"Einer der für mich wichtigsten Punkte ist 
der Austausch und die Vernetzung unter den Betrieben. Das müssen wir durch unsere Handwerks­organisationen noch stärker fördern."
Rudi Müller, Präsident der Handwerkskammer Trier

"Einer der für mich wichtigsten Punkte ist 
der Austausch und die Vernetzung unter den Betrieben. Das müssen wir durch unsere Handwerks­organisationen noch stärker fördern."
Rudi Müller, Präsident der Handwerkskammer Trier (Foto: © Constanze Knaack-Schweigstill)

Vorlesen:

Man braucht den ­starken Zusammenhalt

Handwerkspolitik

Zwei Jahrzehnte stand Rudi Müller als Präsident an der Spitze der Handwerkskammer Trier. Jetzt verabschiedet sich der Tischlermeister als Ehrenpräsident in den Ruhestand – Zeit für eine Bilanz.

DHB: Nach 20 Jahren an der Kammerspitze: Was waren für Sie die wichtigsten Ereignisse in Ihrer Amtszeit?

Müller: Die Standortsicherung unserer Handwerkskammer. Wir gehören zu den kleinsten Kammern in Deutschland, müssen effektiv mit allen Beteiligten zusammenarbeiten und nah bei unseren Betrieben sein. Somit war die Optimierung unserer Kunden­orientierung sehr wichtig.

Der Bau unseres Campus Handwerk war ebenfalls ein besonderer Meilenstein zur Zukunftssicherung. Eine zukunftsorientierte Aus- und Weiterbildung ist ein starkes Mittel zur Bekämpfung des Fachkräfte­mangels und zur Bindung von Mitarbeitern.

DHB: An welchen Punkten denken Sie heute, das hätte ich anders machen müssen, was haben Sie nicht durchsetzen können – und wie hat das Ihr späteres Handeln verändert?
Müller: Ich bedauere die verpassten Chancen durch nicht gelungene, stärkere Kooperationen und Syner­gieeffekte mit unseren Kreishandwerkerschaften. Hier hätten wir mehr erreichen können.

Es ist sehr wichtig, dass sich die Betriebe stärker an den Bedürfnissen ihrer Kunden orientieren, dabei aber auch den Blick auf ihre Mitarbeiter behalten. Noch immer verlieren wir ganze Geschäftsbereiche an den Handel, an Energieversorger und an die Industrie. Oft verlassen Azubis und unsere Mitarbeiter das Handwerk, nur weil sie weg vom Betrieb wollen. Wir versuchen, dies in der Meisterausbildung und in der Weiterbildung für unsere Führungskräfte einzugrenzen. Wir haben deshalb auch den einfach umsetzbaren »Praktikumscoach« entwickelt, damit die Jugendlichen in ihrem Praktikum nicht enttäuscht werden und mit Begeisterung im Betrieb bleiben.

Das könnte Sie auch interessieren:

Die Handwerkskammer Trier gehört zu den ­kleinsten ­Kammern in Deutschland.

DHB: Wie schwer fällt es als Präsident, das gesamte Handwerk und nicht nur Ihr eigenes Gewerk zu vertreten?

Müller: Sehr schnell erkennt man, dass man mit seiner Innung nicht allein auf der Welt ist. Man braucht den starken Zusammenhalt im gesamten Handwerk, um handwerkspolitisch Erfolg zu haben. Aus meiner Sicht ist auch eine gute Zusammenarbeit mit der Industrie- und Handelskammer sehr wichtig!

DHB: Als Präsident sind Sie wichtiger Ansprechpartner für die Politik und zugleich Lobbyist. Können Sie nachvollziehen, an welchen Punkten Sie – gemeinsam mit den anderen Kammern – gezielt Entscheidungen im Sinne des Handwerks positiv beeinflusst haben?

