Kürzerer Urlaub bei Kurzarbeit Null
Fallen wegen Kurzarbeit Null ganze Arbeitstage komplett aus, wird auch der Jahresurlaub anteilig kürzer. Das hat das Bundesarbeitsgericht erstmals entschieden und damit endlich Klarheit in dieser Frage geschaffen.
Dieser Artikel gehört zum Themen-Special Kurzarbeit: Das müssen Betriebsinhaber wissen
Die anteilige Kürzung des Jahresurlaubs ist rechtmäßig, wenn Mitarbeiter durch Kurzarbeit Null tageweise nicht arbeiten. Das hat das Bundesarbeitsgericht in einem lang erwarteten Grundsatzurteil entschieden. Bislang gab es für diese Situationen keine höchstrichterliche Entscheidung, eine gesetzliche Regelung fehlt ganz.
Der Fall
Eine Verkäuferin aus Essen arbeitete drei Tage pro Woche, mit einem Jahresurlaub von 14 Tagen. Der Arbeitgeber führte wegen der Coronakrise von April bis Dezember 2020 Kurzarbeit ein. Im April, Mai und Oktober war die Frau in der sogenannten Kurzarbeit Null, das heißt vollständig von der Arbeitspflicht befreit. In den Monaten November und Dezember 2020 arbeitet sie insgesamt nur an fünf Tagen. Der Chef kürzte daher ihren Jahresurlaub für 2020 auf 11,5 Arbeitstage.
Die Frau wehrte sich gegen die Urlaubskürzung vor Gericht, unterstützt vom Deutschen Gewerkschaftsbund. Sie argumentierte, kurzarbeitsbedingt ausgefallene Arbeitstage müssten urlaubsrechtlich wie Arbeitstage gewertet werden. Es gebe weder einen einschlägigen Tarifvertrag noch eine Betriebsvereinbarung, der eine solche Kürzung vorsehe. Die Vorinstanzen hatten die Klage abgewiesen.
Das Urteil
Auch beim Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte die Klage keinen Erfolg. Es entschied, die Verkäuferin habe keinen Anspruch auf weitere 2,5 Tage Urlaub für 2020. Vielmehr sei der Urlaubsanspruch für das laufende Jahr anteilig um die verfallene Arbeitszeit zu kürzen. Wegen Kurzarbeit ausgefallene Arbeitstage seien weder nach nationalem Recht noch nach EU-Recht den Zeiten mit Arbeitspflicht gleichzustellen, sagen die Erfurter Richter. Das gilt aber nur bei Kurzarbeit Null, also wenn die Arbeit komplett ruht. Nur für diese Zeit ohne Arbeitspflicht besteht kein Urlaubsanspruch.
Berechnung wie bei Teilzeitkräften
Berechnet werde der Urlaubsanspruch wie bei einer Teilzeitkraft: 24 Werktage mal Anzahl der Tage mit Arbeitspflicht geteilt durch 312 Werktage.
Bei der Dreitagewoche der Klägerin ergab sich so zunächst ein Jahresurlaub von 14 Arbeitstagen (28 Werktage x 156 Tage mit Arbeitspflicht geteilt durch 312 Werktage). Für 2020 habe die Frau deshalb schon wegen der drei Monate Kurzarbeit Null nur einen Urlaubsanspruch von 10,5 Tagen gehabt anstelle der gewährten 11,5 Tage (28 Werktage x 117 Tage mit Arbeitspflicht geteilt durch 312 Werktage).
In einem weiteren Urteil vom selben Tag (Az. 9 AZR 234/21) erklärten die Richter, dass diese Grundsätze auch dann Anwendung finden, wenn die Kurzarbeit per Betriebsvereinbarung eingeführt wurde.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 30. November 2021, Az. 9 AZR 225/21
Hintergrund: Kurzarbeit und Urlaub
Die Coronakrise hat viele Betriebe zur Einführung von Kurzarbeit gezwungen, zum Teil sogar zur Betriebsschließung, was Kurzarbeit Null mit sich brachte. Die Kurzarbeit dürfen Chefs nicht einseitig anordnen, sie benötigen eine entsprechende arbeitsrechtliche Grundlage. Das ist etwa ein Tarifvertrag oder eine Betriebsvereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat. "Besteht weder Tarifvertrag noch Betriebsvereinbarung, muss der Chef die Kurzarbeit mit jedem Arbeitnehmer einzeln vertraglich regeln", betont Matthias Herold, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Köln.
Grundsätzlich haben Arbeitnehmer einen Mindestanspruch auf vier Wochen bezahlten Urlaub im Kalenderjahr. Das ergibt sich nicht nur aus dem deutschen Bundesurlaubsgesetz, sondern auch aus der europäischen Arbeitszeit-Richtlinie. "Meistens legen hierzulande aber Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen oder individuelle Arbeitsverträge einen längeren Jahresurlaub fest", weiß Fachanwalt Herold. "Hier kann und sollte auch schon geregelt werden, wie sich eine Kurzarbeit auf den Jahresurlaub der Mitarbeiter auswirkt." Eine gesetzliche Regelung, wie sich der Urlaubsanspruch bei Kurzarbeit berechnet, fehlt in Deutschland.
Nach dem aktuellen Urteil steht fest: Bei verringerter Arbeitszeit ist der Urlaub entsprechend kürzer. Aber: Das gilt nur dann, wenn ganze Arbeitstage in einer Woche wegfallen. Reduzieren sich lediglich die täglichen Arbeitsstunden, bleibt der Urlaubsanspruch gleich.
Praxistipp
Arbeitgeber sollten die betroffenen Mitarbeiter über eine solche Kürzung ihres Urlaubsanspruchs – im Rahmen ihrer ohnehin bestehenden Pflicht zur Information und Aufforderung, den Urlaub zu nehmen – informieren, rät der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH).
Das Bundesarbeitsgericht und der Europäische Gerichtshof haben in den letzten Jahren mehrere arbeitnehmerfreundliche Entscheidungen zu Urlaubsansprüchen getroffen. → Welche das sind, lesen Sie hierDHB jetzt auch digital!Einfach hier klicken und für das digitale DHB registrieren!
Text:
Anne Kieserling /
handwerksblatt.de
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