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HWK Koblenz | November 2024
Gut beraten in die Selbstständigkeit
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Bei Friseurmeister Daniel Schwefel sind Beschwerden Chefsache. "Oft war es nur ein Missverständnis in der Kommunikation, das sich schnell aus dem Weg räumen lässt." (Foto: © axentis.de/Lopata)
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Warum ein professioneller Umgang mit Beschwerden und schwierigen Kunden so wichtig ist, und warum man eine Reklamation nicht als Nörgelei, sondern als Chance sehen sollte.
Ist ein Kunde unzufrieden mit der Wandfarbe, mit dem Haarschnitt oder läuft die Heizung nicht? Ruft er im Betrieb an, um seinen Frust loszuwerden oder kommt er persönlich vorbei? Dann heißt es, schnell und professionell reagieren. Und vor allem: lächeln. "Wenn ein Kunde eine Reklamation hat, dann ist er doch ehrlich und möchte dem Unternehmen treu bleiben. Dafür sollte man sich viel Zeit nehmen", sagt Friseurmeister Daniel Schwefel von Schwefel Friseure.
Bei dem Unternehmer aus Wriezen in Brandenburg sind Reklamationen Chefsache. "Ich vereinbare dann einen extra Termin, um in Ruhe mit der Kundin über das Problem zu sprechen." Egal ob die Kundin erst beim nächsten Termin vorsichtig andeutet, dass sie mit der Farbe nicht zufrieden war, oder ob sie später mit der ganzen Familie im Salon anrückt, um ordentlich Dampf abzulassen.
"Bei uns wird jede Reklamation gleich behandelt. Wir setzen uns hin und sprechen ruhig und sachlich über das Anliegen. Ich lasse den Kunden aussprechen, dann tauschen wir uns über das Problem aus", erklärt Daniel Schwefel. "Oft war es nur ein Missverständnis in der Kommunikation, das sich schnell aus dem Weg räumen lässt."
Ganz wichtig: Jede Art von Reklamation wird kostenlos bearbeitet. "Wir schneiden und färben neu, egal ob die Kritik berechtigt war oder nicht. Wir möchten, dass die Kundin glücklich ist und wollen sie behalten." Wenn der Fehler bei der Kundin lag, weil sie vielleicht das falsche Schampoo benutzt hat, dann wird das gar nicht erst kommuniziert. "Mit Freundlichkeit und Service nimmt man selbst dem Kunden, der Krawall machen möchte, den Wind aus den Segeln."
Ähnlich sieht es Bäckermeister Holger Schüren: "Unsere Produkte sind alles Unikate, wir sind alle nur Menschen, da kann auch mal was schiefgehen. Die Verkäuferinnen haben deshalb viel Verhandlungsspielraum bei Reklamationen", sagt der Inhaber von "Ihre kleine Backstube" in Nuthetal südlich von Potsdam. Auch seine Mitarbeiter lernen bei regelmäßigen In-House-Schulungen den Umgang mit schwierigen Kunden und das Beschwerdemanagement.
Vieles könne man schon vorab im Verkaufsgespräch klären, etwa dass ein Gerstenbrot im Volumen etwas kleiner ist oder ein Brot mit roten Goji-Beeren leicht bitter schmeckt. Wenn dann doch mal in der Backstube etwas schiefgelaufen ist, gelte die Devise: "Der Kunde ist König. Und für einen Kunden, der sich beschwert, erhöhen wir den Sockel, denn wir schätzen es ja, dass er zurückgekommen ist", sagt der Bäckermeister und Brot-Sommelier, der sich um Beschwerden ebenfalls möglichst persönlich kümmert. "Ich versuche zunächst fachlich zu klären, was passiert sein kann. Außerdem geben wir dem Kunden eine Wiedergutmachung, und er darf neue Produkte testen."
Erst neulich war ein Kunde von der Reaktion auf seine Beschwerde so begeistert, dass er sich im Nachhinein für die Kritik entschuldigt hat. "Dem Kunden schon im Vorfeld durch intensive Beratung den Wind aus den Segeln nehmen", das ist auch Schürens Strategie. Und sind die Brötchen mal ein wenig zu klein geraten, dann lassen die Verkäuferinnen absichtlich eins mehr in die Tüte rutschen und erwähnen das dann auch.
"Eine Reklamation ist keine Nörgelei", sagt Marketingexpertin und Buchautorin Anne M. Schüller. Im Gegenteil: "Jede Reklamation ist ein Geschenk." Zeigt der Kunde doch, dass er noch ein Interesse an einer Zusammenarbeit hat. Er möchte lediglich eine einfache Lösung für sein Problem. "Je schneller, desto besser." Fehler und Pannen können überall passieren. Das wissen auch die meisten Verbraucher.
Den Unterschied macht aber, wie der Betrieb reagiert. Viele Jahre Unternehmenstreue können innerhalb von Minuten zerstört werden. Warum? Weil der Kunde bei so einem Gespräch besonders aufgeregt und empfindlich ist. Vielleicht hat er sich schon einen ganzen Tag lang die Worte zurechtgelegt. Ganz sicher ist er nervös, weil er nicht weiß, wie sein Gegenüber auf die Kritik reagiert. Möglicherweise ist er auch sehr verärgert und wird etwas lauter.
Wenn dann der Azubi am Telefon sagt, dass der Chef sich morgen zurückmeldet oder wenn der Monteur beleidigt reagiert, dann ist das Kind wohl in den Brunnen gefallen, der Kunde ist verloren.
"Unternehmen sollten bedenken, dass eine Reklamation auch eine kostenlose Unternehmensberatung ist", sagt Marketingexpertin Schüller. "Sie ist eine Chance, Schwachstellen aufzudecken und Fehler abzustellen, Verbesserungsprozesse einzuleiten, um negative Mundpropaganda zu vermeiden, um Kunden zu halten und seinen guten Ruf zu bewahren."
Was einen Kunden stört, stört andere womöglich auch. Mit dem Unterschied, dass die anderen ihre Kritik vielleicht nicht aussprechen, sondern lieber gleich den Friseur, Bäcker, Dachdecker oder die Werkstatt wechseln. Oder sie äußern ihre Kritik anonym in einem Internet-Bewertungsportal. Und was da einmal steht ist kaum noch zu löschen.
Marina Busacker leitet ein Friseurunternehmen "Friseur Team Trend" mit 65 Mitarbeitern und neun Filialen in Schöneiche und Umgebung südöstlich von Berlin. In ihrer Branche ist Kommunikation das A und O. Alle Mitarbeiter – vom Azubi bis zum 15-köpfigen Führungsteam – werden daher rhetorisch geschult.
"Der Ton macht die Musik", dieser Spruch zieht sich wie ein roter Faden durch unsere Firmenphilosophie, sagt Busacker, die auf eine offene, freundliche und herzliche Atmosphäre in ihren Salons Wert legt. Zwei eigene Trainer üben im Rollenspiel mit den Mitarbeitern Konfliktgespräche, um dem Team Sicherheit für solche Situationen zu geben.
"Wir haben sehr selten Reklamationen", betont Marina Busacker, dennoch gibt es einen internen Standard in den Salons, wie man im Fall der Fälle reagieren sollte. "Sich des Problems annehmen, dem Kunden das Gefühl geben, dass man ihn versteht und versuchen, eine Lösung zu finden", sagt die Unternehmerin, die ihren Leuten rät, sich in den Kunden zu versetzen: "Wie würde ich mich an seiner Stelle jetzt fühlen?" Zielt die Kritik aber auf den Preis, dann sollte man sich nicht rechtfertigen, sondern freundlich darlegen, warum die Dienstleistung ihren Preis Wert ist, sagt die Unternehmerin.
"Kunden mit einer Reklamation möchten ihr Anliegen schnell loswerden, sie möchten ernst genommen werden und wollen, dass sich der Gesprächspartner für sie Zeit nimmt", sagen Gabriele Cerwinka und Gabriele Schranz, Autorinnen des Ratgebers "Wenn der Kunde laut wird". Vor allem möchten sie keine Schuld zugewiesen bekommen oder mit Besserwisserei konfrontiert werden (nach dem Motto: "Sie haben die Anlage ja auch falsch bedient!"). Stattdessen wünschen sie eine Lösung, die für sie möglichst bequem und mit wenig Aufwand verbunden ist.
"Ich verstehe Ihren Ärger und ..."
"Wir werden eine akzeptable Lösung finden."
"Ich danke für den Hinweis. Ich kümmere mich persönlich darum."
"Ich bin für Sie telefonisch erreichbar."
"Gerne gebe ich Ihnen Bescheid ..."
"Ich werde das noch einmal genau prüfen."
"Das hat für Sie den Vorteil ..."
"Da kann ich Sie gut verstehen ..."
"Ich danke Ihnen dafür, dass Sie uns die Gelegenheit gegeben haben, die Sache in Ordnung zu bringen."
"Sie können sich darauf verlassen."
Der Beitrag ist von 2017 und wurde im April 2021 aktualisiert
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