb – auch für potenzielle Mitbewerber. "

7. Was soll der Betrieb kosten? 

Der Kaufpreis ist ein wichtiger Verhandlungspunkt zwischen Übergeber und Übernehmer. "Der Betriebsinhaber sollte einen realistisch finanzierbaren Unternehmenswert ermitteln lassen", sagt Tobias Klein, "sonst bleibt der Inhaber auf dem Betrieb sitzen, weil ihn niemand finanzieren kann."

TippNutzen Sie die kostenfreie Betriebsbewertung durch die Betriebsberatung Ihrer Handwerkskammer, empfiehlt Klein. Besonders geschulte Berater der Kammer wenden dafür den sogenannten AWH-Standard an ("AWH" = Arbeitskreis der Wert ermittelnden Berater im Handwerk). Der AWH-Standard berücksichtigt die Ertragskraft des Betriebs und Risikofaktoren wie die Abhängigkeit vom Inhaber und den Zustand der Betriebsausstattung. Der Unternehmenswert wird durch den prognostizierten Gewinn und den Kapitalisierungszinssatz berechnet. Der Substanzwert von Aktiva wie Maschinen, Fahrzeugen und Material wird nur berücksichtigt, wenn der Ertragswert kleiner als der Substanzwert ist. Für den Kaufpreis ist der so ermittelte Unternehmenswert eine hilfreiche Orientierung. Letztlich ist der Kaufpreis Verhandlungssache zwischen Käufer und Verkäufer.

8. Wie lässt sich die Übernahme finanzieren? 

Nachfolger können den Kaufpreis nur selten aus eigener Kraft aufbringen. Daher sollte die Frage nach der Finanzierung beide Seiten interessieren, wenn sie zu einem Abschluss kommen wollen. Im Idealfall könne der Kaufpreis mit Hilfe von Banken und Fördermitteln gestemmt werden, sagt Heike Kaunath: "Die meisten Nachfolger müssen zu 80 bis 90 Prozent finanzieren." Auch eine Übernahme mit wenig Eigenkapital sei möglich, so Kaunath. "Wenn die Finanzierung über eine Bürgschaftsbank abgesichert wird, ist unter bestimmten Voraussetzungen sogar eine 100-prozentige Finanzierung machbar." Entscheidend sei in jedem Fall eine fundierte Bewertung des Betriebs: "Das Unternehmen muss so viel Ertrag abwerfen, dass Kapitaldienst, Tilgung und Unternehmerlohn dadurch abgedeckt sind."

TippHolen Sie die Betriebsberatung Ihrer Handwerkskammer bei der Nachfolge ins Boot. Sie sind Profis in Sachen Nachfolgefinanzierung, kennen alle Fördermöglichkeiten und werden Sie und Ihren Nachfolger unterstützen.

9. Wann und wie wird übergeben? 

Die Nachfolgegeneration ist ungeduldig: "Viele Nachfolger wollen heute schneller als früher in die Verantwortung und nicht lange warten", berichtet Tobias Klein. "Es geht heute ja auch schneller vom Gesellen zum Meister. Manche machen ihren Meister schon mit 22, könnten also direkt übernehmen und sind sehr euphorisch." Aber ein paar Dinge brauchen nun einmal Zeit, sagt Tobias Klein. Drei bis fünf Jahre – so viel Zeit sollten sich Betriebsinhaber und Nachfolger nehmen, vom ersten Gespräch bis zur endgültigen Übergabe. Allein schon Unternehmensbewertung, Businessplan und Finanzierung seien kaum unter einem Jahr zu schaffen.

Tipp"Eine Probephase im Unternehmen nützt beiden ", sagt Klein. Wichtig sei es, dass Betriebsinhaber und Nachfolger gemeinsam einen Zeitplan und eine Ausstiegsstrategie entwickeln. "Der Inhaber muss signalisieren, dass er abgeben kann."

Nutzen Sie die Nachfolgeangebote der Handwerkskammern

Viele Nachfolger wollen heute schneller als früher in die Verantwortung. Tobias Klein, Betriebsberater der Handwerkskammer Koblenz Foto: © Foto Studio ReutherViele Nachfolger wollen heute schneller als früher in die Verantwortung. Tobias Klein, Betriebsberater der Handwerkskammer Koblenz Foto: © Foto Studio Reuther

Eine gelungene Betriebsnachfolge braucht Zeit: "Fünf bis zehn Jahre vor dem gewünschten Übergabezeitpunkt sollten Betriebsinhaberinnen und Betriebsinhaber mit den Vorbereitungen beginnen", sagt Kristin Lindell von der Handwerkskammer Potsdam. Im Projekt "Unternehmensnachfolge in Brandenburg" sensibilisiert sie Unternehmerinnen und Unternehmer für eine frühzeitige Regelung und begleitet sie bei der Vorbereitung des Übergabeprozesses.

Die persönlichen Besuche und vertraulichen Gespräche seien besonders hilfreich, so Lindell, "weil es dabei zunächst nur um die persönliche Perspektive der Inhaberinnen und Inhaber und die ihres Betriebs geht". Auf dieser Basis entstehen individuelle Nachfolge- Fahrpläne. "Auch im eigentlichen Übergabeprozess unterstützen wir die Inhaber – mit Beraterinnen und Beratern, die auf das Thema Nachfolge spezialisiert sind."

TippBeratung zur Betriebsnachfolge, von der Planung bis zur Finanzierung, gehört zu den Kernkompetenzen aller Handwerkskammern. Sie helfen auch bei der Nachfolgersuche in der Betriebsbörse nexxt-change.org und in den regionalen Börsen der Handwerkskammern. Alle Leistungen sind kostenlos.

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Text: / handwerksblatt.de

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