Müller: Da war zum einen der erfolgreiche Kampf für die Anerkennung und Förderung des Meisterbriefs als Qualitätssiegel des Handwerks. Zum anderen die Imagekampagne mit mehr Wertschätzung in der Gesellschaft. Mit der Rückvermeisterung in zwölf Berufen haben wir großen Schaden im Handwerk eingegrenzt und unseren Kunden wieder Sicherheit und Vertrauen zurückgegeben. In der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit im Interregionalen Rat der Handwerkskammern der Großregion haben wir vielfältige Verbesserungen, z. B. bei grenzüberschreitenden Hemmnissen, erreicht.

Im Bereich der grenzüberschreitenden Aus- und Weiterbildung kommen wir ebenfalls voran. Politisch sind hier noch viele dicke Bretter zu bohren.

DHB: Wie hat sich die Rolle des Handwerks während Ihrer Amtszeit im gesellschaftlichen Ansehen verändert?

Müller: Sehr positiv! Das Handwerk hat sich gewandelt und hat wieder einen hohen Stellenwert. Die Bedeutung handwerklicher Fähigkeiten für die Gesellschaft ist groß und auch anerkannt. Die Handwerksberufe sind modernisiert und durch Digitalisierung attraktiver geworden. Moderne und zukunftssichere Arbeitsplätze sind entstanden. Somit hat sich das Handwerk zu einen respektierten und angesehenen Berufsbereich entwickelt. In einer Umfrage des Magazins Playboy unter vielen Frauen steht der Handwerker sogar vor dem Piloten und dem Arzt als attraktivster Mann!

DHB: Welche Impulse für bessere Rahmenbedingungen muss das Handwerk jetzt setzen?
Müller: Das Handwerk mit seinen kleinen und mittleren Betrieben muss noch viel stärker in das Bewusstsein der Politik und der Gesellschaft eindringen. Wir Handwerker müssen mit nachhaltigen Praktiken die Energiewende umsetzen. Dafür brauchen wir ordentliche Rahmenbedingungen, verlässliche Förderbedingungen und stabilen politischen Weitblick. Die Weiterbildung unserer Mitarbeiter muss zur Bekämpfung des Fachkräftemangels viel stärker in den Fokus der Betriebe rücken.

Einer der für mich wichtigsten Punkte ist der Austausch und die Vernetzung unter den Betrieben. Das müssen wir durch unsere Handwerksorganisationen noch stärker fördern. Es gilt, durch Solidarität und Kollegialität gemeinsame Lösungen für die besonderen Herausforderungen zu finden.

DHB: Sie haben sich jahrzehntelang ehrenamtlich ­engagiert – was haben Sie persönlich daraus gezogen?

Müller: Ein Blick weit über die eigene Region und über die Grenzen hinaus ist sehr wichtig und führt durch Vernetzung zu starken Synergieeffekten. So zum Beispiel in der Großregion. Mein persönlicher Einsatz hat sich gelohnt. Ich habe viel mehr erhalten, als ich gegeben habe. Mit so vielen ehrenamtlichen, engagierten Handwerkern konnte ich zusammenarbeiten und habe besondere Persönlichkeiten kennen- und schätzen gelernt. Das hat mich bereichert.

DHB: Was würden Sie anderen auf den Weg geben, die sich ehrenamtlich engagieren wollen, aber sich nicht unbedingt zeitlich verpflichten wollen?

Müller: Das Ehrenamt ist äußerst wichtig, im Handwerk und in der Gesellschaft. Erst die Impulse und die Unterstützung unserer Kollegen bringen uns hier entscheidend voran. Man kann auch ohne großen Zeitaufwand mit Ideen, kleinem Engagement und Solidarität zuarbeiten und Anteil nehmen.

Das Handwerk hat sich ­gewandelt und hat wieder einen hohen ­Stellenwert.

DHB jetzt auch digital!Einfach hier klicken und für das digitale Deutsche Handwerksblatt (DHB) registrieren!

Text: / handwerksblatt.de

Das könnte Sie auch interessieren: