Keine Fahrverbote, wenn die Luft bald sauber ist
Diesel-Fahrverbote können unverhältnismäßig sein, wenn absehbar ist, dass der Grenzwert für Stickstoffdioxid auch ohne sie eingehalten wird.
Dieser Artikel gehört zum Themen-Special Gezerre um Fahrverbote
Ein Verkehrsverbot für Dieselfahrzeuge kann unverhältnismäßig sein, wenn nach einer Prognose auf hinreichend sicherer Grundlage der Grenzwert für Stickstoffdioxid in Kürze eingehalten wird. Das sagt das Bundesverwaltungsgericht in einem aktuellen Urteil.
Der Fall
Der Kläger ist die Deutsche Umwelthilfe (DUH). Sie verlangt die Änderung des Luftreinhalteplans für die Stadt Reutlingen, weil bis in das Jahr 2020 hinein der Grenzwert von 40 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter Luft überschritten wurde. Der Verwaltungsgerichtshof Mannheim hatte im März 2019 das Land verurteilt, Dieselfahrverbote in den Plan aufzunehmen.
Wichtige Fragen und Antworten zum Thema Diesel-Fahrverbote finden Sie hier.
Das Urteil
Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) sieht das anders als der Verwaltungsgerichtshof. Es hält ein Dieselfahrverbot nicht für zwingend. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei sowohl bei der Anordnung von Maßnahmen zur Einhaltung der Grenzwerte als auch bei deren Ausgestaltung zu beachten, so das BVerwG. Ein Dieselfahrverbot könne besonders dann unverhältnismäßig sein, wenn die baldige Einhaltung des Grenzwerts absehbar ist.
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 27. Februar 2020, Az. 7 C 3.19
Kfz-Handwerk ist zufrieden
"Ein Urteil mit Augenmaß", so beurteilt der Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK) die Entscheidung. Ein Sprecher betonte, auch die vielfältigen Maßnahmen der Automobilwirtschaft hätten zur Senkung der Stickoxidwerte beigetragen. Als Beispiele nannte er unter anderem die Software-Updates, den fortschreitenden Austausch älterer Dieselfahrzeuge durch Pkw mit modernen Euro 6 d-Temp-Motoren und die Möglichkeit der Hardware-Nachrüstung für ältere Dieselfahrzeuge.
Laut einer Studie des Bundesumweltamts (UBA) hat sich im vergangenen Jahr die Luft in deutschen Städten merklich verbessert. Demnach ist der Jahresmittelgrenzwert für Stickstoffdioxid nur noch an etwa 20 Prozent der Messstationen überschritten worden. 2018 waren es noch mehr als 40 Prozent. Erstmalig seit Inkrafttreten des Feinstaubgrenzwertes von 50 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter Luft für das Tagesmittel im Jahre 2005 wurde dieser im vergangenen Jahr laut dem UBA an keiner deutschen Messstation überschritten.
Hintergrund: In welchen Städten gelten oder kommen Diesel-Fahrverbote? Für die Antwort ➔ hier klicken!
Text:
Anne Kieserling /
handwerksblatt.de
Kommentar schreiben